„Was wäre wenn“ ist eine der spannendsten Fragen, die man sich stellen kann, finde ich. Aus der Frage, „Was wäre, wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß“ kann ich eine Menge über mein Leben mit meinen kleinen Kindern lernen. Über meine Wünsche und Ängste und was ich zukünftig in ähnlichen Situationen vielleicht sogar besser machen könnte.
Ich möchte versuchen zu beleuchten, was in der schwierigen Phase nach der Geburt des zweiten Kindes anders gelaufen wäre, wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß. Darum Vorhang auf: Here comes meine Liste über das „Hätte, hätte“ mit zwei kleinen Kindern:
1. Schlafen
Schlafentzug ist die Hölle. Darum würde ich noch mehr konsequent tagsüber schlafen. Egal ob sich das „langweilig“ anfühlt, oder nicht! Und abends früher ins Bett, als man sich von selbst von der Couch erhebt. Wecker stellen! Wissen, dass die Phase der „ich habe gar keine Abende mehr für mich / mit meinem Mann“ eigentlich nur von kurzer Dauer sind.
2. Schmusen
Das Baby bewusst wahrnehmen. Noch mehr am Köpfchen schnuppern, die kleinen Händchen halten. Bewusster schmusen und kuscheln. Sich am Baby bewusst erfreuen. Es macht glücklich und wappnet für einiges.
Das gilt auch für das Kuscheln mit dem großen Kind. Es öfter „einladen“, zum Stillen (oder Fläschchen geben) dazu zu kommen und mitzukuscheln. Auch wenn es mehrmals nein gesagt hat, immer wieder dazu bitten.
3. Tragen
Das sage ich als Nicht-Tragemama. Ich habe es versucht, hatte Tücher, Manduca und auch eine (mittelmäßig gute) Trageberatung. Beide Babys schliefen selig in Bettchen und Kinderwagen und ich war faul und bequem genug, das Tragen nicht zu üben. Abgesehen davon wurde mir von mehr oder weniger wissenden Physiotherapeuten (des Babys) davon abgeraten. Heute weiß ich: eine gute Trageberatung hätte mir geholfen.
Denn wir Menschen sind Traglinge. Hätte ich mir eine bessere Trageberatung gegönnt, vielleicht auch zwei oder drei Mal, hätte ich das Baby einfach mehr getragen, auch wenn es im Kinderwagen prima schläft, vielleicht wären uns die ersten vier Monate abendlicher Schreistunden erspart geblieben?
4. Zutrauen
Das große Kind mit einbeziehen so gut es geht. Egal ob beim Wickeln, Tisch decken, Füttern, Aufräumen. Ihm Aufgaben zutrauen, auch ausprobieren, ob es schon so weit ist, dieses oder jenes zu tun. Es gibt dem Kind so viel Selbstvertrauen und Freude. Und schafft Zufriedenheit auf beiden Seiten.
5. Bedürfnissen direkt entgegen kommen
Hier sind die Wünsche des großen Kindes gefragt. (Dass man den Bedürfnissen eines Babys sofort entgegen kommt steht außer Diskussion und erhält hier keinen eigenen Punkt, weil selbstverständlich. Soviel dazu.)
Die Bedürfnisse nach Nähe, Kuscheln und gemeinsmer Zeit mit den Eltern sind sehr wichtig und aus Zeit- und Erschöpfungsgründen oft schwer direkt zu befriedigen. Das galt zumindest für mich. Dennoch immer wieder versuchen. Hier zählen auch die Gesten und auch die Kommunikation. „Ich weiß, Du möchtest das Buch mit mir anschauen. Ich möchte erst etwas essen / auf Toilette / das Baby wickeln, dann lesen wir es sofort.“
Ansonsten gilt auch hier: Kann die Dusche nicht kurz warten? Erstmal das kleine Bilderbuch anschauen! Erstmal kuscheln! Staubsauger liegenlassen. Sich Zeit nehmen und Ruhe schenken.
6. Eifersucht
Ist normal und verständlich. Plötzlich die Mama ständig teilen zu müssen, zurück zu stecken, zu warten? Keine 100%ige Aufmerksamkeit? All das schmerzt das Kind und frustiert. Daher viel Verständnis für Gezeter und Aggression aus Eifersucht haben. Dem Kind vermitteln – auch mit Worten – „ich hab Dich lieb. Du bist toll so wie Du bist und ich freue mich, dass Du bei uns bist. Ich bin gerne mit Dir zusammen.“
Das große Kind nicht ausschimpfen, wenn es mal haut oder beißt. Es bringt absolut nichts und bringt die eigenen Nerven dem Zerreißen näher. Hilfreich ist hier, ruhig zu bleiben. „Ei machen ist schön. So. Wir hauen nicht“. Bei Beißen und schlimmen Hauen auch mal mit dem Kind aus der Situation gehen, auf Augenhöhe kommunizieren.
Vielleicht wirklich ein Stofftier oder Kissen zum Hauen anbieten. Ich habe das nie gemacht, weil es sich für mich komisch anfühlte. Und wie eine Aufforderung zur Aggression. Heute denke ich, dass es dem Kind vermittelt, dass der Frust und die Trauer, die es empfindet, in Ordnung und verständlich sind. Und dass es seine Gefühle auch ausleben darf.
Insgesamt aber nicht so eine große Welle aus dem Hauen bei sehr kleinen Kindern machen, es dramatisiert nur und ist ein Stück weit auch normal in Kindestagen.
Es wäre auch schön, wenn der Papa dem Kind einmal vermitteln könne, dass er das neue Baby zwar auch sehr liebt, es aber manchmal ebenfalls anstrengend und nervig findet und die Mama nun weniger Zeit für ihn hat. So Juulsmäßig.
Bei uns habe ich das gemacht, nach knapp 2 Jahren, also im Sommer kurz vor unserem alles verbessernden Sommerurlaub. Etwas zu spät, aber auch das kam mir vorher komisch vor. Hätte ich es mal eher gemacht oder besser noch, den Papa dringend gebeten, dies zu tun. Wer weiß, wie viel diese kleine „Aussprache“ dazu beigetragen hat. Einen Versuch ist sie allemal wert! Zu vermitteln, dass der Frust über das Geschwisterkind völlig in Ordnung ist, das halte ich für wichtig.
7. Achtsamkeit
Bessere Selbstwahrnemung und mehr Achtsamkeit für mich selber. Das ist eigentlich meine persönliche Nummer eins. Neben dem Schlafen und Schmusen ;) Achtsamkeit schon in der Schwangerschaft üben, drei Mal täglich: Wie geht es mir? Wie fühle ich mich gerade? Bin ich ruhig oder klopft mein Herz? Wie fühlt sich der Bauch?
Für achtsame Menschen klingt das vielleicht albern, sie nehmen sich sowieso schon so gut war, warum drei Mal täglich institutionalisieren? – Weil ich es sonst vergesse und gar nicht achtgebe. So seltsam das klingt, selbst für einen eigentlich gesund-egoistischen Menschen wie mich.
8. Um Hilfe bitten
Das habe ich zwar getan und mir wurde viel geholfen, allerdings half man mir so oft in Notsituationen, zB wenn der Kleine krank war und ich nicht vom Job fernbleiben wollte, dass beide Omas schlicht keine Zeit mehr hatten, mir ein oder beide Kinder für meine Erholung abzunehmen.
9. Paarbeziehung leben
Ich weiß, total schwer, wenn man nicht mit einem stets gut gefüllten Portemonnaie gesegnet ist. Ohne Babysitter läuft da nichts. Trotzdem versuchen, frühzeitig regelmäßig, so oft es geht, gemeinsam auszugehen.
Als Paar etwas zu unternehmen ist mit ganz kleinen Kindern auch deshalb so schwer, weil ich zB. mein kleines Baby ungern einem Babysitter anvertraut hätte. Omas und Opas oder sehr gute Freundinnen wären da besser geeignet. Wir hätten uns noch mehr trauen sollen, danach zu fragen. Damit Hilfe nicht nur für Notsituationen kommt, sondern auch mal zur Erholung.
10. Freundschaften pflegen
Frühzeitig mit Freunden abends verabreden, also ohne Kinder. Dann muss der Mann halt mit Flasche bewaffnet beim Baby sitzen. Die Zwei schaffen das schon. Anfangs reichen ja 1-2 Stündchen. Hauptsache Mama steckt mal den Kopf raus aus der Familien- und Kinderkiste.
Das schützt auch davor, dass alle Freunde noch Freunde bleiben und keine Züge abgefahren sind, wenn man – oft MONATE später – aus Babyland wieder auftaucht.
Eine gute Idee ist es auch, mit dem Mann zu verabreden, wann jeder der Elternteile mal ausspannen darf. Ausschlafen, alleine spazieren oder shoppen gehen, sich nachmittags mit Freunden verabreden. Irgendwas, hauptsache raus kommen.
11. Frische Luft!
Möglichst viel raus, aber flott! Bei jedem Wetter. Selbst wenn das kleine Krabbelkind bei schlechtem Wetter nicht draußen krabbeln kann – raus! Krabbeln kann es im Kinderzimmer. Durchgeatmet und Tapetenwechsel erfolgt draußen. Ob Spielplatz, zu Besuch bei anderen Kindern, in Spiel -und Kindercafes oder bei Oma und Opa. Raus! Möglichst jeden Tag!
12. Perfektionismus oder ‚die Meinung der Anderen‘
Beides ist eine Seuche und gehört abgeschafft! Das ist schwer für Menschen wie mich, denn dieses „Aber wenn es alle schaffen, nur ich nicht? Wenn ‚die‘ das aber erwartet hätten?!“ nagt auch verdrängt und unterbewusst an Einem weiter. Hier die eigene Position überdenken und neu definieren! Weniger perfekt sein WOLLEN. Dann gibt es halt keinen selbst gebackenen Kuchen / keinen geputzten Fußboden / Spielsachen überall!!! Was? Alle anderen Mamas schaffen das? Glückwunsch an sie! Ein dickes Fell bekommen für alle Vergleiche und Haushaltsnörgler – eine schwierige aber wichtige Aufgabe.
13. Neupositionierung oder „das schlechte Gewissen“
Habe ich ein schlechtes Gewissen und wenn, weswegen? Weil ich wieder arbeiten gehe und die Kinder in Betreuung sind? Zu lange in Betreuung sind trotz ihres jungen Alters? Weil ich gerade keine Lust habe, dieses Buch schon wieder zu lesen? Weil ich meine Ruhe haben will, einfach nur meine RUUUUHHHEEEE?
Seine Ruhe haben wollen und kein Bilderbuch mehr lesen wollen, ist etwas Menschliches und somit erlaubt. Damit kommt das Kind klar. Mama DARF mal keine Lust mehr haben. Davon bin ich überzeugt. Das kann und darf ich auch aussprechen: „Ich bin müde. Ich möchte das hier für 5 / 10 / 15 / 30 (whatever) Minuten lesen, dann komme ich wieder zu Dir. Geh schonmal ins Kinderzimmer und schau Dir das Buch an.“
Beispielsweise. Klappt nicht sofort, wird aber nach einigen Malen von Erfolg gekrönt sein. Echt, jetzt! Meine eigenen Wünsche auszusprechen und eigene Zeit einzufordern hat unsere Nachmittag um Welten verbessert und entspannt! Das habe ich übrigens in Buntraums Blog vor nicht allzu langer Zeit gelesen und dabei dann endlich kapiert. Seitdem wende ich das Aussprechen meiner Wünsche fast immer erfolgreich an. Buntraum, danke dafür an dieser Stelle!
Das schlechte Gewissen wegen Betreuung: Eigentlich ist es ganz einfach. Warum arbeite ich wieder? Weil wir das Geld brauchen. (Guter Punkt!) Weil ich es so entschieden habe. (Aus Spaß an der Arbeit. Aus Karrieregründen, am Ball-bleiben-wollens. Aus anderen Gründen.) Es sind meine Gründe. Punkt. Das ist ok so. Das ist mein Leben, das ist unser Leben. Nicht nur an die Normalität von Deutschland denken, Betreuung ist woanders viel selbstverständlicher.
Bei schlechtem Gewissen gilt immer: Neu-Positioniern und hinter der Entscheidung stehen. Und wenn es die äußeren Umstände sind, die die Situation bedingen: So ist es dann eben. Akzeptieren und dahinter stehen! Das Positive vermitteln und sich als Eltern ggf. einen Plan machen, wie die ungeliebten Umstände vielleicht auszugleichen sind? Auf jeden Fall: Dahinter stehen!
Alles andere merken die Kinder sowieso und führt zu Verwirrung. Die Antennen der Kinder merken alles. AAAAALLLES!
Einen großen Teil meines dunkelsten Winters ever führe ich mittlerweile darauf zurück, dass ich ein schlechtes Gewissen hatte. Dass ich arbeitete, dass die Wege so lange dauerten, der Kleine mit mir Stunden im Bus verbringen musste, das große Kind phasenweise von 7.30/8.00 Uhr bis 16/16.30 Uhr in der Kita verbringen musste, etc. Es ging aber nicht anders! Hätte ich mich neu positioniert und diese Lebenssituation als „in Ordnung!“ vertreten können, mir einen guten Ausgleich überlegt, dann wären die Kinder nachmittags sicherlich weniger quengelig, weniger aggressiv und weniger unzufrieden gewesen. Und ich übrigens auch!
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Diese Liste ist, das erklärt sich von selbst, sehr persönlich und keinesfalls vollständig. Daher würde es mich sehr interessieren, welche Dinge Euch wichtig sind – oder wichtig gewesen sind – beim Leben mit zwei kleinen Kindern? Was seht Ihr anders? Was habt Ihr wie gehandelt? Ich würde mich wirklich sehr über Eure Kommentare hier freuen!
Deine Zusammenfassung gefällt mir sehr gut!
Für mich war die wichtigste Lektion: ich höre auf meinen Bauch und nicht auf die Meinung Anderer.
Viele Grüße!
Stimmt! Superpunkt. Muss in die Liste nach ganz oben. Beziehungsweise, ist mir gerade wieder eingefallen, ich habe es kurz getreift unter Punkt 12. Perfektionismus oder ‘die Meinung der Anderen’. Zumindest gedanklich mit einbezogen.
Danke, dass Du es nochmal deutlich gemacht hast, ist nämlich wirklich sehr wichtig für das eigene Wohlbefinden und die Ausstrahlung auf die Kinder.
Zustimmung. Als Vater von Zwillingen und Home-Office-Bewohner, nahezu 4/5 Vater während der ersten 2,5 Jahre, ist ein Ausgleich wichtig. Shcwierig zu finden. Man muss daran arbeiten, was Kraft kostet. Auch wenn die nicht da zu sein scheint. Wenn es klappt, kommt neue Kraft!
Danke Dir für Deinen Beitrag! Einen Ausgleich für sich zu finden ist ein guter Punkt, den ich vernachlässigst habe, bisher. Kommt in die Liste… (Ich muss nach in WordPress frickeln, ob und wie das geht.) Welchen Ausgleich hast Du denn gefunden?
Mir fällt auf, dass ich hier gnadenlos Duze. Ich hoffe das ist ok?!
Liebe Grüße, ClumsyMama
Danke, Danke, Danke!
Meine Kleine ist 4 Wochen alt und ich mache mir wegen aller Punkte Gedanken. Muss ich mir ausdrucken und an die Wand haengen.
Antje
Liebe Antje,
wow, ganz herzlichen Glückwunsch zum zweiten (?) Kind. Alles wird gut! Genieße das Wochenbett und kuschel und schlafe <3
Alles Gute Euch allen und liebe Grüße, ClumsyMama
Liebe Mamanotes,
eine ganz schöne Auflistung!!! Falls ich noch ein drittes bekomme, werd ich sie mir ausdrucken und übers Bett hängen. Was ich echt anders machen würde, ist dein Punkt Nummer eins: Baby genießen. Kuscheln genießen. Bei meiner Nummer zwei hat das Wochenbett quasi nicht statt gefunden, weil wir bauten und ich auch gleich wieder fit war. Das bereue ich jetzt. Nächstes Mal leg ich mich sechs Wochen nur mit Wurm ins Bett und kuschel.
Dir Glückwunsch zum Blog, der ist echt lesenswert – obwohl ich doch sonst besonders gern über DIY lese…
Liebe Grüße von Claudia
http://www.wasfuermich.de
Ich finde das eine ganz tolle Liste, die jede Zweifachmama sich bei Problemen an die Pinnwand klemmen sollte. Danke dafür <33