Leonie vom Blog Minimenschlein reiste in ein Kinderdorf in Kambodscha. Leonie ist erst diesen Montag zurück gekehrt. Heute ist sie mit einem Interview über Ihre Reise bei mir im Blog und erzählt, warum wir manchmal auch über die Schockgrenze hinschauen müssen – und wie wir helfen können.
Selten haben mich Instagram-Posts so berührt, wie die von Leonie von MiniMenschlein auf ihrer Kambodscha-Reise.
Kurz zum Hintergrund: Kambodscha ist noch immer eine Diktatur. Der Bürgerkrieg war mit seinen Nachwirkungen etwa bis 2001 spürbar. Die Nachwirkungen des Krieges ziehen sich allerdings bis heute durch Familien, die alles verloren haben.
Leonie besuchte mit der Hilfsorganisation CFI kambodschanischen Dörfern, ein Kinderdorf, in dem von der Armut und von den Nachfolgen des Bürgerkrieges traumatisierte Kinder leben. Leonies Reiseberichte gingen mir tief unter die Haut. Ich weinte mit Leonie und musste jeden Tag schauen, wie es ihr geht und was sie erlebt hat. Das Leid und Elend der Kinder und ihre Familien können wir uns hier in Europa wohl nicht annähernd vorstellen.
„Wenn wir wahren Frieden in der Welt erlangen wollen, müssen wir bei den Kindern anfangen. (Mahatma Gandhi)“. Wir alle wissen, wie wahr das ist.
Hier könnt Ihr Leonies Instagram-Beitrag sehen.
Liebe Leonie. Wie fühlte es sich für Dich an, in Kambodscha zu sein?
Gefühlt war es eine Berg- und Talfahrt, ein Wechselbad der Gefühle. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich in den letzten drei Jahren innerhalb weniger Tage so viel geweint habe. Die Tränen hatten aber jedes Mal unterschiedliche Gründe. Mal war es Scham, mal Sorge, Hilflosigkeit, Schock – aber eben auch Freude und Glück. Es gab kein Gefühl, dass es nicht gab. Angst war auch irgendwie mein ständiger Begleiter. Die kam aber eher bei so banalen Dingen wie Flug, den Tieren vor Ort, meiner Erkrankung dort.
Was hast Du im Kinderdorf und in den anderen kambodschanischen Dörfer erlebt.
Im Kinderdorf waren wir jeden Tag und haben dort Projektarbeit gemacht. Das hat sich immer gut und richtig angefühlt, weil man den Alltag versteht und plötzlich Teil dessen ist. Da hat mich am meisten beeindruckt, wie toll organisiert und konzeptioniert das Kinderdorf „Light Of Hope“ ist. Es ist ein rundum sicherer Platz. Es gibt verschiedene Häuser, darin leben bis zu 15 Kinder, jeweils mit einem Ehepaar. Die sind also immer da, es fühlt sich für alle nach echter Familie an. Ich habe öfters Väter auf den Plantagen drumherum gesehen, denn das wichtigste für so ein Kinderdorf ist, dass sie zu Selbstversorgern werden. So gibt es nichts, das nicht selbst angebaut wird – außer eben Reis. Die Mütter kochen jeden Tag frisch aus allem, was die Plantagen zu bieten haben. Aber auch das kostet natürlich, denn wenn nicht gerade Regenzeit ist, müssen die Plantagen bewässert werden. Mit Solarenergie und vielen Regenauffangbecken klappt das aber echt gut.
Schwieriger ist der Aspekt mit der Kleidung, die muss nämlich gekauft werden. Jedes Kind hat ein Paar Schuhe, eine Schuluniform und ein, zwei Shirts und Hosen für die Freizeit. Die Schuluniform ist besonders wichtig, da auch andere Kinder aus den Dörfern drum herum die Schule im Kinderdorf besuchen. Die Uniform macht sie zumindest optisch „alle gleich“, die Armut ist dann nicht sofort offensichtlich.
Durch den Alltag im Kinderdorf haben wir natürlich an vielen Gemeinschaftsprojekten teilgenommen, die dort stattfinden. Das fand ich echt am Interessantesten, weil man dann sieht und spürt, wie alle miteinander umgehen. Alle Kinder sind Waisen und durch den Verlust ihrer Eltern (meist durch HIV) und großer Armut schwer traumatisiert. Aber sie sind dort gut behütet und haben Menschen, die ihnen Liebe und Nähe schenken. Viele Kinder brauchen auch psychologische Betreuung, manche haben ganz alleine jahrelang auf der Straße gelebt – als Kleinkinder. Unvorstellbar traurig.
Grenzenlos schlimm, vor allem emotional, war es für mich, wenn wir außerhalb des Kinderdorfs gearbeitet haben. Wir brachten immer Zahnbürsten, Zahnpasta, Medikamente, Reis und Suppen mit. Dort hat man dann das Bedürfnis, einfach alle Kinder mitzunehmen. Die Zustände sind sehr dramatisch, die Kinder enorm mangelernährt. Sie essen ausschließlich Reis und ein paar Pflanzen, die sie am Boden finden. Niemals Proteine, was dazu führt, dass ihre Haare ausfallen oder sich verfärben. Das sieht dann so aus, als hätten sie Strähnen.
Die Leiterin des Kinderdorfs besucht auch häufig die umliegenden Dörfer und kümmert sich auch um diese Kinder. Das ist besonders wichtig, weil sonst für manche Eltern nur bleibt, die Kinder zu verkaufen. Es gibt eine Menge Broker, die in die Dörfer kommen und den Eltern Geld für ihre Mädchen bieten. Die Aussichten scheinen immer gut, es wird den Eltern erklärt, dass die Kinder nach Malaysia als Dienstmädchen kommen, und sich um sie gekümmert wird, sie ein besseres Leben erwartet.
In Wahrheit aber werden diese Kinder an HIV-infizierte Männer verkauft, weil es in Kambodscha die Mär gibt, dass es HIV heilt, wenn man mit einer Jungfrau schläft.
Weil die Mädchen nach dem sexuellen Missbrauch dann aber als nutzlos gelten, werden sie wieder zugenäht und weiter verkauft.
Dies zu erfahren hat mir den Boden unter den Füßen weg gerissen. Weil sie eben nicht unter dem Schutz des Kinderdorfs sind. Oft habe ich mit der Leiterin des Kinderdorfs darüber gesprochen, und sie hofft, wenn sie mehr Spenden hat, auch Schulmaterialien und ein Schulbus finanzieren zu können, der diese Kinder morgens abholt und am Nachmittag nach Hause bringt, so dass sie erstens Bildung und zweitens eine ausgewogene Ernährung und die Eltern nicht mehr das ständige Gefühl haben, sich nicht um ihre Kinder kümmern zu können.
Was hat die Reise mit Dir gemacht?
Es ist schwierig, dass jetzt so pauschal zu beantworten. Ich bin erst etwas über 24 Stunden zurück und glaube, dass vieles erst nach und nach hochkommt. Anfangs hatte ich dort oft das Gefühl von Scham, wenn ich gesehen habe, wie schlimm manche Zustände sind.
Ich hatte ein schlechtes Gewissen und wusste nicht, wie ich aus dieser Gedankenspirale wieder rauskomme.
Auf meiner Rückreise konnte ich auch überhaupt nicht schlafen und war die 18 Stunden Flugzeit komplett wach und in Gedanken. Das war aber gut, denn ich habe für mich die Antwort gefunden: Wir müssen uns nicht schämen für das was wir haben. Aber wir müssen uns bewusst werden, wie viel wir mit wenig Geld am anderen Ende der Welt erreichen können. Eine Patenschaft für ein Kind zum Beispiel kostet monatlich 37 Euro. Das ist für die meisten von uns eine erschwingliche Summe, rettet in Kambodscha aber ein Kinderleben.
Wie funktioniert diese Entwicklungshilfe, von woher kommt das Geld, sie sind ja auf Spenden angewiesen.
Alle Projekte bei CFI Kinderhilfe finanzieren sich komplett aus Spenden. Da kann man sich vorstellen, wie viele spendende Menschen notwendig sind, um das Ganze aufrecht zu erhalten. Insofern sind es natürlich die langfristigen, dauerhaften, kleinen Spenden die das Ganze finanziell stemmbar machen, weil eine Hilfsorganisation so viel besser planen kann.
Das Kinderdorf selbst bekommt neben den Spenden noch Schulgeld von Eltern, deren Kinder nicht im Kinderdorf leben, aber dort Kindergarten und Schule besuchen. Das ist natürlich auch eine wichtige Einnahmequelle. Im Kinderdorf leben etwa 95 Kinder, jeden Tag kommen aber etwa 300 mehr aus anderen Familien, um dort die Schule zu besuchen. Der Schulbesuch kostet dann 21 Dollar im Monat, davon werden natürlich Lehrer bezahlt, Materialien und so weiter.
Perspektivisch wird demnächst ein Wasserfiltersystem fertig. Auch eine wahnsinnig wichtige Sache, denn man kann in ganz Kambodscha kein Wasser aus dem Wasserhahn trinken, da würde man sofort ins Krankenhaus kommen. Man darf noch nicht mal die Zähne mit dem Wasser putzen. Alles Wasser, dass getrunken oder benutzt wird, also auch zum Kochen, muss gekauft werden. Mit dem neuen Wasserfiltersystem spart das Kinderdorf dann diese Ausgabe, kann aber im Gegenzug auch Wasser abfüllen und selbst verkaufen, was wieder eine Einnahme bedeutet. Das Wasserfiltersystem wurde zum Beispiel auch komplett durch Spenden finanziert.
Aktuell entsteht eine neue Apfelplantage, die ist auch langfristig wichtig, um irgendwann auch das Obst verkaufen zu können. Im Prinzip geht es um Hilfe zur Selbsthilfe, die wir mit unseren Spenden unterstützen.
Was hat Dich im Vorfeld bewegt, diese Reise anzutreten?/Wie kam es zu der Entscheidung?
Ich hatte schon Ende letzte Jahres das Gefühl, dass ich mehr tun muss, als nur Spenden. Ins Rollen kam eigentlich alles mit meiner Flüchtlingsarbeit. Ich habe für mich festgestellt, wie wichtig mir die Hilfe für andere ist und dass ich dank vielen Blog-Lesern auch die Chance habe, andere zu erreichen. Und dann kam Amigo Spiele auf mich zu und fragte mich, ob ich mir auch eine Reise nach Kambodscha vorstellen kann. Sie arbeiten seit Jahren mit CFI Kinderhilfe zusammen und statten das Kinderdorf mit Spielen aus. Ich war sofort begeistert und konnte glücklicherweise auch meine Familie überzeugen, dass ich diese Reise einfach machen möchte.
Liebe Leonie, vielen Dank für Deine Antworten. Vielen Dank für Deine Reise und dass Du uns davon erzählen kannst. Ich hoffe, dass über Deine Berichte und Interviews viele Spendengelder für die Kinder gesammelt werden können.
DANKE, SONJA!
Spenden
Wenn Ihr konkret helfen wollt, hier könnt Ihr aktiv werden, egal wie groß oder klein Euer Budget ist.
Song zum Downloaden: Care for the Childen
CFI Internationale Kinderhilfe, „Care for the Children“ von und mit Tobi Vorwerk und Philipp Grahm. Den Song kann man auch für 0,99 Euro kaufen, der komplette Erlös geht an CFI. Hier könnt Ihr den Song herunterladen.
Mehr Infos zum Song: https://www.cfi-kinderhilfe.de/tobi-vorwerk-singt-fuer-cfi/
Spendenadressen
Von 2 Euro Mikrospende, über eine einmalige Spende bis hin zur dauerhaften Spende oder einer Kinderpatenschaft. Alle Infos findet Ihr hier: Spenden CFI Kinderdörfer.
SMS-Spende über 3 Euro: SMS mit Text „CFI“ an die Nummer 81190
Online-Mikrospende über 2 Euro: Hier könnt Ihr den Song herunterladen
Spendenkonto:
CFI Kinderhilfe
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN DE19660205000008753503
BIC/Swift: BFSWDE33KRL
Oh wirklich ein beeindruckendes Interview. Ich war noch nicht in Kambodscha und will es unbedingt mal besuchen. Ob ich allerdings die Nerven für ein Kinderdorf hätte, weiß ich nicht. Ist schon wirklich erschütternd, was da passiert.
Liebe Grüße ♥ Dorie
Danke für das Interview, das ich auf meiner Seite teilen werde.
Und ein beeindruckendes Engagement, Leonie!