Vereinbarkeit. Das Wort an sich wird verwendet, ohne noch zu erklären, „wovon“ eigentlich. Vereinbarkeit scheint das Stichwort für die Herausforderung zu sein, Familie und Beruf (am schwierigsten wohl: Familie und Karriere) zufriedenstellend in den Griff zu bekommen.
Wir sind kein Paradebeispiel für perfekte Vereinbarkeit, denn bei uns ist alles eine temporäre Lösung – Improtheater halt.
Unser Modell: Vollzeit- Teilzeit
Mein Mann arbeitet Vollzeit. Er ist selbständig. Ich arbeite in Teilzeit, habe mich vor einigen Monaten ebenfalls selbständig gemacht und bemühe mich, Fuß zu fassen. Die landläufige Meinung, dass es für Selbständige einfacher sei, Baby- oder Kinderbetreuungszeiten aufzuteilen, ist zumindest bei uns nicht richtig. Denn entweder der Mann ist für seine Kunden abrufbereit und kann Projekte auch kurzfristig 24/7 übernehmen – oder nicht. Vielleicht ändert sich das nochmal, wir wissen es derzeit nicht. Und ich kann wahrscheinlich erst so richtig durchstarten, wenn die Kinderbetreuung nicht vor allem bei mir landet. Aber momentan ist es so, und das hat Gründe, die wir beide so sehen.
Der Haushaltsplan: Welcher Plan?
Vereinbarkeit heißt für mich auch: Wer erledigt wann und wie viel von der übrigen Arbeit: Der Familien- und Haushaltsarbeit? Wie viele frisch gebackene Eltern mussten mein Mann und ich die Lehrphase überstehen, in der einem (auch mir im übrigen) klar werden musste, dass Teilzeit arbeiten und danach die Kinder versorgen und beschäftigen ebenfalls insgesamt ein Vollzeitjob ist. Und es bleiben abends immer noch Wäscheberge, eine dreckige Küche nebst Geschirrbergen, zu erledigende Einkäufe und eine unaufgeräumte Wohnung für beide. (Bei uns zumindest!)
Mittlerweile haben der Mann und ich eine jahrelang eingeübte, unausgesprochen-ausgesproche mehr oder weniger akzeptierte Haushalts- und Familienführungsaufteilung. Das ist eine höchst komplexe Angelegenheit, ohne Witz. Befragt wüssten wir beide nicht, was wer zu tun hat und müssten schwer nachdenken. Wir haben Haushalts- Kinderversorgungs- und Einkaufsregelungen aufgeteilt. Das hat den Vorteil, das alles variabel ist und geändert werden kann. Das wiederum hat den Nachteil, das alles variabel ist und geändert werden kann – UND immer mal wieder diskutiert wird. ;) Wir fallen wohl unter die Kategorie kreatives Chaos, was diesen Bereich betrifft. Das wiederum von der Tatsache erschwert wird, dass ich nicht möchte, dass man diesen Umstand unserer Wohnung ansieht… Ihr wisst, was ich meine?
Ich habe immer mal wieder vor, ein großes DIN A 3 Blatt zu nehmen und unsere Jobs dort aufzuschreiben. Ich lasse das jedes Mal nach wenigen Überlegungen bleiben. Eine Excel-Liste mit komplizierten Verschränkungen und Teilsummen wäre wohl angebrachter. Und das herzufrickeln ist mir dann doch zu doof. ;)
Der Job: Karriere? Berufung? Oder Geldverdienen?
Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Keine Ahnung, wir probieren das gerade aus. Ich finde es schwer, an unserem Beispiel eine Antwort zu geben, weil bei uns die Vollzeit-Teilzeit-Aufteilung, die wir gerade haben, nicht in Stein gemeißelt ist.
Nichts wird so bleiben wie jetzt. Entweder ich bin als Selbständige erfolgreich – oder ich suche mir einen neuen Job. Entweder ich arbeite weiterhin in Teilzeit oder steige auf einen Vollzeitjob um. Kann ich eine Karriere aus der Teilzeit-Freelancertätigkeit starten? Oder muss dafür der Vollzeitmodus her? Wird mein Mann dann in Teilzeit arbeiten oder werden wir beide Vollzeit arbeiten?
Momentan finde ich persönlich es schwierig, einen Teilzeitjob überhaupt effizient in mein Leben einzubauen. Das fiele mir auch ohne Kindern nicht leichter, zumindest als Selbständige. Eigentlich wäre gerade die erste Zeit eine Phase für einen 30 Stunden Tag, daher fällt es mir schwer in 6 Stunden den Überblick zu halten, die Ziele vernünftig zu stecken usw. Trotzdem ist das für mich – für uns – momentan die richtige Lösung. Außerdem knabbere ich, das muss ich gestehen, an der Frage herum, ob Geborgenheit und Kindheit möglich ist, wenn beide Eltern Vollzeit arbeiten?
All das sind Fragen, die ich jetzt nicht beantworten kann. Momentan möchte ich nachmittags für meine Kinder da sein. Dass ich diese Betreuung übernehme und nicht der Mann hat sich so ergeben. Aus vielen Gründen. Und das ist auch gut so. Jetzt gerade.
Wiedereinstieg in den Job: so lief es bei mir
Ich bin nach insgesamt 3 Jahren Elternzeit wieder in meinen Job zurück gekehrt. Innerhalb der drei Jahre wurde Kind2 geboren. Ich stieg mit 25 Stunden in der Woche wieder ein und fand es sehr stressig! Neben verspäteten Bussen, Abholung von Kind2 bei der Tagesmutter, Fahrt zur Kita und Abholung von Kind1 stresste mich die Tatsache, effektiv so wenig „Quality Time“ mit meinen Kindern zu haben. Dass mich mein Job auch nicht mehr wirklich glücklich machte, erhöhte den Stresslevel natürlich noch. Alles wurde stressfreier, als ich mich selbständig machte und meine Arbeit, meine Zeit flexibler einsetzen und vor allem auch die Inhalte meiner Arbeit freier wählen konnte.
Noch eine Ergänzung: Natürlich wäre es in meinem damaligen Job möglich gewesen, zu stillen bzw. Abzupumpen. Auf der Toilette. ABER! Meine Milch kühlen in den chronisch überbelegten Kühlschränken? Meine kurze Arbeitszeit, das Arbeitspensum und dann noch locker machen zum Abpumpen? Abgesehen davon, dass meine Kinder zu diesem Zeitpunkt abgestillt hatten, wäre ich schlicht nicht entspannt genug gewesen.
Eine Freundin von mir hat allerdings nach 10 Monaten angefangen zu arbeiten und das Stillen auf morgens, abends und nachts verschoben. Für sie und das Kind hat das wunderbar funktioniert.
Vereinbarkeit – eine gesellschaftliche Aufgabe!
Vereinbarkeit für beide Elternteile hängt nicht nur von vorhandenem Job und der Aufgabenteilung der Eltern ab. Wenn es nur so einfach wäre! Soweit ich das sehe, entscheidet darüber ganz maßgeblich die Qualität und Quantität der Kinderbetreuung. Und zwar während der Kitazeit und später in der Schulzeit. Wie ist der Betreuungsschlüssel, wie engagiert, liebevoll und kompetent ist die Betreuung? Wie gut ist das Spiel-/Freizeitangebot? usw. Gibt es ein Betreuungsangebot auch während der Schulferien – und vor allem: was kostet das? Warum noch mal wird eigentlich Vereinbarkeit in der Politik oft mit „genügend Kitaplätze schaffen“ besetzt? In der Schulzeit wird die Betreuung der Kinder nach 12.00/13.00 Uhr nämlich noch schwieriger – oder qualitativ weniger gut wie während der Kitazeit.
Sobald Kindererkrankungen (und Schulferien ohne Betreuung) mit ins Spiel kommen, und das passiert nicht selten, wird die Hilfe von Großeltern und Freunde benötigt, um die Vereinbarkeit aufrecht erhalten zu können. Ein Kraftakt, den ich mit Kitakindern bereits kennen lernen konnte. Während ich als Angestellte arbeitete, wurde Kind2 rund alle 6 Wochen krank. Ohne Großeltern wäre das nicht gegangen. Und die jedes Mal bitten zu müssen, war mir irgendwann unangenehm. Die haben schließlich auch noch ein Leben!
Der Ausbau von guten Betreuungsorten, guter Betreuung auch während der Schulferien, einem angemessenen Betreuungsschlüssel und idealerweise auch noch eine gesunde Ernährung während dieser Zeit sind etwas, was genau die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Elternteile ermöglicht.
Wäre es da nicht einfacher, wenn einer der Eltern schön zu Hause bliebe und sich um Schulferien und Nachmittagsbetreuung kümmert? Äh nein! Erstens können es sich immer weniger Familien leisten, dass nur einer der Eltern arbeitet. Und zweitens ist es legitim, wenn beide arbeiten wollen.
Und jetzt noch mal die Frage: Vereinbarkeit von Familie und Berufung?
Also Karriere im Sinne von Erfolg und Emporklettern im Beruf? Ob und wie das für beide geht?
So wie es mir scheint, ist das momentan nur mit genügend Verdienst möglich, der eine gute Kita und/oder Kinderfrau, eine gute außerschulische Betreuung auch während der Schulferien und eine (gute!) Betreuung im Krankheitsfall ermöglicht.
Wie der Mann und ich das im Laufe der Kinderjahre regeln werden, ob wann und wie jemand von uns sogar „Karriere“ macht und wie erfolgreich (also auch stressfrei) wir Familie und Beruf unter unseren Hut packen können, das werden wir einfach sehen. Heute ist es so, und morgen vielleicht schon anders.
Vielleicht ist die Vereinbarkeit auch nur ein Ideal, nachdem man streben, es aber nie (oder selten) erreichen kann?!
Auf dem Vereinbarkeitsblog gibt es gerade eine Blogparade zum Thema Vereinbarkeit mit interessanten Texten anderer Blogger.
Das Artikelbild habe ich mit dem Visualisierungstool Voyeurtools erstellt.
Danke fürs erzählen…ich arbeite darauf hin…und weiß gar nicht, worauf ich hin arbeite *bibber
Hier die Abendschicht ;-)
Du (be)schreibst so ziemlich genau das, was mir zum Thema Veeinbarkeit durch den Kopf spukt.
Beruf und familie sind eben NICHT vereinbar, nur weil genügend KiTa-Plätze angeboten werden. Die Qualität muß stimmen.
Genauso muß das Angebot+Qualität bei der außerschulischen Betreuung stimmen. Ich möchte mich nicht mit einem „mein Kind ist nach der Schule betreut“ zufrieden geben. Herrschaftszeiten, ich möchte auch, daß sich mein 6, 7, 8, 9-jähriges Kind wohlfühlt wenn es regelmäßig irgendwo sein MUSS.
Und was habe ich davon, wenn ich schnell wieder in den Beruf einsteigen kann (wenn ich das überhaupt möchte??), dann aber mit Schuleintritt auch schon wieder alles an den Nagel hängen muß?
Ich bin ratlos. Nach wie vor…
Liebe Grüße
Suse
Danke für deinen Artikel!
Hier ist das erste Jahr noch nicht ganz vorbei und ich spüre die Probleme schon jetzt. Ich habe mir eigentlich nur die 18 Wochen Mutterschutz komplett gegönnt und versuche seither im Home-Office wieder produktiv zu sein.
Das klappt aber nur so semi gut. Wir können auf ganz viel liebe Hilfe aus der Familie zurückgreifen, haben aber leider in den letzten Monaten eine lange Krankheitsphase der Kinder (inkl Krankenhaus) und einen Totalausfall meinerseits (Schulterbruch) zu verkraften gehabt.
Da ging schon viel Energie in die Organisation der Betreuung, ohne dass ich dabei gearbeitet hätte. Bald gehen die Kleinen zur Tagesmutter und ich bin echt gespannt, wie es dann klappen wird.
Auf das Level vorgeburtlich kann ich (und will ich) auf absehbare Zeit nicht mehr kommen. Trotzdem hoffe ich immer noch naiv, meine Arbeit, die ich eben auch sehr liebe, wieder halbwegs machen zu dürfen.
Ohne Arbeit fehlt mir was.
Wir haben ab Oktober einen Krippenplatz, mein Mann macht im Januar einen Monat Elternzeit, während ich wieder in Teilzeit einsteige. Klingt alles easypeacy? Ist es NICHT! Es ist alles höllisch kompliziert, meine Arbeitszeiten und die Öffnungszeiten der Krippe komplett unvereinbar. Hatte mir das alles echt etwas einfacher vorgestellt, ich naive Amateur-Mutti.. Und dabei haben wir nur ein Kind…
Hallo Mama notes,
was für ein treffender Artikel, vielen Dank dafür! Eine Vereinbarkeitsgeschichte par excellence, denn ich glaube tatsächlich dass bei den meisten Familien die beruflichen Pläne nicht für immer und alle Zeiten in Stein gemeißelt sein können. Gerade der Wechsel von Kita zur Schule ist oft die erste Station, an der Eltern sich neu aufstellen müssen. Die Betreuung ist wie so oft ein großer Schlüssel. Besonders in den extrem langen Ferienzeiten, in denen man den Kindern natürlich auch „echte“ Ferien bieten möchte und nicht nur eine „Notbetreuung“. Aus Interesse, wenn du an zwei Schrauben ganz konkret drehen könntest, welche wären das? Was würde es für dich und deine Familie ganz konkret leichter machen? Interessiert mich!
Herzliche Grüße
Cathrin
Hallo,
Dein Artikel ist spannend. Zu zwei Mal selbständig kenne ich noch nciht viele Erfahrungsberichte.
vielleicht hast Du Lust mit Deinem Artikel bei mir zum Thema „Eltern im Job – Persönliche Erfahrungsberichte zur Vereinbarkeit“ teilzunehmen?
https://juraexamenmitkind.wordpress.com/eltern-im-job-persoenliche-erfahrungsberichte-zur-vereinbarkeit/
VG!