Der Sohn schwingt sich in seiner Autonomiephase in phantastische Höhen des Widerstands. Mit Heulen, Zähneklappern und Gebrüll. Mit Sitzblockaden, Liegeblockaden sowie Tritten und Schlägen verteidigt er – äh, diverses. Am Donnerstag waren es seine nackten Beine, die ihre Freiheit brauchten. Oder so. Jedenfalls wollte das Kind keine Hose anziehen. Weder mit noch ohne Hilfe. So gerade konnte ich ihm das Oberteil anziehen. Nach diesem Kampf hatte ich keine Lust mehr. Kämpfen ist nicht mein Ding, ich bin eher der Typ für den pazifistischen Widerstand.
Also sagte ich dem brüllenden und sich windenden Kind, dass wir jetzt entweder die Hose anziehen, oder ich ihn ohne Hose in die Kita bringe. „Ohne Hooooose!“ schrie der Sohn. So wurde es gemacht.
Eigentlich war das etwas, das ich schon zur Trotzphase der Erstgeborenen ausprobieren wollte. Aber immer wenn ich ihr sagte, ich brächte sie jetzt ohne XY-Kleidungsstück in die Kita, lenkte sie ein und ließ sich unter einem Mindestmaß an Widerstand anziehen. Also wurde nie etwas aus diesem erzieherischen Experiment. Ich wollte ja nicht über-streng sein. Damals.
Die Trotzphase des Sohnes ist ganz anders als die der Tochter. Seine Trotz- oder Autonomiephase ist um Längen heftiger. Er ist widerspenstiger, wütender und aggressiver als sie. Er sucht die körperliche Auseinandersetzung und ist viel viel viel ausdauernder wütend. Es erschlägt mich manchmal. Denn der Trotz, das Dagegen-halten, das Verneinen und Verhindern seinerseits wird immer heftiger und immer wahlloser, wie es scheint. Selbst Dinge, die er mag, lehnt er ab, wenn seine Laune den bestimmten Punkt erreicht hat.
Nun denn. Ich mußte die Kinder an dem Tag alleine fertig machen und die Entscheidung war gefallen. Ohne Hose. Sollte er sie dann halt dort anziehen. Zur Not in der Gruppe. Ich packte Hose und Socken in meine Tasche, zog den Kindern die Jacken und Schuhe an und setzte sie in den Anhänger. Ich war sehr neugierig, und kicherte mir insgeheim eins, weil ich das, wie gesagt, schon damals als Joker in der Hinterhand, nie zum Einsatz gebracht hatte.
Es war nicht zu kalt, um das Kind die 3 Minuten so in die Kita zu fahren. Was für ein Glück, dass diese Phase nicht im Winter angefangen hat, dachte ich mir noch. (Aber man soll die Jahreszeit ja nie vor Abschluss der Autonomiephase loben. Oder so. – Ich hab nix gesagt!)
Wir fuhren los. Kind2 war verdutzt. Richtig perplex. Beim Schuheanziehen schrie er mich noch an, er wolle jetzt seine Hose haben. Und SOCKEN! Aber ich erkärte ihm ganz ruhig, dass die Hosenanzieh-Zeit jetzt vorbei sei und er sie in der Kita anziehen könne. Ich kam mir mittelbescheuert dabei vor, aber Verzweiflung läßt einen ja Aufbrechen zu neuen erzieherischen Ufern.
Während ich auf der Fahrt darüber nachdachte, ob ich jetzt über-konsequent und zu streng sei, ob die Erzieherinnen mich auf die rote Liste der Rabenmütter setzten oder ob der Quatsch überhaupt irgendetwas bringt oder am Kind komplett vorbei gehe, tönte es von hinten in einem neutralen (!!!) Tonfall: „Mir is ssu kalt, Mama.“ Ich hielt an und drehte mich zu den Kindern um. „Dir ist kalt, Kind2?“ „Ja.“ „Das tut mir leid, mein Schatz. Wir sind schon gleich da und in der Kita ziehen wir die Hose an.“ „Ja.“ „Beim nächsten Mal ziehen wir die Hose lieber gleich zu Hause an,“ konnte ich mir nicht verkneifen. „Ja“. Sagte er. In erstaunlich lieben Tonfall.
In der Kita angekommen, wollte er seine Hose sofort anziehen. Seine Erzieherin, die ich sehr mag und schätze, kam per Zufall an der Garderobe vorbei. „Iss hab heute keine Hose an!“, rief er. Sie stutzte. Guckte mich verwundert an. Ich erklärte ihr, in für ihn bestimmten, einfachen Worten, warum. Sie verstand das, nickte und sagte, „Tja, dann mußt Du morgen die Hose lieber zu Hause anziehen.“ „Ja“, fand auch Kind2.
Ich feierte mich innerlich für meinen kleinen Erfolg und hoffe nun, dass ich das im Herbst oder Winter nicht fortführen muss.
Heute, am Sonntag, mußte ich den Stunt nämlich noch einmal durchziehen, jetzt in Anwesenheit von Papa. Aber nach sehr Kurzem lenkte er ein und zog seine Hose mit meiner Hilfe an. Ich hoffe, das wird kein neues Spiel. – Doch, wird es. Ich weiß es. Erst Widerstand. Dann Abwarten, dann kurz vor Schluß einlenken und den Zeitpunkt für mein Zaudern und Jasagen haargenau und kein bisschen zu früh treffen.
Hach.
Ach wie toll, das andere Eltern das auch machen.
Meine Tochter ist der Morgenmuffel in Person. Zu Kindergartenzeiten mussten wir um 9 Uhr da sein. Um 8 Uhr weckte ich sie. Der Knirps war schon munter, angezogen und am frühstücken. Das Fräulein stand nicht auf. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich in ihr Zimmer lief. Klamotten hatte ich ihr rausgelegt und ich war mittlerweile echt böse. Ich nahm ihr die Decke weg, legte diese ans andere Ende des Zimmers. Was passierte? Das Kind kletterte aus dem Hochbett, holte die Decke und ging samt dieser wieder ins Bett.
Um viertel vor 9 war mir dann alles zu blöd. Ich hatte mehrfach angedroht, dass sie dann halt so gehen müsse. Ich packte ihr die Klamotten in den Rucksack und schnappte mir das Kind aus dem Bett und zog ihr Schuhe an. Dann ging ich mit einem angezogenen Kind und einem Kind im Schlafanzug in den Kindergarten.
Sie schrie und weinte fast den ganzen Weg – nein, sie hatte genug Zeit gehabt.
Im Kindergarten wurde ich völlig überraschend von der Kindergartenleitung und einer weiteren Erzieherin gelobt, wie toll sie die Aktion fanden.
Nun ja. Meine Tochter ist jetzt, über 2 Jahre später, immer noch der größte Morgenmuffel der Welt. Aber im Schlafanzug musste sie bisher nicht mehr gehen ;)
Ach herrlich geschrieben auch wenn Du vermutlich erst hinterher geschmunzelt hast.
Ich hab genau das Gleiche schon bei Kind 1 im Hinterkopf gehabt, es war aber dann immer kurz vor knapp noch anders möglich. Mein 2.-er ist jetzt 21 Monate und ja es zeichnet sich ab, dass auch hier noch nie da gewesenes Potential vorhanden ist und es schlummert da glaub noch so einiges was ich lieber jetzt noch etwas verdränge und jaaaa ich erwarte sowas in der Art eigentlich auch. Demnächst.
Also danke für Deinen Ansporn :-))
LG
Ich amüsiere mich köstlich!
Ich Stand auch schon mehrfach in so einer Situation. Aber Bis her hat Kind 1 immer eingelenkt. Kind 2 ist einmal in kompletter Schlafmontur zur KiTa gebracht worden. Inklusive Schlafsack. Laut Erzieher hat sie sich dort sich erst gegen Mittag anziehen lassen. Du bist also nicht alleine mit dem Kampf. Ich denke es ergeht Viel mehr Müttern und Vätern so. Nur spricht man nicht drüber
hahaha, das ist großartig. Aber weißt du, was ich am tollsten daran finde?? Das man dadurch doch auch cool ist. Irgendwie. Also so „laissez-faire“ mäßig und gleichzeitig auch streng. Einfach eine Mischung. Und das Kind bekommt seinen „Willen“. Und wundert sich. Ich war richtig dabei, konnte mich in jede einzelne Sekunde hineindenken. Bei uns gibt es auch Anziehdramen, aber oft auch, weil ICH zu spät bin und die Kinder sich dann sputen müssen. Ich muss mich auch erziehen, dass ich mich erstmal in Ruhe fertig mache und dann die Kinder anziehe. Frühzeitig. Und nicht noch dieses und jenes erledige und alles aufschiebe, was mit Anziehen usw. verbunden ist… Nicht, dass ich eines Tages noch im Schlafanzug zur Kita und zur Arbeit gehe ;-)
Ohja, vielleicht habe ich das Problem demnächst auch. Aber so ist es doch meist. Will man etwas, und das Kind will es nicht, und man sagt dann, ach gott, dann lass es halt so, genau dann wollen die Kinder es meist doch.
Ich kenne dieses Trotzgefühl nun auch, und man fühlt sich einfach nur hilflos. Letztens stand ich mindestens 2 Stunden auf dem Parkplatz vom Supermarkt. Sie wollte definitiv nicht einsteigen. Egal was ich zu ihr sagte. Die Laune fing schon im Supermarkt an. Und der Höhepunkt kam nach dem Einkaufen. Ich wollte auch ganz sicher nicht an ihr zerren, nicht schreien. Also kam es so, dass ich mindestens 2 Stunden Überzeugungsarbeit leistete, damit sie nun endlich auf ihren Kindersitz steigt. Und ab dann wusste ich es, ohje, ich werds noch öfters erleben.
Aber ich hätte auch nicht nur so tun können, dass ich losfahre. Sie ist schließlich keine 3, und ich wollte sie dort auch nicht nur paar sekunden unbemerkt alleine lassen. Wenn sowieso Autos kommen uns gehen. Die meisten Kinder steigen dann ja gerne ein, wenn man anfängt loszufahren. Dafür ist sie mir allerdings noch nicht alt genug, um das durchzuziehen.
Liebe Grüße Nancy
Ich habe Kind 1 auch schon im Schlafanzug abgeliefert. Fand er erst ganz cool – und nachmittags beim Abholen dann ganz leise:“Mama, ich ziehe nächste Mal lieber was an….“
Musste es nie wiederholen – aber konsequent sein lohnt sich – auch wenn es manchmal verrückt ist. Und man dann noch eine weitere Tasche braucht für später :-)
Ach, Du hast ihn dann gar nicht mehr umgezogen? Wow. Wie haben die Erzieherinnen reagiert? Meine sind da etwas … pingelig.
Hach, wie schön..die Problematik ist allseits bekannt und es existieren diverse „Heilungsmöglichkeiten“