„Was ist Feminismus für Dich, Christine Finke?“, frage ich heute. In meiner Interviewreihe geht es mir darum, unterschiedliche Standpunkte und Lebensentwürfe des Feminismus zu zeigen.
Christine ist alleinerziehend mit 3 Kindern, sie ist Aktivistin für Alleinerziehende und für den Feminismus, Stadträtin in Konstanz, Bloggerin auf Mama arbeitet und Autorin von „Allein, alleiner, alleinerziehend: Wie die Gesellschaft uns verrät und unsere Kinder im Stich lässt“*.
Was ist Feminismus für Dich?
Liebe Christine, bezeichnest Du Dich selbst als Feministin?
Ohja, unbedingt – das steht so in meiner Twitterbio. Allerdings erst, seitdem mir ein Stadtratskollege mal richtig blöd kam, der mich als „selbsternannte Feministin“ bezeichnete, als ich etwas sagte, was ihm nicht gefiel. (Unnötig zu sagen, dass es ein weißer alter Mann war, hm?). Da dachte ich, es ist höchste Zeit, diese Überzeugung auch als Etikett zu tragen. Und ziemlich zur gleichen Zeit wurde mir ein Wikimannia Eintrag zugedacht. Da war es dann quasi offiziell, dass ich Feministin bin.
Was ist Feminismus für Dich?
Die Erkenntnis, dass Frauen trotz Gleichstellung per Gesetz weit davon entfernt sind, gleichgestellt zu sein, Diskriminierung aufgrund meines biologischen Geschlechts, insbesondere als Alleinerziehende. Feministin zu sein, bedeutet für mich, die Welt zu einem besseren Ort machen zu wollen. Ich gehöre übrigens zu denen, die denken, der Feminismus nützt auch den Männern.
Wie bist Du zur Feministin geworden.
Ich bin schon so lange Feministin, das ist für mich gar nicht so leicht zu sagen. Aber dass die Lektüre von Simone de Beauvoir „Das andere Geschlecht“*, als ich 17 war, meine Sicht auf die Welt verändert hat, weiß ich noch genau. Ab diesem Zeitpunkt habe ich verstanden, wie sehr Frauen darauf gedrillt sind, Männern zu gefallen und als Objekt/Beute gesehen werden, und wie tief diese Sicht auf Frauen in den Männern steckt – aber auch in den Frauen selbst.
Was ruft Deinen Feminismus auf den Plan?
Das ist nichts, was ich an- oder ausschalte. Feminismus begleitet mich als Grundhaltung überall und immer, in den politischen Sitzungen, im Privatleben, beim Einkaufen und insbesondere als Mutter.
Was ist Sexismus für Dich? Wann fängt er an?
Auch da, wo ich gelegentlich Gruppenwut auf Männer verspüre, nur weil sie Männer sind, muss ich gestehen. Im Grunde ist Sexismus jegliche Herabsetzung aufgrund der Tatsache, dass jemand ein bestimmtes Geschlecht hat. Das Entscheidende dabei ist die Herabsetzung, oder auch Objektifizierung. Oft in Kombination mit einem Machtgefälle und/oder Gedankenlosigkeit.
Wie gehst Du persönlich mit Sexismus um, wenn Du ihn erlebst bzw. beobachtest?
Ich sage etwas, aber natürlich nicht immer und überall, sonst wäre ich den ganzen Tag beschäftigt. Aber wenn mir jemand blöd kommt oder ich das in unmitttelbarer Umgebung mitbekomme, dann thematisiere ich das, was mich stört.
Sind die Geschlechterrollen biologisch begründet; sind sie sozial geprägt?
Hierzu möchte ich gerne auf Iris Bohnets Buch „What Works“* verweisen – die hat sich mit diesen Fragestellungen beschäftigt, jedenfalls im Hinblick auf das Berufsleben. Aber schon das Wort „Rolle“ sagt ja eigentlich, dass da viel Erlerntes dabei ist. Ich glaube, dass viele Eltern verunsichert sind, weil ihre Erziehungsideale im Alltag schwer umsetzbar sind, auch was Geschlechterrrollen betrifft. Das fängt ja schon in der Paarbeziehung an.
Geschlechtergerechte Sprache – was ist das für Dich? Wie sprichst und schreibst Du?
Ich bin old school, wenn auch einsichtig, dass das nicht ideal ist. Ich gendere nicht. Aber ich wechsele die Pronomen „man“ und „frau“ eigenwillig ab. Das ist mein Zeichen des guten Willens.
Wie versuchst Du Deine Kinder zu Geschlechtergerechtigkeit heranzuführen?
Bei uns ist Feminismus, ohne dass explizit dieser Begriff benutzt wird, ständig Thema. Wir reden viel über Geschlechterrollen und gesellschaftliche Erwartungen, und meine 17-Jährige bezeichnet sich auch als Feministin, womit sie aber in ihrer Altersgruppe die absolute Ausnahme ist. Ich habe sie aber nicht bewusst indoktriniert, das passiert eher nebenbei, durch unsere Gespräche. Bei der Jüngsten ist das noch kein Thema, aber der Sohn (11) geht auch sehr bewusst mit Geschlechterrollen um und macht sich viele Gedanken.
Rollenklischees und Sexismus in Kinderbüchern. – Welche Erfahrungen hast Du gemacht und wie gehst Du damit um? Welche Kinderbücher magst Du ggf. empfehlen?
Ohgott, das ist wirklich ein ärgerliches Thema, denn gerade die Trennungsliteratur für kleinere Kinder ist voller Klischees über getrennte Eltern, die mich richtig aufregen. (Mama heult immer und Papa zieht aus zu seiner neuen Freundin.) Um mal bei der Trennungsliteratur zu bleiben, da kann ich eigentlich nur „Julian und die Wutsteine“ und „Mondpapas“ empfehlen.
Wenn Du für einen Tag ein Mann sein könntest, was würdest Du tun?
Ich wäre eigentlich nicht gerne ein Mann. Wahrscheinlich würde ich den ganzen Tag an mir runtergucken und mich über das Ding zwischen meinen Beinen wundern. Übrigens halte ich die Idee, es gebe unter Frauen einen Penisneid, für absurd. Wer will denn sowas haben, wenn sie eine Vulva und Brüste haben kann?
Welche feministisch begründeten Forderungen hast Du an die nächste Bundesregierung?
Alles, was der Frauenrat fordert. Und als alleinerziehende Frau fühle ich mich doppelt und dreifach benachteiligt – auf dem Arbeitsmarkt, bei der sozialen Teilhabe, gesundheitlich und finanziell/steuerlich. Ich bin Quotenbefürworterin, und zwar in möglichst vielen Bereichen (auch Männer in Kitas, Grundschulen und Pflege) und setze mich auch für einen bessseren Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt ein.
Was ist Dein größter feministischer Wunsch für die Zukunft?
Dass die Maskulisten aussterben, weil sie keine Frau mehr als attraktiv ansieht. Das sind Dinosaurier.
Liebe Christine, vielen Dank für Deine Antworten.
Meine weiteren Interviews der Reihe „Was ist Feminismus für Dich“
„Feminismus ist gesunder Menschenverstand!“ Juramama Nina Strassner
„Patriarchatskritik ist radikaler als Feminismus.“ – Rona Duwe
„Männer sollten sich mit feministischen Konzepten auseinander setzen“ – Robert Franken
Was ist Feminismus für Dich? – Antje Schrupp
Corinna Luca aka Makellosmag: Feminismus ist für mich mehr eine Haltung als ein Label
Was ist Feminismus für Dich, Jochen König?
Stievie Schmiedel von Pinkstinks, was ist Feminismus für Dich?
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Eine tolle, kluge, mutige Frau! Ich lese Frau Finkes Blog schon lange und sie hat mir sowas von die Augen geöffnet, was das Thema Alleinerziehende angeht.
Ich schätze Chritine Fnke schon sehr lange, wenn gleich ich nicht immer mit ihr einer Meinung bin. Ihre Haltung jedoch ist bewundernswert und ich bin sicher, dass sie noch sehr viel für die Alleinerziehenden in diesem Land bewegen wird.
Danke für das gute Interview.
Bei Frau Finke schwingt zwischen den Zeilen leider immer sehr viel Männerhass mit. Das reduziert ihre Glaubwürdigkeit. Zum Beispiel die „ein Tag als Mann“-Frage: sie kann sich nicht darauf beschränken, dass sie als Frau zufrieden sei (wie es z. b. andere in dieser Serie gemacht haben), sondern muss schlecht über Penisse reden. Völlig unnötig, sagt aber mehr über Frau Finke als ihr lieb sein dürfte.
Nur weil jemand keinen Penis haben möchte, ist das doch kein Männerhass. So viel muss Man(n) aber aushalten können, finde ich.
„…Feminismus nützt auch Männern.“
Wollen sie (nur für einen einzigen Tag) einer sein?
„Ich wäre eigentlich nicht gerne ein Mann. …“
wenn Feminismus (angeblich) Männern nützt, warum will sie denn dann keiner sein? Sind die „Privilegien“, die man(n) angeblich wegen eines Y-Chromosoms hat, nicht erstrebenswert? oder existieren sie erst gar nicht?