Susanne ist Deutsche und lebt mit ihrer Familie in Andalusien. Sie bloggt auf AndalusienMutti und schreibt daher nahezu täglich, wenn auch nur in einzelnen Bemerkungen über die Unterschiede zwischen deutschem und spanischem Familienleben, oder vielmehr von ihren persönlichen Beobachtungen dazu. Heute hat sie sich die Frauenrolle ausgesucht und teilt mit uns ihre Eindrücke, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Finding Europe – Elternschaft anderswo ist eine neue Reihe mit Gastbeiträgen von anderen Blogger*innen sowie analogen Menschen ohne Blog, die von ihren Erfahrungen aus Europa berichten. Im Fokus der Erzählungen ist immer Elternschaft, Familie, Kindererziehung, Geburt und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Alles auf einmal oder nur einzelne Themen, aus anderen Ländern oder aus Deutschland.
Inspiriert dazu hat mich die republica 2015, meine Vorfreude und meine Faulheit: Da ich weiß, dass ich während der republica nichts bloggen werde aber auch unfähig zu faul bin, Blogposts für die Tüte zu schreiben, um sie in schlechten Zeiten zu veröffentlichen, kam ich auf der glorreiche Idee, das andere Leute für mich machen zu lassen. Da meine Abwesenheit vom Blog der republica geschuldet ist, und das diesjährige Motto “Finding Europe” lautet, war der Transfer in den Elternkosmos für mich ziemlich naheliegend.
Ähnlich wie die republica aber weniger umfassend, möchten alle Schreiber und ich einzelne Teile des Kulturraum Eurospa mit seinen Besonderheiten im Familienlebens beleuchten. Ich hoffe, es wird für Euch so unterhalten wie für mich. Ich lade Euch ein, lesend durch die Texte zu schlendern, sich zu amüsieren, vielleicht zu lernen oder neue Verknüpfungen herzustellen. Ob eine “Allianz von Ideen” oder Diversität von Werten im Vordergrund steht , eins ist klar: Familie und Elternschaft sind immer individuell. Das zeigt schon der deutsche Familienbloggerkosmos. Elternschaft ist aber auch immer gebunden an politische Systeme und Entscheidungen, nationale Gemeinschaften und historische Kontexte. Ich bin gespannt, wie Euch die Idee und die Texte gefallen. Ich jedenfalls freue mich auf alle meine Gastblogger*innen sehr.
Spaniens Frauenrolle – von einem Extrem zum anderen
Die Frau an den Herd, der Mann ans Geldverdienen. Es ist noch gar nicht so lange her, da war diese Rollenverteilung Standard in Spanien. Seit 9 Jahren lebe ich in Andalusien, kann natürlich nicht für ganz Spanien sprechen, doch einige Dinge in Sachen Geschlechterrollen, Erziehung und Vereinbarkeit sind mir ganz deutlich aufgefallen, die anders ablaufen als in Deutschland.
Meine Schwiegereltern leben klar nach oben genannten Schema. Schwiegermutter Maria hat drei Kinder auf die Welt gebracht, um die sie sich größtenteils alleine kümmerte, der Mann war da, um das Geld nach Hause zu bringen. Auch als Rentner ist es für meinen Schwiegervater Pedro ganz normal, dass er im Haushalt nichts machen muss. Er setzt sich an den gedeckten Tisch, wenn er fertig ist steht er auf, geht zu seinem geliebten Sofa, wo er die nächsten 2 Stunden verbringen wird, während seine Frau die Küche aufräumt, Geschirr abspült und schon mit den Vorbereitungen des Abendessens loslegt. Manchmal geht sie noch auf einen Kaffee zur Nachbarin, um den neuesten Klatsch in Erfahrung zu bringen. Dort sieht es übrigens genauso aus.
Generation der Eltern und Schwiegereltern
Das konkrete Beispiel meiner Schwiegereltern lässt sich auf fast alle Ehepaare ihrer Generation anwenden. Und ganz allein deswegen, weil sie es nicht anders kannten und kennen. Für ihre Generation ist es vollkommen normal und niemand beschwert sich. Wörter wie Vereinbarkeit, Geschlechterrollen oder Arbeitsteilung sind unbekannt. Gab es damals nicht, braucht man heute auch nicht. Maria hat sich nie Gedanken darum gemacht, wie es wäre, wenn auch sie arbeiten ginge und die Aufgaben im Haushalt neu überdacht werden müssten. Sie ist glücklich mit dem, was sie im Leben erreicht hat, nämlich drei Kinder großzuziehen und den Haushalt zu schmeißen. Jedoch braucht sie stets das Gefühl, gebraucht zu werden. Für sie ist es unerträglich, nicht auf die Enkel aufpassen zu können, oder für den Mann und die erwachsenen Kinder zu kochen. Ja, auch für die erwachsenen Kinder kocht sie immer noch vor. Sie beschwert sich nicht, sie möchte das so.
Die jüngere Generation auf dem Dorf – in der Stadt
Für die jüngeren Generationen, die auf dem Dorf aufwachsen, gilt dieses Schema nicht mehr ganz so konkret, doch auch hier kenne ich Beispiele von sehr jungen Müttern, die ihre Lebensaufgabe in der Erziehung der Kinder und der Führung des Haushaltes sehen. Geht man in die Städte ändert sich dieses Bild stark. Immer mehr berufstätige Frauen machen das Straßenbild aus. Frauen im Businesslook und Männer, die Kinderwägen schieben sind in den Städten keine Seltenheit mehr. Auch wenn immer noch die Frau den Mutterschaftsurlaub nimmt und mit dem Kind zu Hause bleibt, in Spanien sind es jedoch gerade einmal 16 Wochen, kümmern sich immer mehr Väter um den Nachwuchs, verbringen die Nachmittage mit den Kindern, gehen auf den Spielplatz. Das wäre vor Jahren nicht denkbar gewesen.
Junge Politikerinnen
Ja, es gibt auch das andere Extrem, gerade unter Politikerinnen gerade sehr beliebt. Die baskische Präsidentin der Volkspartei PP Arantza Quiroga beispielsweise hat insgesamt fünf Kinder. Bei ihrem fünften Sohn wollte sie einen geplanten Kaiserschnitt, weil gerade Wahlen anstanden und sie diese nicht verpassen wollte. Sie hat für acht Stunden täglich eine Haushaltshilfe angestellt, die sich um Söhne und Haushalt kümmert. Die ehemalige Verteidigungsministerin Spaniens Carme Chacón war schwanger, als sie ihr Amt antrat. Mit riesigem Bauch nahm sie dem spanischen Militär den Eid ab. Danach ging sie für 16 Wochen in Mutterschaftsurlaub, da sie stillen wollte. Bei vielen Politikerinnen ist dies jedoch nicht der Fall, die meisten sind gerade einmal 10 Tage außer Dienst und stürzen sich dann erneut in die Arbeit, während eine andere Person das Kind betreut. Zur Zeit ist die andalusische Ministerpräsidentin Susana Diaz schwanger, man munkelt, dass sie die Wahlen im März nur deswegen gewonnen hat. Sympathiepunkt und so.
Frauenrolle: Nord-Süd Unterschied in Spanien
Es gibt also beide Seiten der Frauenrolle in Spanien oder besser gesagt in Andalusien. Im Norden sieht die Welt schon ganz anders aus. Da ist es relativ normal, dass auch mal Männer zu Hause bleiben und dass sich die Aufgaben im Haushalt geteilt werden. Hier bei uns im Süden kommt es stark darauf an, ob man auf dem Dorf oder in der Stadt lebt. Zehn Tage Mutterschaftsurlaub und dann direkt ins Büro wäre bei uns im Dorf undenkbar. Man würde denke ich als absolute Rabenmutter abgestempelt. Gerade in den Dörfern mangelt es noch an Aufklärung und Bereitwilligkeit der Männer, sich ebenfalls um Kinder und Haushalt zu kümmern. Die Rollen haben sich eingespielt, aber auch, weil es so sehr bequem ist, für beide Seiten. Wer da raus möchte, kann es schwer haben, aber es ist nicht unmöglich. Der Mann und ich machen es ja auch anders.
Findet Susanne auch auf ihrem Blog Andalusienmutti, auf Twitter, Facebook und Instagram.
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