Susanne bloggt auf Ich Lebe Jetzt! über sich und ihr Familienleben, inklusiver wunderbarer Käsekuchenrezepte. :) Susanne spricht norwegisch und hat dort auch einmal gelebt. Ihr Norwegentext ergänzt und spezifiziert, was Alex bereits ansprach. Gerade weil Skandinavien und insbesondere Norwegen immer so lobend im Zusammenhang im Vereinbarkeit zitiert werden, freue ich mich über den zweiten Norwegen-Bericht in meiner Reihe. Vielen Dank, liebe Susanne.
Finding Europe – Elternschaft anderswo ist eine neue Reihe mit Gastbeiträgen von anderen Blogger*innen sowie analogen Menschen ohne Blog, die von ihren Erfahrungen aus Europa berichten. Im Fokus der Erzählungen ist immer Elternschaft, Familie, Kindererziehung, Geburt und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Alles auf einmal oder nur einzelne Themen, aus anderen Ländern oder aus Deutschland.
Inspiriert dazu hat mich die republica 2015, meine Vorfreude und meine Faulheit: Da ich weiß, dass ich während der republica nichts bloggen werde aber auch unfähig zu faul bin, Blogposts für die Tüte zu schreiben, um sie in schlechten Zeiten zu veröffentlichen, kam ich auf der glorreiche Idee, das andere Leute für mich machen zu lassen. Da meine Abwesenheit vom Blog der republica geschuldet ist, und das diesjährige Motto “Finding Europe” lautet, war der Transfer in den Elternkosmos für mich ziemlich naheliegend.
Ähnlich wie die republica aber weniger umfassend, möchten alle Schreiber und ich einzelne Teile des Kulturraums Europa mit seinen Besonderheiten im Familienlebens beleuchten. Ich hoffe, es wird für Euch so unterhalten wie für mich. Ich lade Euch ein, lesend durch die Texte zu schlendern, sich zu amüsieren, vielleicht zu lernen oder neue Verknüpfungen herzustellen. Ob eine “Allianz von Ideen” oder Diversität von Werten im Vordergrund steht , eins ist klar: Familie und Elternschaft sind immer individuell. Das zeigt schon der deutsche Familienbloggerkosmos. Elternschaft ist aber auch immer gebunden an politische Systeme und Entscheidungen, nationale Gemeinschaften und historische Kontexte. Ich bin gespannt, wie Euch die Idee und die Texte gefallen. Ich jedenfalls freue mich auf alle meine Gastblogger*innen sehr.
Vereinbarkeit in Norwegen
Laut der aktuellen Studie von Save the Children (Zusammenfassung) ist Norwegen das beste Land, um Mutter zu sein. Hier gibt es die beste Versorgung in der Schwangerschaft, die am besten bezahlte Elternzeit für Väter und Mütter. Auch politisch haben Frauen einen hohen Status wie in keinem anderen Land der Welt.
In Norwegen ist es politisch gewünscht, daß Mütter Vollzeit berufstätig sind. Aber immer weniger möchten das auch: selbst wenn die Kinder groß sind gehen viele nicht wieder auf Vollzeit.
Ganz zu Hause zu bleiben bedeutet fast zwangsläufig der soziale Abstieg, wenn nicht der Partner genügend verdient.
Erkennbar ist diese Tendenz, daß auf die ganz große Karriere verzichtet wird und beide Elternteile ihren Arbeitsumfang reduzieren. Auf Kosten der verfügbaren finanziellen Mittel und zu Gunsten der Familie.
Reicht es, auf Seiten des Staates gute Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen?
Politisch gewollt ist es zumindest. Man ist sich einig, daß es besser ist, die Kinder durch die Gemeinschaft zu erziehen. Außerdem werden die Mütter im Arbeitsleben gebraucht, um den Sozialstaat erhalten zu können. So die Theorie.
Kinderbetreuung
Beim Ausbau der Kinderbetreuung hat sich im Land viel getan: Seit 2008 hat jedes Kind einen rechtlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Die ganztägige Kinderbetreuung wurde flächendeckend ausgebaut. Zudem wurde die ganztägige Kinderbetreuung flächendeckend ausgebaut: 2014 besuchten 80 Prozent der unter Zweijährigen einen Kindergarten. Bei den Zwei bis Fünfjährigen waren es sogar 96 Prozent. Tendenz: Steigend.
Wenn die Kinderbetreuung gesichert ist, dann dürften Eltern keine Probleme haben ins Berufsleben zurückzukehren.
Diskriminierung am Arbeitsplatz
Der Diskriminierungs- und Gleichstellungsbeauftrage des Landes gab eine Umfrage in Auftrag, die zeigt, daß 55% der weiblichen Arbeitnehmer und 22% der männlichen Arbeitnehmer bereits aufgrund von Schwangerschaft oder Elternzeit diskriminiert worden ist. Besteht nur ein befristeter Arbeitsvertrag sind die Zahlen gleich höher. Oft bestanden die Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeber nach Rückkehr in den Job.
In den meisten Ersuchen an den norwegischen Gleichstellungsbeauftragten geht es um das Thema Diskriminierung wegen Elternschaft.
Diese Zahlen zeigen: Auch wenn es politisch gewollt ist, heißt das noch lange nicht, dass sich alle Arbeitgeber an die vorgegebenen Regeln halten. Auch in Norwegen gibt es Chefs, die mit der Bekanntmachung der Schwangerschaft eine Menge Probleme auf sich zurollen sehen.
Welche Wege wählen die Norweger?
Auch wenn es politisch gewünscht wäre, daß sowohl Väter als auch Mütter Vollzeit arbeiten, gibt es in Norwegen verschiedene Modelle.
Intensive Mutterschaft mit enger Begleitung
Viel diskutiert ist die Studie der Soziologin Helene Aarseth, die Paare aus der norwegischen Oberschicht interviewte, bei denen die hochqualifizierte Mutter nach der Geburt komplett bei den Kindern zu Hause blieb.
Als Begründung wurde meist genannt, dass es wichtig sei, die Kinder auf die raue, international ausgerichtete Arbeitswelt vorzubereiten. Das ginge nur mit einem warmen Mittagessen auf dem Tisch und die intensive Begleitung der Mutter. Die Väter sind abwesend, arbeiten 60 und mehr Stunden im Finanzsektor und haben maximal am Wochenende Zeit für die Familie. Bereits bevor das erste Kind geboren wird, kaufen sie eine Immobilie in einer Nachbarschaft, die als eng und sicher bekannt ist.
Die Mütter betonen, dass sie gerne für ihre Kinder da sind und sie ein erfülltes Leben haben. Die Befragten mit älteren Kindern würden jedoch gerne wieder einen Fuß in die Arbeitswelt setzen und machen sich doch hin und wieder Gedanken um ihre Versorgungssituation im Alter.
Rückzug auf die Familie und den Glauben
Ganz im Süden, im Regierungsbezirk Agder, wo auch die Kleinstadt Kristiansand liegt, gibt es Abtrünnige der Landespolitik. Mütter, die bewusst Teilzeit arbeiten oder ganz bei den Kindern zu Hause bleiben, weil sie der Meinung sind, dass die Kinder zu Hause am besten aufgehoben sind.
Dass dies gesellschaftlich nicht akzeptiert ist, zeigt die Studie, die herausfinden sollte, warum gerade in diesem Teil Norwegens so viele Mütter Teilzeit arbeiten oder ihren Beruf komplett an den Nagel hängen.
Ihnen wird unterstellt, dass sie in einer altmodischen, konservativ-christlichen Welt festhängen und sich dadurch in die Abhängigkeit ihrer Partner begeben.
Statistisch endet die Wahl komplett zu Hause zu bleiben oder Teilzeit zu arbeiten für diese Frauen sehr häufig mit Sozialhilfe. Dies bringt natürlich Gegner ihres Lebensentwurfes gegen sie auf, weil sie dadurch dem Sozialstaat auf der Tasche liegen.
Die norwegische Feministin und Journalistin Marta Breen wirft den zu Hause bleibenden Müttern vor, dass sie nur ihre eigene kleine Welt sähen, nicht aber das gesellschaftliche große Ganze.
Job ja. Aber auch Familie
Viele gut ausgebildeten Männer und Frauen wählen mehr Familie statt Karriere. Das heißt sie verzichten auf große Karrieresprünge und Lohnerhöhungen zu Gunsten der Flexibilität so lange die Kinder noch klein sind. Das Argument, sie möchten am Familienleben teilhaben und sich als Eltern nicht nur die Klinke in die Hand geben beim Betreuungswechsel.
Diese Art der Vereinbarkeit ist machbar in Norwegen. Sehr gut sogar. Die Kinder sind ab dem zweiten Lebensjahr bestens betreut und die Politik: „Kein Meeting nach drei“ trägt dazu bei, dass Eltern ihre Kinder um vier aus dem Kindergarten oder Hort abholen können und noch Zeit für die Familie bleibt.
Ein bekanntes Beispiel ist Autorin und Bloggerin Karianne Gamkinn , die in einem Interview sagte: „Ich bin keine schlechte Feministin, nur weil ich nicht die Karriere gewählt habe!“
Eine Vereinbarkeit im Sinne von gut bezahltem Managerjob und funktionierendem Familienleben für beide Partner dürfte auch in Norwegen schwierig zu realisieren sein.
Eine generelle Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist in Norwegen möglich, ob eine wirkliche Wahlfreiheit gibt sei dahin gestellt.
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Eine wirklich schöne Reihe, die Du da hast. :)
Danke!
Danke für diesen schönen Beitrag und diese schöne Reihe! Da sieht man doch mal, wozu Faulheit so gut ist .. ;) und zu Norwegen: Teilweise lässt sich ja erahnen, dass wir auf einem guten Weg sind. Den Anspruch auf einen Kita Platz für Kinder ab 1 gibt es in Hamburg mittlerweile auch, auf dem Lande wird es wohl noch dauern bis die passende Kita-Dichte dazu da ist. Und: von einer nach-3-kein-Meeting-Kultur träume ich!!!! Sehr Hilfreich und leider sehr, sehr weit weg ..
Beste Grüße
Ute