„Was ist Feminismus für Dich“ – meine Interviewreihe geht weiter. In schöner Unregelmäßigkeit, stelle ich spannenden Menschen Fragen zum Feminismus. Mir geht es darum, unterschiedliche Gedanken zum Feminismus und seine unterschiedlichen Positionen und Vertreter*innen zu zeigen. Heute freue ich mich sehr auf Barbara Vorsamer: Journalistin, Twitterin, Mutter – und Feministin.
Barbara Vorsamer ist Journalistin bei der Süddeutschen Zeitung. Sie ist mir auf Twitter nicht nur über ihre (verlinkten) Texte, sondern eben über ihre feministischen Kommentare in ihren Tweets aufgefallen. Aktuell verantwortet Barbara das Digitalkonzept des Magazins Süddeutsche Zeitung Familie. Manchmal kommt sie trotzdem noch zum Schreiben – hier geht es zu ihren Texten. Barbaras Themenschwerpunkte sind Familie, Feminismus, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.
Liebe Barbara, bezeichnest Du Dich selbst als Feministin?
Ja.
Was ist Feminismus für Dich?
Die Überzeugung, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben sollten – und dass das derzeit noch nicht der Fall ist.
Wie bist Du zur Feministin geworden. Welche Auslöser gab es?
Den Begriff Feminismus verwende ich für mich erst seit meinem Auslandsjahr in den USA 2003. Dort habe ich die National Organisation for Women besucht, war begeistert und habe mir ein “This is what a feminist looks like”-Tank-Top gekauft.
Was ruft Deinen Feminismus auf den Plan?
Leute, die ich nerve, würden sagen: ALLES! Ich selbst merke, dass ich beim Thema Care-Arbeit und ihre gerechte Aufteilung besonders interessiert und empfindlich bin.
Was ist Sexismus für Dich? Wann fängt er an?
Sexismus ist die ganz tief in unserer Gesellschaft verankerte Geringschätzung von Frauen, die sich fast überall zeigt: in sexistischer Werbung, im Gender Pay Gap, in der Ignoranz gegenüber denen, die Care Arbeit leisten, bei #metoo und #aufschrei, an der geringen Zahl Frauen in Führungspositionen …
Sind die Geschlechterrollen biologisch begründet oder sind sie sozial geprägt?
In der SZ habe ich mal ein Interview mit einer Forscherin gelesen, die dazu eine Meta-Studie gemacht hat. Ihr Fazit: Männer können besser werfen, masturbieren häufiger und neigen eher dazu, fremdzugehen. Alle anderen Unterschiede sind nicht statistisch signifikant.
Ich möchte noch das kleine Detail hinzufügen, dass Frauen Kinder bekommen können und etwa 80 Prozent von ihnen auch Mutter werden. Vor lauter Betonung, dass das individuelle Entscheidung ist (das ist es ja inzwischen, glücklicherweise!), vergisst der Feminismus manchmal, dieses Thema trotzdem strukturell zu begreifen.
Wie erklärst Du Dir die Beobachtungen vieler Eltern hinsichtlich des geschlechtsspezifischen Verhaltens ihrer Kinder?
Man sieht eben, was man erwartet. Außerdem ist es kaum möglich, Kinder ohne geschlechtsspezifische Prägungen und Erwartungen zu erziehen, Studien belegen, dass selbst die reflektiertesten Feministinnen das nicht schaffen. Und selbst wenn sie das könnten: Das Umfeld (Oma, Nachbarn, Kindergarten) erzieht ja mit. Mädchen und Jungen lernen also von klein auf, welches Verhalten für wen akzeptabel ist. Leider.
Geschlechtergerechte Sprache – wie sprichst und schreibst Du?
Da ich aber vor allem für die Süddeutschen Zeitung schreibe, muss ich mich an die dort gültigen Regeln halten und die sehen das generische Maskulinum vor. Mich schmerzt das, ganz besonders, wenn ich über Gruppen schreibe, die mehrheitlich weiblich sind. Ich verwende dann gerne die Doppelnennung – “Erzieherinnen und Erzieher” – und es wird mir fast nie rausredigiert. Mit Gaps und Sternchen tue ich mir selbst noch schwer, das Binnen-I benutze ich gelegentlich.
Beim Sprechen benutze auch meistens die Doppelnennung und achte ansonsten sehr auf die korrekte Bezeichnung, sage also zu meinen Kindern nicht “Wir gehen jetzt zum Zahnarzt” wenn es eine Zahnärztin ist.
Wie versuchst Du Deine Kinder zu Feminismus/Geschlechtergerechtigkeit heranzuführen?
Drei Beispiele:
Indem ich mich dumm stelle, wenn mir meine Tochter erzählt, was typisch Mädchen und typisch Junge ist und dauernd frage: Warum?
Indem ich die körperliche Selbstbestimmung meiner Kinder respektiere und darauf achte, dass sie die bei anderen respektieren: Nein heißt Nein.
Indem wir ihnen vorleben, dass es keine typischen Frauen- und Männerarbeiten gibt.
Wenn Du für einen Tag ein Mann sein könntest, was würdest Du tun?
Eine Rede halten oder eine Podiumsdiskussion moderieren, um herauszufinden, ob das mit einer männlichen Stimme wirklich leichter ist. Ich kämpfe bei solchen Gelegenheiten immer noch mit Schnappatmung und Piepsstimme.
Welche feministisch begründeten Forderungen hast Du an die Bundesregierung?
Der Staat muss sich entscheiden, welches Familienbild er fördern möchte. Im Moment wird gleichzeitig durch das Ehegattensplitting eine traditionelle Arbeitsaufteilung subventioniert und dann vom Unterhaltsrecht die wirtschaftliche Eigenständigkeit beider Partner verlangt. Das ist keine Wahlfreiheit, wie manche Politiker behaupten – das sind zwei Arschkarten, eine für die berufstätige Mutter und eine für die Hausfrau. Wer Teilzeit arbeitet, darf beide ziehen.
Was ist Dein größter feministischer Wunsch für die Zukunft?
Das Ende des Patriarchats. Sorry – kleiner hab ichs grade nicht.
Liebe Barbara, vielen Dank für Deine Antworten.
Meine weiteren Interviews der Reihe „Was ist Feminismus für Dich“
„Feminismus ist gesunder Menschenverstand!“ Juramama Nina Strassner
„Patriarchatskritik ist radikaler als Feminismus.“ – Rona Duwe
„Männer sollten sich mit feministischen Konzepten auseinander setzen“ – Robert Franken
Was ist Feminismus für Dich? – Antje Schrupp
Corinna Luca aka Makellosmag: Feminismus ist für mich mehr eine Haltung als ein Label
Was ist Feminismus für Dich, Jochen König?
Christine Finke: Feminismus begleitet mich als Grundhaltung immer
Was ist Feminismus für Dich, liebe Rosa-Hellblau-Falle?
Stievie Schmiedel von Pinkstinks, was ist Feminismus für Dich?
@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@
Dir gefallen meine Artikel? Hier kannst Du mir eine Freude machen und etwas in meinen virtuellen Hut werfen. Lieben Dank! <3
@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@@
Danke für das interessante Interview! mich würde die zitierte Studie interessieren? Sie ist mir schon anderweitig über den Weg gelaufen, aber ich finde sie leider nicht mehr…
danke für das Interview! Feminismus und Sexismus waren für mich immer interessant.