Ich habe Wut wegen der #Metoo Debatte. Ich habe Wut darüber, dass immer noch nicht verstanden wird, was Sexismus ist. Und ich bin wütend über das Erstaunen, „wozu Männer fähig sind“.
Ich hadere mit dem Unverständnis, dass sexualisierte Gewalt nichts mit Sex sondern mit Gewalt zu tun hat. Genausowenig wie ein Raubüberfall eine monetäre Angelegenheit ist. Es wird in so gut wie jedem blödsinnigen Nachrichtenartikel von „Sex-Attacke“ oder „Familiendrama“ geschrieben, wenn ein Mann Gewalt an Frau und Kindern ausübt. Ich hadere mit unserer Kultur, die Täter in Schutz nimmt und Opfer beschimpft. Ich hadere mit unserer Gesellschaft, die darüber zwar oft klagt, dann aber doch zu unfassbar sexistischen und gewaltvollen Aussagen fähig ist. Jetzt musste ich das mal aufschreiben, mehr oder weniger ungeordnet mit mehr oder weniger existierendem Aufhänger. Es sind meine Mama Notes. Und nein, ein neutraler Tonfall ist mir mit Wut nicht möglich. Ich finde, ich darf das so.
Warum Opfer von sexualisierter Gewalt oft Jahrzehnte brauchen, bis sie an die Öffentlichkeit gehen? Eigentlich zeigt das jedes Strafverfahren, sogar schon jedes Mal, sobald ein Opfer sich äußert: Weil die Verantwortliche den Opfern nicht geglaubt haben. Weil die Opfer beschuldigt wurden, sich wichtig machen zu wollen; weil sie beschimpft werden eine „Hure“ zu sein und schlimmeres. Der Grund für jahrzehntelanges Schweigen ist, dass wir in einer Kultur leben, die es Institutionen wie Schule, Sport, Unternehmen oder im deutschen Fall dem Sender SWR mit Wedel ermöglicht, Anschuldigungen zu ignorieren. Wir leben in einer Kultur, in der Aussagen, Anschuldigungen und Berichte komplett folgenlos bleiben. Eine Kultur, in denen sich Opfer weder ernst genommen noch respektiert fühlen können. Let’s face it, wir leben in eine Kultur mit patriarchaler Hierarchie, die ihre eigenen Pfeiler der Macht (bisher!) nicht ansägen wollte und so Missbrauch ohne Einschränkung gedeihen konnte. Das ist Rape-Culture, das ist unser Hier und Jetzt.
Genau dies zeigt der Gerichtsprozess in den USA gegen den Sport-Mannschaftsarzt Nassar und genau das zeigt eindrücklich der Fall Wedel. Es wurde ausgesagt, es wurde angeschuldigt, es wurde protokolliert und dann wurden die Aussage weg gesperrt. Mit der Richterin Rosemarie Aquilina ist in den USA jetzt anscheinend ein einmalig respektvoller und mit den Opfern des Missbrauchs empathischer Prozess gelungen. Das ist schön. Unschön sind vermutlich die Zeuginnenaussagen der 150 Opfer von Nassar. 150 junge Frauen und Mädchen. Über Jahrzehnte. Diese Aussagen sollte sich vermutlich jede*r anschauen, der glaubt es sei geboten, die Unschuldsvermutung höher zu halten als das Recht des Opfers von seinem Missbrauch zu berichten. Egal wie lange das her ist.
Einfach nur ein Beispiel, weil gestern gehört
Da kotzt es mich an, wenn Personen wie Olli Schulz und Jan Böhmermann in ihrem ach so gelobten Podcast davon faseln, dass sie mit Freuden fest gestellt haben, dass im Falle Wedel „die Gesellschaft dazu gelernt“ hätte. Damit war nicht der Zeit-Artikel gemeint, in dem der Missbrauch und seine Vertuschung offengelegt wurde. Nein, die zwei fanden es super, dass erstmal Wedels Unschuld hochgehalten wurden. Weil der arme unschuldig gesprochene Kachelmann…. Die zwei Blödis sind nur ein Beispiel… Es ist mir ein so deutliches Beispiel von zwei Männern, die „eigentlich“ bestimmt gegen sexualisierte Gewalt und für Gerechtigkeit sind… Aber für keine 2 Cent anfangen selbst nachzudenken und Strukturen versuchen ausfindig zu machen.
Das männliche Machtsystem schützt sich immer wieder selbst
Ja, ich bin so wütend auf diese ganzen Symptome und Strukturen von unserer – ich weiß nicht wie ich es anders nennen soll – patriarchalen Brille, die blind ist für das männliche Verhalten, blind ist für das männliche Machtsystem, das sich selbst immer wieder schützt.
Und gleichzeitig bin ich dankbar für jeden Bericht der #metoo Bewegung und auch der #Aufschrei Bewegung vor drei Jahren. Ich bin dankbar für jeden Artikel, der sich kritisch mit Sexismus und unserer Gesellschaft auseinander setzt und für jede Sprecherin, wie Anne Wizorek, die die Nerven hat, sich heute Abend in „Maybrit Illner“ zu setzen und schon wieder Sexismus, sexualisierte Gewalt und Rape Culture zu erklären, die vermutlich erklären muss, was in den USA bereits mit der #metoo Debatte passiert und warum wir in Deutschland noch lange nicht so weit sind. Ich bin dankbar für Richterinnen wie Aquilina, die einen Unterschied machen wollen. Auch wenn mir ihr letzter Satz „Ich habe gerade ihr Todesurteil unterschrieben“ nicht gefällt in einem Rechtssystem, das versuchen sollte, Rache aus dem Gericht heraus zu halten. (Danke für den Text, Nina!). Ich bin auch dankbar für ein deutsches Rechtssystem, dass die Todesstrafe rigoros ablehnt. Aber das ist ein anderes Thema.
Ein besserer Schutz von Frauen gegen Gewalt!
Und gerade heute tritt die Istanbul-Konvention in Kraft, informier mich Twitter, während ich dies hier tippe. Die von Deutschland ratifizierte Konvention zum besseren Schutz von Frauen gegen Gewalt. „Damit verpflichtet sich Deutschland auf allen staatlichen Ebenen alles dafür zu tun, dass Gewalt gegen Frauen bekämpft, Betroffenen Schutz und Unterstützung geboten und Gewalt verhindert wird.“ Schön. Frauenhäuser und Einrichtungen dieser Art gibt es ja schon, nur nicht flächendeckend, nur nicht mit genügend Geld ausgestattet und außerdem kostet der Aufenthalt im Frauenhaus den genau in dieser Situation mittellosen Frauen Geld. Letzten November wurde berichtet, dass in 2016 147 Frauen von ihrem Partner getötet wurden, insgesamt 357 Mal wurde der Totschlag versucht.
Sexualisierte Übergriffe enden zum Glück nicht immer mit einer Vergewaltigung, aber Grapscher, aufdrängendes Verhalten und Männer, die subtilere Kommunikation eines Neins“ nicht und auch ein „NEIN, HÖR AUF“ nicht immer verstehen gibt es viele. Auch hier ein Beispiel aus Amerika, Aziz Ansari. In den USA passiert in der öffentlichen Debatte über Sexismus durch die #metoo Bewegung gerade etwas. Immerhin werden sie disutiert. Und nein, Ansari ist kein Fall von einem Mann, der leider leider nicht Gedanken lesen kann und es stimmt auch nicht, dass die Diskussion über Ansari die #metoo Bewegung spalten würde, wie das unselige Panorama berichtete, nein. Es zeigt einfach, dass sexualisierte Gewalt auf allen Ebenen der Interaktion vorkommt und mit allen möglichen Ausgängen. Einige davon erscheinen „glimpflich“ ausgegangen zu sein, aber ganz ehrlich: in einer Kultur, in der das Verhalten von Ansari als „normal“ oder „ist halt ein Missverständnis“ verstanden wird, kann ich gerade nur wütend sein.
Und fangen wir nicht mit Sexistinn*innen an, die Flirten und sexualisierte Gewalt nicht auseinander halten können. Dafür müssen wir gar nicht nach Frankreich zur Deneuve gucken, die gibt es auch in Deutschland zu genüge. Wer meint, Frauen sollten halt einfach nur deutlicher „nein“ sagen, dann passiere nichts und so will „das Flirten erhalten“ will, versteht nicht, was Victim Blaming ist, wie unrichtig es ist, dass es Teil der Rape Culture ist und welchen Schaden es anrichtet. – What.the.actual.fuck? – Und was den Unterschied zwischen „Flirten“ und „Gewalt“ oder „Übergriffigkeit“ so missverständlich macht, bleibt mir ebenfalls komplett verborgen.
UPDATE: Der deutsche Fernsehpreis, Rassismus, Sexismus und der Unterschied der #metoo Debatte in den USA und in Deutschland. Danke Anja Reschke. Anschauen, ohne weitere Worte von mir. Ich hab immer noch Wut.
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Hi,
sehr deutlicher Artikel – danke.
Habe auf ihn in meinem blog hingewiesen:
https://mikesch1234.wordpress.com/2018/02/04/mama-notes-ich-habe-wut-metoo-fundevogell/
hoffe, das ist so o.k.
Wenn nicht, bitte melden, dann ändere ich gerne … und lösche auch wieder, wenn es Dir lieber ist.
LG, mit viel Schnee im Norden,
Hiltrud
Danke dafür. Alles gut so. :)
Bei Wedel war doch überhaupt nichts dran. Der Skanal war dochd er, dass überhaupt ein Skandal entstanden ist, ohne die ganzen Fakten ausgiebig zu würdigen. Wedel ist kaputt gemacht worden, ohne dass es eine Staatsanwaltliche Ermittlung und eine Verurteilung gibt. Dasselbe war bei Kachelmann.
Meiner Meinung sollte man jeden, der jemand anderen einer Straftat bezichtet, für die er dann nicht verurteilt wird, lebenslänglich ins Gefängnis stecken und einmal die Woche bis zur Bewusstlosigkeit prügeln.
Dann lies doch mal den Zeit-Beitrag.