Kind2 ist bald 3. Gemeinhin sagt man, die Trotzphase – oder Autonomiephase – wäre dann zu Ende. Mitnichten! Meine Tochter drehte dann nochmal richtig auf. Wirklich „ruhiger“ wurde Kind1 erst mit 4,5. Also vor kurzem.
Kind2 trotzt also wieder. Und er trotz wie aus dem Bilderbuch: Ja, nein, ja nein, doch nicht, aber wääh! Laut, auf den Boden werfen, gegenteilige Wünsche äußern, strampeln und gänzlich nicht wissen, wohin mit sich. Ganz große Unzufriedenheit.
Mittlerweile sagt mir dieses Trotzen: „Ich will Halt. Ich möchte, dass Du mir zeigst, wo es lang geht. Auch, wenn ich mich dabei beschwere.“
Es fing ganz harmlos an und wirkte erst wie eine vorrübergehende Laune. Wir hatten eine lange Phase von Friede, Freude, Harmonie und Eierkuchen (das sage ich jetzt, im Nachhinein. Früher war halt alles besser. Vermutlich trotzte er nur weniger laut!), als er eines Tages über seine klebrigen Finger nicht hinweg kam und der Tag im Eimer war. Aber so richtig. Und Kind1 ebenfalls mitzog.
Mittlerweile hat er sich ins Trotzen wieder eingegroovt und ist noch willensstärker geworden. Und das verrückte ist: Bloggen hilft. Ich finde mich diesmal viel ruhiger, verständnisvoller und besser mit allem. Ich weiß eher, was zu tun ist, ob ich ihn machen lasse und warte, spiegel oder mit meinem Handeln dem ganzen eine Richtung gebe / Grenzen setze. Ich führe es auf das Bloggen zurück, weil ich mir hier ziemlich kritisch über die Schulte schaue und versuche, an diversen Rädchen zu drehen. – Am Ende wird dieses Blog in ein paar Jahren ein Ratgeberblog einer alten, weisen Frau, die das Kindererziehen und -verstehen mit Löffeln gefressen hat. Kleiner Scherz, keine Angst!
Beispielsweise gestern: Kamikazemäßig war ich mit den Kindern auf den Laufrädern und ich auf dem Rad unterwegs. Das hat sich so ergeben, ich wollte das nicht. Niemals. Ich rate davon ab! Erstaunlicherweise sind wir ohne Zwischenfälle zügig von der Kita zum Eiscafé gerollt. Dort fand ein wunderbares Treffen mit zwei weiteren Mamas und ihren Kindern statt. Nach dem Eisessen sollten die Kinder ihre Laufräder schnappen und zum Spielplatz um die Ecke fahren – oder schieben, wir gingen alle zu Fuß. Kind2 aber bockte und blieb stehen. Man muß dazu sagen, dass er auch vorher schon Trotz-Anwandlungen hatte. „Ich will ein Eis, ich will es nicht halten. Ich will mit Mama und Kind1 auf die Toilette gehen, ich will doch nicht. Ich will aber auch nicht alleine bleiben.“
Als also alle gingen und er sich bockig und knatschig auf den Boden warf, bot ich ihm zwei Entscheidungen an: Entweder fährt er sein Laufrad oder kommt zu Fuß an meiner Hand mit. „Wäääääh!“ – „Also, willst Du Laufrad fahren?“ – „NEIIIN!“. So nahm ich sein Laufrad, packte es mir vorne auf den Fahrradkorb, nahm den Jungen an die Hand und ging los. Er lief heulend neben mir, aber lief.
Ich fühlte mich erst ein kleines bisschen schlecht dabei, dass ich ihn so hinter mir her ziehe, beschloss dann aber, auch weiterhin dem Kind zu zeigen, wo es lang geht, wenn die Situation das erfordert. Manchmal hat man eben fürs Bocken keine Zeit zum Warten, weil alle, inkl. Geschwisterkind, schon losgehen. Basta.
Thema Milchflasche und Einschlaftrinken
Kind2 trinkt seit rund 1-2 Wochen auch endlich nicht mehr aus dem Trinklernbecher mit weichem Schnabelteil, weil das auf Dauer nicht gut für die Zähne ist. Er trinkt tagsüber immer aus einem Becher, aber morgens und abends hätte er seine Milch gerne liegend im Bett aus der Schnabeltasse. Weil das natürlich viel mit Kuscheln und Geborgenheit zu tun hat, brachte ich es lange nicht übers Herz, ihm das zu verwehren. Kein Stufenweises Entwöhnen klappte. Also sprach ich eines Morgens: „Liebes Kind, Du bist zu groß für die Flasche. Das ist schlecht für die Zähne. Milch gibt es jetzt nur noch in der Tasse.“ Kind2 war entgeistert! Empört!! Könnt Ihr Euch vielleicht vorstellen. Aber spiegeln half, ich verstand seine Empörung nur zu gut und irgendwann trank er im Bettchen sitzend aus der Tasse und legte sich zum Schlafen hin.
Morgens das Gleiche. Er will Milch, aber bitte in der Flasche. Wenn nicht, macht er Theater. Jeden Morgen muß ich ihn daran erinnern, dass es Milch nur noch aus der Tasse gibt. Jeden Morgen protestiert er, jeden Morgen lasse ich ihn protestieren und spiegel, „Ja, Du bist wütend. Du magst die Flasche so gerne.“ Irgendwann akzeptiert er die Tasse und es ist gut. „Smeckt gut, Mama!“.
Einschlafen oder „Iss will gaa niss slaaafen“
Es ist Sommer und die verdammte Sonne geht nicht unter! Es bleibt heiß und stickig im Rheinland und in die Zimmer weht trotz geöffneten Fenstern und Durchzug kaum ein Lüftchen. Kind1 schläft trotzdem super ein – und durch. Kind2 nicht. Es mag auch an dem fehlenden Schnabelbecher mit Milch liegen. So eine Tasse ist schon ungemütlicher, das gebe ich zu. Aber ein Großteil liegt sicherlich an den Temperaturen und der Helligkeit. Das Einschlafritual ist ansonsten unverändert. Und auch, wenn einer von uns neben im liegen bleibt und Händchen hält, er findet keine Ruhe. Nach wenigen Minuten steht er im Bett und will „rauuuus“. Also: darf er nach vielen Versuchen des Beruhigens raus und auf dem Wohnzimmerteppich noch ein Buch anschauen. Aber leise. Der Mann und ich lesen und keiner spricht. Nach ungefähr 20 Minuten ließ er sich um 22 Uhr ins Bett bringen und schlief neben mir ein – und durch. Nach vielen Tagen endlich mal wieder. Wir probieren jetzt übrigens mal, den Mittagsschlaf auszulassen.
Noch bin ich nicht bereit für die großartige Methode des selbstbestimmten Schlafens, wie Mama-arbeitet das mit ihren Kindern praktiziert. Noch möchte ich die Hoffnung auf einen Abend in Ruhe, Frieden und nur mit dem Mann und mir nicht aufgeben. Vorallem, weil das sicherlich auch meine perfekt um 20 Uhr einschlafende Tochter animieren würde, länger aufzubleiben…
Meine Lösung für die Trotzphase ist: nicht persönlich nehmen und unbeteiligt bleiben. Empathisch aber unbeteiligt. Denn dann fühle ich mich nicht persönlich „angegriffen“, wenn das Kind wütet, sondern kann ruhig bleiben und den Moment finden, wenn ich auf es eingehen kann. Oder auch nicht. Aber ich fühle mich dann wohler und sicherer mit mir und der Entscheidung, wie ich die Situation zu Ende bringe.
Es kommt mir gar nicht auf die perfekt pädagogisch-wertvolle Reaktion meinerseits an. Das war etwas, was mich neben dem Geschrei der Kinder noch mehr gestresst hat. Mir kommt es darauf an, dass ich dahinter stehen kann, wie ich es mache. Das klappt momentan und ich glaube es liegt daran, dass ich 1. authentisch und echt sein zulasse und 2. ein bisschen außen vor der Situation bleibe und mich für die Laune nicht persönlich verantwortlich fühle.
Anstrengend bleibt die Trotzphase sowieso. Und Wutanfälle des Kindes mitten in der Nacht verwundern mich sehr. Vermutlich ist es wirklich so. Trotzphase (und später: Pubertät) ist, wenn die Eltern so komisch werden.
Und? Wie läuft’s bei Euch so in der Trotz – äh! – Autonomiephase?
Genau das: „…beschloss dann aber, auch weiterhin dem Kind zu zeigen, wo es lang geht, wenn die Situation das erfordert“, und das Trotzen nicht persönlich nehmen, finde ich auch den Königsweg. Und mir hilft bloggen auch ungemein. Du hast das schön beschrieben, der Blick über die eigene Schulter!
Danke! <3
Geduld, Geduld, Geduld. Und gaaaanz wichtig: Kompromisse! Wenn mein Kind das Gefühl hat, gehört zu werden und merkt, dass ich bemüht bin, seinen Wunsch nach den gegebenen Möglichkeiten zu erfüllen, entschärft das nahezu jede Situation. „Du willst Steine werfen? Hier in Fensternähe schlecht – lass uns aufs Feld gehen!“ Ist ein bisschen aufwändiger, aber so muss ich keine halbe Stunde neben einem am Boden kreischenden Kleinkind stehen :-).
Ja! Gute Ergänzung! Mir ging es besonders um die Situationen, in denen kein Kompromiss möglich ist. Dann nagt(e) nämlich immer das schlechte Gewissen in mir. Manchmal geht es nicht anders. Aber ja, Kompromisse finden ist wichtig!
Das liegt ja leider in der Natur der Sache, dass manches einfach nicht geht. Ich habe da auch gute Erfahrungen damit gemacht, die Situation noch mal deskriptiv zu beschreiben: „Ja, ich verstehe, dass Du ärgerlich bist, Du würdest so gerne XYZ“. Manchmal habe ich den Eindruck, dass er sauer ist, weil er denkt, ich verstehe ihn nicht – wenn er merkt, dass ich sein Anliegen durchaus erkenne, es aber trotzdem nicht lösen kann/will, dann ist er trotzdem in der Hälfte der Fälle zufrieden. Ablenken geht auch immer noch ganz gut.
Wir haben ja nur sehr wenige Grenzen, aber er weiß, wenn ich in einem bestimmten Tonfall etwas sage, dann ist meine Grenze erreicht und da kann er toben wie er will – ich ändere die Meinung nicht. Da ich in 99% der Fälle zum Diskutieren bereit bin, kommt er im restlichen Prozent dann doch vergleichsweise schnell wieder „runter“. Am wichtigsten ist – wie Du auch schriebst – dass man es nicht persönlich nimmt. Sie können die Gefühle einfach noch nicht regulieren, das müssen sie lernen. Mir hilft dieses Wissen ungemein, vor allem das, dass er mich noch gar nicht bewusst provozieren kann.
„nicht persönlich nehmen“ – das ist ganz sicher DER Überlebenstipp überhaupt für dieses Alter. Wer jedes „du bist eine blöde Mama“ persönlich nimmt, hat schon verloren…
Bei uns war immer wichtig, ein „nein“ auch klar zu formulieren, statt um den heissen Brei herumzulabern.
„Will nen Keks“ – „nein“ – „räbääääähaberichwillnenkekshaben“ – „ich habs gehört und ich habe ’nein‘ gesagt“ – „heulbrüllschluchz“
geht weniger lang und nervt alle Beteiligten viel weniger als
„will nen Keks“ – „aber du hattest heute morgen schon einen“ – „aber ich WILL NEN KEKS“ – „aber du weisst doch dass es nur einen Keks im Tag gibt“ – „AAAAABER ICH WILLLLL JEEEEEETZT EEEEEIIIIIIIIIINEEEEEEEEEEN KEEEEEEEEEEEEEEEEEEKS HAAAAAAAAAAAAAAABEN!!!!“ – etc. etc.
Yoa. So in der Richtung. Hoffe allerdings schwer, dass mir die ganze Angelegenheit beim Muckel leichter fallen wird. Beim Lütten fiel diese Zeit irgendwie in die Schwangerschaft mit dem zweiten und da musste ich zweitweilen ganz schön hart bwerden/bleiben weil es einfach nicht anders ging. Macht mich jetzt noch traurig, wenn ich dran denke. Ansonsten empfiehlt unsere Kinderärztin saubere und harte Grenzen zu setzen bei Dingen die wichtig sind und es locker zu nehmen bei Dingen die nicht wichtig sind. So halten wir es auch und fahren gut damit, der Lütte hat längst gecheckt was verhandelbar ist und was nicht. Schlafengehen ist übrigens nicht verhandelbar. Hat trotzdem erst geklappt, seit der Mittagsschlaf gestrichen wurde (worunter wir tagsüber allerdings immer noch leiden, kann wohl schon mal ein Jahr dauern, der Übergang, Prost, Malzeit), vielleicht ist Dein Kind2 jetzt auch einfach soweit?
Liebe Grüße & weitermachen!
Nike
Danke, gleichfalls ;) Ja, heute ist der erste Tag ohne Mittagsschlaf in der Kita. Bin gespannt, wie der Nachmittag und Abend wird.
Das ist witzig, die „Methode“, dem Kind zwei Varianten vorzuschlagen und damit eine Entscheidungsfreiheit vorzugaukeln, die eigentlich keine ist, das praktiziere ich auch so! „Entweder legst Du jetzt das Spielzeug wieder ins Regal, oder ich mach das“ In 99 Prozent der Fälle entscheidet sich das Kind fürs selber machen, aber räumt gleichzeitig auf. Herrlich. Ich hoffe nur, sie blickt nicht so schnell dahinter und schlägt eigene Alternativen vor :o