Finding Europe – Elternschaft anderswo. Sarah über die DDR. Geschichten aus Deutschland

Finding Europe - Elternschaft anderswo DDR
Comments (10)
  1. Danke für die Initiative „Finding Europe“, ich lese alle Beiträge gern. Spannend, dass ein Beitrag zu Kindheit und Erziehung in der DDR auch hier landete;) Finde ich aber gut!
    Es ist immer wieder interessant, wie unterschiedlich die Erfahrungen zum Teil sind und deshalb natürlich nur einen kleinen, individuellen Ausschnitt repräsentieren können. Das muss man immer im Hinterkopf behalten. Vieles, was Sarah beschreibt, kenne ich auch. Ich bin Jahrgang 1974 und war zur Wende 15 Jahre alt. Ich bin aber nie in eine Kinderkrippe gegangen, sondern meine Mutter war insgesamt 5 Jahre zuhause (mein Bruder kam dazu, als ich 2 1/2 war). Mit 3 Jahren sind wir erst in den Kindergarten gekommen. (Das könnte ich mir für meine Kinder und mich niemals vorstellen). Leider gab es überhaupt keine sanfte Eingewöhnung, sondern die Kinder wurden einfach abgegeben und weinten (ich zumindest). Wir haben einen gleichaltrigen Freund, der nicht einmal in den Kindergarten gegangen ist. Die Betreuungszeit war dann bei uns auch lang, als meine Mutter wieder arbeitete. Tendenziell startete die Fremdbetreuung schon recht früh, aber es gibt eben auch viele andere Geschichten, die zeigen, dass das keine „Pflicht“ war.
    Gestillt wurden wir dagegen nur sehr kurz. Es gibt Fotos von mir als Mini-Baby, wo meine Mama mich mit der Flasche füttert. Das Töpfchentraining kenne ich auch, habe es aber, als ich selbst Mama wurde, trotz dieser Prägung nie angewandt. Wahrscheinlich war ich einfach schon lange genug aus meiner Geburtsstadt weg. Meine Schwägerin allerdings, die zwar 10 Jahre jünger ist als ich, aber in der prägenden Umgebung geblieben ist, wendet dieses Töpfchentraining tatsächlich schon länger bei ihrem 13 Monate alten Sohn an. Das konnte ich gar nicht glauben, als ich es hörte, weil ich das für völlig überholt hielt.
    Da meine Eltern sich relativ viel leisteten, bin ich eigentlich nicht mit der typischen „Sparsamkeit“ aufgewachsen, kenne das aber auch aus der weiteren Familie. Die Unterstützung für die Familie (sowohl materiell als auch personell), die eigentlich sehr verbreitet war, ist dagegen bei uns leider kaum zu verzeichnen. Wir fühlen uns leider sehr oft sehr allein mit unseren Belastungen. Meine Eltern dagegen hatten die Hilfe meiner Großeltern, die nur 3 Häuser weiter wohnten.
    Spannendes Thema, zu dem man noch viel mehr schreiben könnte. Vielleicht mache ich später mal einen eigenen Blogpost draus;)
    Liebe Grüße!

  2. VonBerlinNachLondon sagt:

    Nette Idee in der Reihe auch die DDR einzubeziehen, wobei ich mich mit diesem Beitrag aus verschiedenen Gründen etwas schwer tue.
    Einige Themen wie Sparsamkeit haben für mich nichts mit DDR sondern eher mit deutscher Tradition zu tun, wenn es so etwas tatsächlich geben sollte. Anderes, wie das Töpfchentraining ist tatsächlich typisch, was auch ich als Kind der Wiedervereinigung bestätigen kann. Ich stimme der Frühlingskindermama zu, dass man da vieles nicht zu sehr verallgemeinern kann. Es kommt einfach auf familiäre Hintergründe, berufliches Umfeld, Geographie und Zeit an. Denn auch in der DDR gab es Familienpolitik und Reformen. Wo sich bei mir die Nackenhaare sträuben, ist bei der Andeutung, dass man als Arbeiterkind erst nach der Eine Abitur machen konnte! Eieiei. Da geht unser Erfahrungshorizont aber echt meilenweit auseinander. Bei mir in der Familie gab es alles, Arbeiter, Angestellte und Akademiker. Die Durchlässigkeit des Bildungssystems hatte man sich ja groß auf die Fahnen geschrieben und wurde nach Erfahrung meiner Verwandten auch eingehalten (wenn man nicht gerade Pfarrerskind war, aber das führt hier zu weit).
    Oh ja, mir geht es auch so, dass ich jetzt gerne meine persönlichen Erfahrungen schildern würde, vor allem als ostdeutscher Sprössling, der in Süddeutschland aufgewachsen ist, habe ich da einiges gesehen in Sachen Unterschiede und Gemeinsamkeiten von BRD und DDR.

  3. Hallo Frühlingskindermama & VonBerlinnachLondon,
    Danke für die Kommentare!
    Da ich das natürlich nicht selbst aktiv miterlebt habe, sondern nur die Nachwirkungen, werden Ältere da viel mehr selbst zu sagen können. Dies sind teilweise die Schilderungen meiner Mama (zu Krippe & Abitur).
    In der Schule meiner Mama auf dem Dorf durfte nur ein Kind Abitur machen. Obwohl meine Mama sehr gute Zensuren hatte, würde die Bürgermeistertochter gewählt. Das mag am Dorf liegen, ich schob es auf die DDR, wo nicht jeder das lernen durfte, was er wollte, sondern auch Ausbildungsstellen zugewiesen wurden.
    Natürlich ist mein Beitrag sehr subjektiv. Die Sparsamkeit erlebte ich beispielsweise nur bei DDR-Verwandten, nicht bei älteren Leuten aus der BRD. Sicherlich gibt es dort auch Sparfüchse.
    Ich würde dazu gerne auch eure Erfahrungen lesen, da mich das noch immer sehr interessiert, ich aber nur die Berichte kenne.
    Viele Grüße
    Sarah

  4. Sehr interessant. ich war acht Jahre alt, als die Wende kam, war also auch schon bei den Jungpionieren. Ich kann mich an einiges noch gut erinnern, an eine schöne Kindheit, an den Kindergarten, an die erwähnten Warteschlangen und dass die Dinge mehr wertgeschätzt wurden, weil es nicht so einfach war, neue Sachen zu kaufen. An meinen Kindergarten habe ich eigentlich nur gute Erinnerungen, ab dem 1. Lebensjahr war ich dort wie alle meine Freunde. Das mit der Sparsamkeit, Auswaschen der Plastiktüten kenne ich aber nur von meinen Großeltern. Das kam wohl eher durch die Nachkriegsjahre als durch die DDR. Aber vieles denke ich war im Hinblick auf Kinderkriegen und Kindererziehung für Eltern einfacher. Meine Mutter betont das immer wieder, wenn sie sieht, wie wir so rumkrebsen, um die Balance zwischen Familie und Arbeit zu finden.
    Viele Grüße, Susanne aka AndalusienMutti

  5. Anne sagt:

    Danke für die spannende Reihe! Um das Spektrum zu erweitern: Ja, man schmückte sich meiner Erfahrung nach in der DDR mit dem durchlässigen Bildungssystem. Aber in der Realität wurde das tatsächlich sehr unterschiedlich gelebt. Aus christlichem Elternhaus war ich als Kind nicht in den Jugendorganisationen (Pioniere und FDJ). Mehrfach wurden wir in der Pause als Kinder beiseite genommen und uns nahe gelegt, doch einzutreten. Als ich älter wurde, wurde dann ganz klar kommuniziert, dass keine/r eine Chance auf Abitur hätte, die/der sich der FDJ verweigere. Für mich ein großer Segen, kam die Wende genau im richtigen Moment, 1989 war ich 14 und durfte nun doch. Was mich damals abermals erstaunte, war dann die Zusammensetzung auf der einzigen „Erweiterten Oberschule“. Mich wollte man als christliches Arbeiterkind noch 1991 an den Stadtrand in ein eilig umgewidmetes Gymnasium schicken, die wohnortnahe Schule war gefüllt mit sämtlich Lehrers-, Ärzte- und Ingenieurskindern. In den höheren Klassen war es nicht anders. Da wurde sehr deutlich selektiert, noch zu diesem späten Zeitpunkt.

    1. Mama notes sagt:

      Liebe Anne, vielen Dank für Deinen sehr informativen Kommentar. Ich liebe es, wenn so viele Kommentator*innen hier die Berichte ergänzen. *freu*

      1. Anne sagt:

        Das Thema treibt mich um. Und ich fände es total spannend, Müttergeschichten der DDR aus erster Hand zu lesen. Ich spreche schon hin und wieder mit meiner Mutter darüber, aber wie hier schon sichtbar wird – die Perspektiven sind total unterschiedlich. Ich denke viel drüber nach, wie ich als Mutter in einem totalitären System wäre. Wäre ich rebellisch – wie meine Mutter zum Teil? Wäre ich lieber still, um mich und meine Kinder nicht in Gefahr zu bringen? Würde ich dem System glauben und an das Gute im Sozialismus? Wie wäre ich mit der Ideologie klar gekommen, der man auch in Kindergarten und Schule nicht aus dem Weg gehen konnte? Ich habe übrigens noch meine Original „Wiegekarte“. 1975 hieß die Devise noch: Mutter, stille dein Kind! Aber ab dem dritten Monat wurde zugefüttert – z.B. rohes Eigelb :-).

  6. Katinka sagt:

    Anne, das ist sehr interessant, was Du da schreibst. Das wäre tatsächlich sehr interessant, so eine Umfrage zu starten. Ich bin als Jahrgang 1974 auch in der ehemaligen DDR gross geworden und war zur Wende 15 Jahre alt. Meine Eltern haben mir ganz klar gesagt: das sagst Du in der Schule, das ist aber nicht die Wahrheit. Wir hatten einen Teil unserer Familie in der BRD. Der Spagat zwischen dem, was man sagen darf und dem, was wahr ist, ist keinesfalls einfach. Ich könnte hier auch Romane schreiben!

    1. Mama notes sagt:

      Liebe Anne und Katinka, bitte, schreibt diese Romane hier. Das ist für mich, die ich eben in Westdeutschland geboren wurde eh die große Frage: Wie fühlte sich das Leben an in so einem restriktiven Staat? Wie war das Familienleben von der Diktatur betroffen? Ab wann wurde es einem Kind klar, dass freie Meinungsäußerung (auch wenn das nicht das Wort gewesen ist) nicht überall und mit jedem Menschen möglich ist? Gab es ein Gefühl von Unfreiheit? Wenn ja, wie war das und wenn nein, warum nicht?
      Was sind alle Dinge, Einrichtungen, Haltungen, Regelungen, die jetzt fehlen, die in der DDR besser waren? Und letztendlich: wie war es wirklich, unter feministischen Gesichtspunkten, als Frau in der DDR zu leben? Wie weit war Selbstbestimmung, -Befreiung aus klassischem Rollenverhalten, Selbstbewußtsein uvm möglich? So viele Fragen, und noch mehr….

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