Die letzte „Hilfe mein Kind steckt in der Autonomiephase und ich weiß jetzt auch nicht“-Phase hat locker 5 Wochen gedauert, inklusive Einführung, Komplikation und Klimax. Wir sind jetzt in der Abkling-Phase. HOFFE ICH. Glücklicherweise blieb uns die Katastrophe erspart. Dramatisch war es aber doch, für Kind2 und für mich.
Und für Kind 1 auch, die während der Phase geduldig und allerliebst ewig auf den Bruder wartete. Bei jeder neuen wilden Trotzphase Autonomiephase stehe ich wieder ahnungslos und wie der Ochs vor dem Berg da. Schlimm.
Gefühlt zwei Jahre alt sein – die Logikfalle
Der Kleene (3,5 Jahre) hat sich echt gequält. Er wollte irgendwie nicht, auf jeden Fall anders als ich, am besten: Das Gegenteil! Wenn aber der kleine Geist, der stets verneint, immer verneint, ist es Essig mit der Logik. Das hat nicht nur mich verwirrt, sondern auch ihn. Wollte ich einen Kompromiss finden und ihm entgegen kommen, blieb er beim „NEIN!“ Blieb ich konsequent wurde das NEIN lauter. Irgendwann verhedderte er sich im Nein und in dem, was er eigentlich wollte und machte es selber noch viel schlimmer. Nichts konnte ihm recht sein. Und schlimmer: jetzt mit 3,5 Jahren bemerkte er, wie unsinnig und wenig zielführend sein „Nein!“ ist, sodass er mehrmals weinend mit „Iss kann niss mehr reden!“ endete. Armer kleiner Kerl, es war nicht schön für ihn. Und – nein – für mich auch nicht.
Der Geist, der stets verneint
Ich: „Kinder, was machen wir denn heute Nachmittag, zum Spielplatz oder nach Hause?“
Kind2 sagte nichts.
Kind1: „Spielplatz!“.
Kind2: „NEIN!“.
Dann Kind1: Ok, dann gehen wir nach Hause!“.
Kind2: NEIN!“.
Ich: „Was willlst Du denn machen, hast Du schon eine Idee, Kind2?“
Keine Antwort.
Ich schlug ein Spielcafé vor.
„NEIN!“.
Ich: „Gut, dann gehen wir jetzt auf den Spieplatz“
„NEIN NEIN NEIN WÄH!“
Und ja, das ging ewig noch so hin und her. Endete immer in NEIN und großes unglücklich sein.
Verhedderung oder Logikfalle
Oder wir waren verabredet und wollten andere Kinder besuchen gehen.
„NEIN! Zum Spielplatz!“.
Lenkten wir (Kind1 und ich) dann ein: „NEIN! Tanja besuchen!“.
Gingen wir dann zu Tanja, „NEIN!“
Vernünftiges reden wollen, war ausgeschlossen. Er unterbricht mich, brüllt, bleibt stehen.
„NEIN!“ „Iss sagte aber, iss will NISS zu Tanja!“
„So, dann gehen wir jetzt halt nach Hause!“‚
„NEIIIN. Iss SAGTE zu Tanja gehen!“
??? Aber Du hast doch gerade gesagt, dass Du nicht zu Tanja gehen willst.“
„Nein! Iss sagte iss will niss zu Tanja. WÄHWÄH“
„Wie jetzt? Möchtest Du zu Tanja oder nicht??
„NEIN!“ Heulen, schreien, weinen.
Irgendwann versuchte er, sich auszudrücken: NEIN, ISS WILL: SAÄDF ÄUOHxTTSDFO!“ Weinte, wälzte sich auf dem Boden. „ISS KANN GAR NISS MEHR REEEDEN! WÄÄH!“
Gab ich ihm weniger Wahlmöglichkeiten, lenkten wir nicht mehr ein, blieb es beim Boykott, inklusive auf dem Boden wälzen, schreien, weinen, stehen bleiben. Richtig, wir kamen in dieser Zeit immer sehr spät dort an, wohin wir eigentlich wollten.
„AUA!“ schreien, bevorzugt auf offener Straße
Der Socken sitzt schief. „AUA!!!“ Der Ärmel ist zu lang und liegt auf der Handfläche auf „AUAAA!“ Die Mütze ist verrutscht, ich halte in an der Hand. „AUA!!! MAMA! AUA! MAMA!!! AUAAA!!!“
„Wo hast Du aua?“, frage ich jedes Mal.
„NEIN! Iss sagte AUA!“
„Ja, aua“, sage ich. „Wo ist das Aua?!“
„NEIN! ISS HABE AUA, SAGTE ISS!“
„Ja, Kind2, Du hast Aua“.
„Kind2, ich will Dir helfen.“
„NEIN! ISS HABE AUA!“
„Dann sag mir doch, wo es Dir weh tut.“
„NEIN!!! ISS!!! HABE AUA!!!! SAGTE ISS!!! GEH WEG MAMA!!!!“
Er hat sonst keine Probleme mit der Grammatik. Achso, und wenn ich dann weg ging, lief er mir weinend hinterher und wollte an die Hand. Oder blieb stehen und schaute mir traurig nach…!
Selbstzweifel galore
Und das schlimmste, ich machte alles falsch. Ich durfte nicht trösten, nicht vernünftig reden wollen, nicht erklären, nicht ignorieren, nicht eine Pause vorschlagen, nicht ablenken, nicht singen, nicht mit Kind1 unterhalten. Nicht an die Hand nehmen, nicht die Hand los lassen.
Selbstzweifel galore: Biete ich zu viel an? Bin ich nicht fröhlich genug? Nicht konsequent genug? Nicht liebevoll genug? Wann hört diese Phase auf! Und warum ist er so wütend auf mich? Ich muß irgendwas grundlegend falsch machen, dass er dann so wenig Nähe von mir wünscht. Andererseits ist sein ganzes Verhalten auf mich fixiert. Reagiere ich mal nicht, weil ich mit dem Latein am Ende bin: „MAMA!!!! REDE MIT MIR! ISSS HABE AUA! SAGTE ISS!!!!!!!“
Nach einiger Zeit gingen meine Nerven auf Urlaub. Weg waren sie. Trotz Selbstzweifel wurde ich resoluter – und leider auch lauter – und sagte, wo es lang ging, wann und in welchem Tempo. Ich konnte einfach nicht mehr anders. Ich fing auch an, ihn teils zu ignorieren, wenn dies Gebrülle und Verneine unlogisch wurde und kein Reden möglich war. „Rede mit mir, Mama!“ kam dann. Natürlich ging ich dann wieder auf ihn ein. Sofort wurde ich mit Wut und „NEIN“ wieder angeschrien.
Ich konnte nicht mehr und meine Kompromissbereitschaft schien es ja nur schlimmer zu machen und die Laune weiter in den Nachmittag zu tragen. Unschön, das Kind an der Hand oder am Arm mitzuziehen. Aber was sonst? Wir standen locker 30 Minuten an einzelnen Ecken herum – und Kind1 hatte schließlich auch Wünsche und Bedürfnisse!
Klimax-Phase: Das geht am Nachmittag noch so weiter!
Das Dilemma war, bei Kind1 hatte die Wahlmöglichkeit super geholfen. Das konnte ich bei Kind2 vergessen. Ich gab Kind1 damals an Tagen wie diesen zwei Dinge zum Aussuchen, wie zum Beispiel „Spielplatz oder XY besuchen!“ und sie wählte etwas. Sie hörte zwar auch nicht sofort auf zu Knatschen, Zerren und Jammern, aber es ging. Weiß ich heute, im Vergleich. Vermutlich hat Kind2 einfach nur diesen dummen Pseudowahlmöglichkeitstrick durchschaut und grätscht mit seiner Logikfalle dazwischen.
Gingen wir nachmittags nach Hause, blieb die Laune schlecht. Bei beiden Kindern. Besonders ausdauernd bei Kind2. Alles war eine Zumutung für das Kind. Die Treppe hochkommen, Jacke und Schuhe ausziehen, Jacke aufhängen, Schluppen anziehen, Hände waschen. „Nein“. Denkt bloß nicht, dass meine Auszieh-Hilfe („Das Kind ist sicher müde. Ich bin mal heute so nett und helfe ihm“) irgendetwas hätte ändern können! – Nein.
Sofort wenn die Haustür aufgeht, haben die Kinder Hunger. SOFORT mußte die Mutter Essen herbei schaffen. Egal zu welcher Uhrzeit. Egal, ob die Teezeit in der Kita eingenommen wurde oder nicht. Kind2 hatte HUNGER und ich war zu langsam. Zwischendurch AUA-Gebrüll inklusive grammatikalischer Diskussion. Selbst wenn ich, Cleverle wie ich zu sein glaubte, dem hungrigen Kind nach der Kita ein Brötchen in die Hand gab, blieb ich, zu Hause angekommen, zu langsam, denn das Kind war weiterhin hungrig. Und schlecht gelaunt. Und doch, er hatte mittags gut gegessen. Ausserdem hatte er AUA!!!
Was kann ich ändern?
Ich brachte für jedes Kind ein Brötchen mit. Ich dachte mir abwechslungsreiche Nachmittagsbeschäftigungen aus. Ich ließ sie ihre Rosenmontagsbonbons essen. Ich spielte vor dem Abholen mit Kind2 in seiner Gruppe das Spiel zu Ende. Ich wartete beim Anziehen ab, ich half ihn. Ich ließ ihn. Es half nichts. Ich wurde schon mit „Geh weg!“ begrüsst. Pubertät? Das ist das, was mit 3,5 beginnt.
Und plötzlich: Der Spuk ist vorbei
Und dann kam letztes Wochenende und der Mann und ich waren beide angeschlagen und gehörten ins Bett. Und was war? Sohn und Tochter spielten hingebungsvoll miteinander, friedlich und nett. Sie waren lieb zu uns, kein Gebocke, kein „NEIN“, kein Geheule. Nice and quiet. Am Sonntag weckte mich Kind2 ganz leise und lächelnd. Er kam unter meine Decke kuscheln und wir strahlten uns an. <3 Seitdem geht es.
Also, im Vergleich. ;) Selbstverständlich ist das Anziehen nach der Kita noch keine reine Freude und natürlich bleibt er zwischendurch noch stehen und brüllt „NEIN!“ oder auch „AUA“. Aber irgendwie ist das plötzlich schneller vorbei. Er zeigt auf irgendeine absurde Stelle, die gerade weh tut, ich puste. Das wiederholt sich öfter. Aber wir kommen relativ unbeschadet durch den Tag und haben immer wieder Momente, in denen es einfach schön ist, und lustig.
Leider habe ich keine pädagogischen Erkenntnisse gewonnen. Ausser: atmen.
Wollt Ihr weitere Texte über die Trotzphase Autonomiephase lesen? Hier fing es gerade an. Hier hab ein Zwischenhoch und hier bringe ich den Sohn ohne Hose in die Kita.
P.S. Das Bild oben zeigt eine friedvolle Spielsituation und darf nicht als Symbolbild missverstanden werden.
Hallo liebe Sonja,
Dein Kind 2 ist ja ein halbes Jahr älter, als mein Kind. Ich habe ja nicht das Privileg eines zweiten Kindes ;) Ich finde es also immer interessant von Dir zu lesen, wenn es um Kind 2 geht, weil ich mir denke: Aha, das könnte also innerhalb des nächsten halben Jahres so auf mich zukommen. Und außerdem beschreibst Du die Situationen immer so schön konkret und plastisch, dass ich mir wirklich was darunter vorstellen kann. Ich hasse es nämlich, wenn BloggerInnen sich in halbgaren Andeutungen ergehen und ich mir anhand von mageren Indizien zusammenreimen muss, was da ungefähr vorgefallen ist.
Ich beschäftige mich seit längerer Zeit mit dem Thema Gefühlsmanagement. Wenn ich Deinen Text so lesen, dann frage ich mich: Mit was für Gefühlen setzte sich Dein Kind da grade auseinander. Deinem Bericht folgend, ist es für mich völlig klar, dass diese Gefühle nichts mit Dir zu tun haben, besonders nicht mit irgendwelchen Defiziten, die Du hast (ich bin sicher Du hast keine frappierenden Defizite). Ich sehe es eher so, dass Du stolz auf Dich sein kannst, weil Dein Kind sich traut diese ganzen Gefühle auszudrücken, obwohl er ja auch merkt, wie sehr sie Dich und Kind 1 belasten. Da steckt also eine große Sicherheit hinter. Und angesichts der Tatsache, dass diese Phase vorübergehend ist, scheint da kein grundsätzliches Problem hinter zu stecken, sondern eine ganz bestimme Erkenntnis, die Gefühle auslöst.
Ich belästige Dich hier mal ganz unverblümt mit den Gedanken, die mir dazu eingefallen sind: Ich vermute, dass Kind 2 in letzter Zeit die Tragweite von Entscheidungen besonders bewusst geworden ist. Wenn man mit Erwachsenen zu tun hat, dann kann man auch hin und wieder beobachten, dass Entscheidungen treffen ein Problem sein kann. Sowohl für sich selbst, als auch und ganz besonders in der Gruppe. Man will gemeinsam essen gehen, aber wohin? Und häufig werden schnell Vorschläge gemacht und wird zügig eine Entscheidung getroffen, aber es kommen zuweilen diese ganz unangenehmen Situationen auf, wo alle Beteiligten sowas sagen, wie: „Mir ist es egal, ich mache, was ihr wollt.“ oder wo ständig jeder Vorschlag von irgendwem blockiert wird. Ich sehe in diesen Situationen immer sehr viele Gedanken darüber, welche Konsequenzen die Entscheidung haben wird: ‚Was ist wenn es dort schlecht schmeckt und ich habe zugestimmt, werde ich dann verantwortlich gemacht? Oder werde ich nicht satt und dann fühle ich mich unwohl oder muss später noch was kochen? Oder werfe ich dann Geld zum Fenster raus? Oder Oder Oder.‘ Und es gibt diese ganz unangenehmen Menschen, die sich bei Entscheidungen, die eine Gruppe betreffen immer komplett raus halten und dann später bei der Durchführung JEDES VERDAMMTE HAAR in der Suppe finden und ausgiebig beklagen und bejammern. Und wenn sie dann darauf angesprochen werden, dann reden sie sich mit: „Ich habe das ja nicht entschieden, ihr wolltet das doch so.“ heraus. Ganz schlimm. Wenn man beispielsweise mit so einer Person in den Urlaub fährt, dann kann es vorkommen, dass sie am Ende des Urlaubs so gehasst wird von der Gruppe, dass sie am Flughafen nicht mehr im bestellten Taxi mit Heim fahren darf. Ich spreche hier übrigens aus Erfahrung. Aber ich schweife ab.
Fazit: Jede Entscheidung ist mit gewissen Unabwägbarkeiten verbunden, mit gewissen Risiken, weil man ja nicht alle Faktoren für zukünftige Entwicklungen kennt. Das kann manchmal Entscheidungssituationen völlig lähmen, nämlich dann, wenn diese Risiken zu bewusst werden oder nur knapp unterhalb der Oberfläche schwelen. Und so wie Dein Kind in jeder Entscheidungssituation hin und her gerissen war, habe ich den Eindruck, dass er eine zuvor nie so intensiv gespürte Bewusstheit für die Konsequenzen von Entscheidungen erlangt hat. Und diese Bewusstheit hat ihn zutiefst verunsichert. Es ist vielleicht ein kognitiver Entwicklungsschub, der ihm ein umfassenderes Verständnis von Zeit bezüglich des Verhältnisses von Zukunft und Erinnerung eingebracht hat. Solche Erkenntnisse können unheimlich beängstigend sein. In seinen Gedanken ging es vielleicht so zu: >>Spielplatz oder nach Hause? Erster Impuls: Spielplatz. ABER: kürzlich ist doch was blödes auf dem Spielplatz passiert. Das könnte ja nochmal passieren. Das wäre nicht schön. Also lieber nicht zum Spielplatz. Dann nach Hause. Nein. Zuhause ist es doch ziemlich langweilig. Also woanders hin? Ja, aber wohin? Woher soll jetzt eine Idee kommen?<< An dieser Stelle wirkt die Situation dann schon ziemlich aussichtslos, aber es fehlen im noch die kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten dieses gedankliche Dilemma zu beschreiben (manche Leute erlagen diese Fähigkeit, glaube ich, nie und werden dann zu brutalen Gruppenurlaubszerstörern). Er steht unter Druck eine Entscheidung zu treffen, nichts scheint optimal und dann auch noch eigene Vorschläge, uiuiui, Druck, Stress, was soll er jetzt sagen? Die Gefühle explodieren, denn es ist einfach nur noch Chaos im Kopf. Alles ist doof. Spielplatz doof, Zuhause doof, alles andere doof. Verzweiflung.
Was kann man in solchen Situationen tun? Also bei notorischen Gruppenurlaubszerstörern fällt mir nichts mehr ein. Aber bei einem Kleinkind ist es glaube ich gut die ganzen Gefühle einfach zu ertragen. Ich vermute auch sein immenses Bedürfnis mit Dir darüber zu reden, zeigt, dass er gerne genauer ausdrücken würde, was ihn belastet, aber es frustriert ihn ungemein, dass es nicht klappt. Also ist es gut am Ball zu bleiben, ihm zu zeigen, dass man bereit ist darüber zu reden und die Gefühle zu ertragen. "Ja, du weißt grade nicht was du willst, das ist nervig, das verstehe ich." Und dann muss die ganze Wut und Verzweiflung einfach raus. Sie muss ausgedrückt werden, sonst kann er sie nicht verarbeiten. Manchmal wird es ihn erleichtern, wenn die Entscheidung ihm abgenommen wird. Jeden Tag immer viele Entscheidungen treffen zu müssen, das kann unheimlich anstrengend sein. Im Kindergarten wird er ja wahrscheinlich auch immer wieder sogenannte Freispielphasen haben, wo er sich gemeinsam mit seinen Freunden überlegen muss, was gespielt wird. Und dann ist er mit Gleichaltrigen umgeben, die weit weniger Geduld und Verständnis haben. Dann kann es also nachmittags für ihn manchmal entspannend sein, wenn er ganz klare Ansagen bekommt und nichts entscheiden muss. Aber manchmal findet er das vielleicht zu einengend und bevormundend, denn Autonomie und Mitbestimmung hat ja auch viele Vorteile.
Mein Kind hat teilweise auch so Phasen, wo nichts mehr richtig ist, meistens in Situationen totaler Erschöpfung, was es von Deinem Kind unterscheidet. Alles was ich dann mache oder vorschlage ist falsch und es gibt furchtbar lautes, wütendes und verzweifeltes Geschrei. Meistens mache ich eine Zeit lang Vorschläge und probiere Unterschiedliches aus. Manchmal wirkt auch irgendwas davon und gut ist. Aber manchmal bleibt einfach alles doof und dann bleibe ich beim Kind, fasse es nicht an, spreche es nicht an und versuche einfach nur so verständig wie möglich dreinzublicken. Ich warte, bis das schreiende Kind vor Erschöpfung in meine Arme sinkt. Und dann kuscheln wir und ich sage, dass alles gut ist.
Natürlich gibt es auch diese Tage, wo mir dazu die Geduld fehlt und alles mehr eskaliert, als notwendig wäre. Das ist dann blöd, aber ich bin auch nur ein Mensch und zwar insbesondere ein Mensch, der ziemlich wenig Tiefschlafphasen genießen kann und deshalb reizbarer und ungeduldiger ist, als ein Mensch mit ausreichenden Tiefschlafphasen. Und wenn dann nach schlimmerer Eskalation (das bedeutet konkret meist, dass ich irgendwann einen Schlussstrich ziehe und eine resolute Entscheidung treffe, was in diesen speziellen Situationen zu hochtönigem Kreischen führt) wieder Frieden eingekehrt ist, dann sprechen wir darüber so gut es mit einem dreijährigen Kind geht und wenn das Kind dann zu mir sagt, dass es grade ein bestimmtes Verhalten meinerseits schlimm fand, dann entschuldige ich mich ganz aufrichtig. Ich bin sehr froh, dass das Kind inzwischen sagen kann, ob es ein Verhalten schlimm fand oder nicht und ich stelle fest, dass es ganz häufig Verhalten von mir, für das ich mich schäme, gar nicht schlimm findet. Ich unterschätze also häufig den Rahmen dessen, was für das Kind noch okay ist.
So, nun bin ich fertig, um eine Tiefschlafphase ärmer, aber es hat auch irgendwie gut getan, mir das mal von der Seele zu schreiben.
Liebste Sonja, ich bin immer wieder, wenn ich Deine Texte lese, zutiefst davon überzeugt, dass Du eine ganz wundervolle Mutter bist. Ganz ehrlich, ich finde Deine Überlegungen und auch Deine Selbstzweifel zeugen davon, dass Du in der Beziehung zu Deinen Kindern einen Weg beschreitest, der sich für mich wirklich gut anfühlt.
Viele Grüße
Esther
P.S.: Heute ist, bzw. war, der Tag des Schachtelsatzes, habe ich zumindest bei Twitter gelesen. Für mich ist ja immer Tag des Schachtelsatzes, aber heute habe ich mir besondere Mühe gegeben :)
Ganz lieben Dank für Deinen langen Text und die genauen Beschreibungen. Ich denke mal darüber nach. Einiges hört sich sehr gut und richtig an. Vielleicht sind es die Entscheidungen, andererseits blieb er genauso bockig, trotzig und unzugänglich, wenn ich an Tagen entschied und gar nicht mitentscheiden liess. Mal beobachten, morgen ist ein neuer Tag. Achso, ich liebe Schachtelsätze. :)
Ich möchte gerne noch was ergänzen. Als 4fach Mutter habe ich das nun schon öfter durch. :) Sehr oft kommt, gerade bei den „AUA-Phasen“, noch ein, zu dem Zeitpunkt, nicht erkennbares Wachstum dazu. Oder Zahnen.
Wenn die Kinder merken, dass da irgendwas zieht und zwickt und drückt und sie es absolut nicht einordnen können. So waren zu diesen Zeitpunkten auch die „Fressattacken“ bzw. „Essens-Verweigerungen“ immer ein Thema.
Wenn dann körperliche Unruhe und ein kognitiver Entwicklungsschub zusammenkommen, dann wirkt es für den Rest der Familie schon mal wie PMS. :lol:
Liebevolle Konsequenz (nein, gelingt weiß gott nicht immer) ist ein Hilfsmittel. Manchmal hilft auch nur Aussitzen. Wenn die Pubertät dann so richtig zuschlägt, dann möchte ich auch schon mal nur noch weglaufen. Habe ich schließlich derzeit 3 voll PuberTIERende, die ihre „Anfälle“ dann gleichzeitig haben. Meinetwegen könnte man das auch ganz weglassen. ;) :lol:
Liebe Sonja,
hach, ich liebe ja deine Texte und deinen Schreibstil! Du brauchst gar nicht so sehr an dir zweifeln – du hast doch sooo viel guten Mama-Instinkt bewiesen!
Kennst du dieses Babybuch, wo die Entwicklungssprünge beschrieben werden? Das Buch hört ja mit etwa 1,5 Jahren auf, aber natürlich haben unsere Kinder trotzdem weiterhin Sprünge. Aus meiner Erfahrung heraus etwa mit 2 und 2,5, mit 3 und mit 3,5 und nochmal mit 4 einen besonders garstigen. Dann wird es besser. Ihr habt jetzt eben den mit 3,5 durchlaufen. Und wie als Babys früher sind sie in der Zeit weinerlich und zimperlich und irgendwie schräg drauf. Herr Ningel und Herr Nörgel sind zu Besuch! Das liegt halt daran, dass sich im Gehirn etwas neu verschaltet und das ergibt erstmal ein diffuses Gefühl von Unruhe. Ist der Sprung geschafft, sind sie wieder normal und können etwas Neues.
Es gibt auch, außerhalb dieser Sprungzeiten, so genannte ‚Blitzableitertage‘, in denen man von früh bis spät angemault wird und seinen Kindern nichts recht machen kann. Man erkennt diese Tage sehr gut an den völlig abstrusen Forderungen: Das Kind will die bereits weggeworfene AA-Windel wieder angezogen bekommen. JETZT! Wuäää! Den ganzen Tag ist das Kind in Wut-Ketten gefangen und man kann wirklich gar nichts richtig machen als Mutter. An solchen Tagen muss man sich dann als Blitzableiter zur Verfügung stellen und dagegen halten – die Kinder brauchen nämlich einen Anlass, um explodieren zu können. Diese Explosion bereinigt dann das wuselige Gefühl im Gehirn. Ich vergleiche das gern mit einem Re-Boot des Computers.
Soweit zum entwicklungspsychologischen Hintergrund. Dein armer Sohn konnte sich in den 5 Wochen einfach nicht entscheiden – das war auch nicht sein Problem. Sein Kopf fühlte sich wuselig an und er war deswegen verstört und deswegen hat er so ambivalent reagiert. Alles gut von deiner Seite also.
Was die Aua-Aua-Geschichte angeht: Mmmh- du kommst von der Arbeit nach hause und sagst zu deinem Mann: ‚Diese blöde Kollegin XY gibt mir immer die langweilen Aufgaben!‘ und dein Mann sagt sofort: ‚Die musst du zurechtweisen!‘ oder ‚Ich rufe da morgen gleich an, die kann was erleben!‘ oder ‚Dann setz dich durch, kämpfe!‘ und du denkst genervt was? Genau: ‚Mann! Hör mir doch einfach nur zu!‘
Also: Dein Sohn sagt: Aua! Aua!
Du sagst: Oh? Aua? Oh je. Aua! Du Armer!
Er sagt: Nein, Mama! AUA!
Du sagst: Du hast ein Aua! Das tut dir weh! Man, tut dir das weh! Das ist echt blöd. So ein blödes Aua.
Mehr nicht. Hör ihm zu. Bestätige, was du gehört hast. Höre auf, Lösungen zu suchen, die sind nämlich nicht gefragt.
Zu guter Letzt: Ich habe wirklich gerade erst im Blog darüber philosophiert, warum wir Wutanfälle von unseren Kleinen nicht dafür nutzen, den Geschwisterkindern Geduld, Kompromissbereitschaft und Empathie zu lehren und bin nun tief beeindruckt, dass DU genau das schon lange machst! Wie cool! Wie cool, dass deine Große diese Chance bekommen hat. Wie cool, dass dein Kleiner seine Gefühle in Ruhe kennen lernen konnte, ohne dass er, als sein Gehirn in der Krise war, Rücksicht auf andere nehmen musste. Bravo, Sonja!
Liebe Snowqueen, ich danke Dir für Deine lange Antwort und die Riesenmühe, die Du Dir für die Analyse gemacht hast. Du bist toll! <3 Gerade was Du über das zweite Geschwisterkind gesagt hast, ist so einleuchtend, habe ich aber bisher noch nie so gesehen. Das wird mir für die nächsten Male viel Ruhe geben.
Och, ich bin ganz bei Dir…! Auf meinem Blog findest Du unter dem Tag „trotzen“ so einiges.
Kennst Du den diesbezüglichen Artikel von „Das gewünschteste Wunschkind treibt mich in den Wahnsinn“? Hat ein paar gute Tips drin (also nicht dass sie etwas nützen, aber immerhin hat man damit noch ein paar Dinge an der Hand, die man ausprobieren kann statt hilflos rumzubrüllen)
http://www.gewuenschtestes-wunschkind.de/2013/05/autonomiephase-trotzphase-warum-immer.html