Dieser Text in zusammen gefasst: Ich bin nicht der dogmatische Typ. Ich kann mich schnell und hingebungsvoll für Dinge begeistern. Ich bin faul und schnibbel ungern Salat. Ich lebe fast vegetarisch. Ich bin nicht tierlieb. Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Das Leben ist endlich. Herzinfarkte können so ungerecht sein. Ich bin der Apfeltyp. Ich mache jetzt eine vegane Testwoche. Es ist Sommer.
tl;dr. Wenn Euch mein Schwadronieren da unten zu lange dauert, das ist ok. Bitte, kommt das nächste Mal wieder.
Für alle mit Zeit, danke fürs Lesen von:
Sommer, Laisser Faire, Schicksal und meine vegane Testwoche
Ich bin nicht der dogmatische Typ. Ich bin das gelebte Laisser-Faire-nach-Nerven-und-Laune. Aus Bequemlichkeit, vermutlich. Und dass das nicht unbedingt pädagogisch wertvoll ist, mag sein. Ich weiß es nicht genau, denn ich habe das Lesen von Erziehungsratgebern aufgegeben. Sie verwirren mich, dann überdenke ich alles, versuche ein Bauchgefühl festzustellen und das ist dann vor lauter Kopf schon verstummt. So fühle ich mich immer unsicherer, egal wie gut die Schlussfolgerungen im Kopf klingen. „On the set“ ist es dann nämlich Essig mit den Vorstellungen aus den Büchern, weil ich mich offensichtlich fundamental psychisch, nervlich und charakterlich von Erziehungsratgeberschreibern unterscheide. Also mache ich es, wie ich es mache. Und das ist mal so, mal so. Je nachdem, wie stark die Nerven sind, wie viel Zeit wir haben, ob jemand bei dem Meltdown beschädigt wird oder nicht und so weiter. Ich bin eben höchstens eine hinreichend gute Mutter. Ich versuche übrigens aufkommendes schlechtes Gewissen mit Juulscher Authentizität zu beruhigen. Außerdem habe ich mit beim streng-sein angewöhnt zu erklären, warum.
Ich kann mich trotzdem schnell und hingebungsvoll für Dinge begeistern. Für das Bloggen zum Beispiel. Das war als Test gedacht und mal gucken, so ein paar Wochen vielleicht. Und für Menschen. Bei einigen macht es Klick – es gibt so etwas wie Wellenlängen. Weniger andauernd ist meine immer wiederkehrenden Begeisterung für gesunde Ernährung. Die kommt und geht in Wellen.
Denn ich bin faul – und für gesunde Ernährung müßte ich ja was tun. Gemüse schneiden, zum Beispiel und vorplanen. Keinen Schrott kaufen, auch bei Heißhunger keine Bäckerei leer essen und so weiter. Irgendwann fallen meine Superpläne und neuen Essgewohnheiten wieder in sich zusammen. Dabei ernähre ich mich gar nicht sooo ungesund. Ich esse kein Fast Food, ich esse selten Chips oder sowas. Meine Sünden sind Schokolade, zu viel Zucker und Kohlenhydrate, zu wenig trinken, kein Sport und zu faul zum Salatschnippeln sein.
Wir leben seit einigen Jahren fast vegetarisch
Fast heißt, wir essen nur alle 8 Wochen oder so mal Fleisch, wenn wir eingeladen sind oder wenn Bolognese sein muß. Die Kita kocht ebenfalls vegetarisch. Letzten Sommer zur WM, meinte ich, der Familie einen besonderen Gefallen zu tun und zu den Deutschlandspielen vorm TV Pommes, Würstchen und Alibisalat zu kredenzen. Da freuten sich die Kinder sehr über die Pommes und den Ketchup, die Würstchen fanden sie aber komisch. So geht das jedes Mal beim Grillen, Kind1 isst gar keine Würstchen, auch Fleischstücke sind ihr nicht ganz geheuer, Kind2 isst momentan alles, also auch Veggiewürstchen.
Jetzt auch vegan?
Ich weiß nicht mehr, wann es angefangen hat, aber irgendwann erschien es mir gar nicht mehr so verrückt und abwegig, mich auch vegan zu ernähren. Das Fleisch wird mir nicht fehlen, viele leckere vegane Kuchen und Muffins durfte ich schon probieren und an der fehlenden Butter soll es nicht scheitern. Dachte ich. Irgendwann spülte mir Facebook diesen Vegan-Menschen in die Timeline, der einen zuvor sehr übergewichtigen Mann präsentierte, der nun erschlankt, sportlich und anscheinend unfassbar viel Spaß am Joggen gefunden hat, so dass er nun irgendeinen Marathon läuft. Letzteres imponiert mir wirklich gar nicht. Minusbereich. Aber den Kälbchen die Milch nicht zu stehlen und dabei schlank zu werden fand ich als Kombination sehr verlockend. Leider bin ich so hartherzig, dass ich hier sagen muß: Der Tierschutz allein hätte mich nicht zu meiner veganen Testwoche gebracht.
Ich bin nicht tierlieb. Ich mag die meisten Tiere nicht, sie stinken, stechen oder beißen, kacken auf den Bürgersteig, Katzenfotos langweilen. Aber ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und der gilt auch für Tiere. Industriell produziertes Fleisch könnte ich nicht mehr kaufen, jeder weiß, wie die Tiere gehalten werden. Das geht einfach gar nicht. Leider geht es den Milchkühen, die den Käse liefern, den ich so liebe, und ihren Kälbchen nicht wirklich besser. Das weiß ich längst, verdrängte es lange und irgendwann brach es sich in den vergangenen Wochen Bahn, gemeinsam mit meinem Wunsch schlanker zu sein, der trotz meines Feminismus existiert seitdem ich 13 bin. So weit, so widersprüchlich.
Gestern startete ich meine vegane Testwoche, twitterte darüber, erwähnte es im #WIB und erhielt sehr viel positives Feedback und Ermutigungen. Vielen Dank. Mir wurden Rezepte für Parmesanersatz verlinkt, ebenso für vegane Schokolade.
Und warum mache ich die vegane Testwoche überhaupt?
Im April hatte jemand aus unserer Familie einen Herzinfarkt. Einen heftigen. Der behandelnde Arzt meinte es war nicht 5 vor 12 sondern „2 vor 12“ gewesen. Alles an dem Infarkt war wohl tatsächlich ernst und heftig, wie wir heute wissen. Das Gefühl, dass sich anfühlt wie ein Teppich, der unter den Füßen weggerissen wird oder ein Loch, dass sich auftut, habe ich nach dieser Nachricht erlebt. Das große Ding Endlichkeit. Obwohl wir alle wissen, was uns blüht, sind wir jedes Mal wieder überrascht, dass es wirklich passieren kann. Oder? Mir geht es so. Jedesmal bin ich so überrascht, dass es wirklich passiert. Der Tod, auch der vorzeitige. Schnell sprach sich im Familienkreis herum, wer von irgendwelchen Kollegen bereits mit 42 einen Infarkt hatte – und auch wenn das vielleicht Panikmache ist, es ist ja passiert. Es kann passieren. Auch in meinem Alter.
Dieser Schreck und meine Recherche danach brachten einiges weiter ins Rollen bei mir. Unter anderem die Punkte Ernährung und Sport. Wer jetzt denkt, na, denn müßte sie doch leichtens seit April Sport machen und keinen Süßkram mehr essen, irrt. Tut sie nicht, bzw. doch. In diesem Fall war Aktionismus nicht mein Ventil. Ich brauchte Recherche, mehr Wissen – und Besinnung. Was will ich? Was tut mir gut? Was ist machbar? Was will ich ausprobieren?
Vegan zu leben ist eine harte Nummer für jemanden wie mich, der Käse und Schokolade liebt.
Vielleicht esse ich ja irgendwann vegan, gönne mir aber alle zwei Monate mal tollen Käse? Oder werde ich das, was ich jetzt wichtig finde, nicht mehr vermissen? Oder wenn ich eingeladen werde, möchte ich ja nicht „der komplizierte Gast sein, der nichts isst“…
Heute ist Tag zwei und ich finde es noch sehr kompliziert mir zu überlegen, wie ich mich abwechslungsreich ernähren soll. Übrigens sind mir Fragen danach, wie der Bäcker die Backformen einfettet und was in der Nachbehandlung von Wein verwendet wird (noch?) herzlich egal. Hauptsache im Essen ist nix tierisches drin.
Dann das Thema Sport. Ich weiß, ich sollte, könnte und schlau wäre es, mein Bewegungsverhalten jetzt zu ändern und nicht in 10 jahren oder später. Wir wissen übrigens nicht, warum die/der Patient*in den Infarkt erlitten hat. Sehr gesunde Ernährung, ungefähr nur 3x die Woche Fleisch, viel mit Öl gekocht, wenig Sport aber kein Cholesterin, gar nichts. Die Ärzte staunen, wie fit der Mensch ist, wie perfekt alle Venen und Arterien aussehen, nur die kurz vor dem Herzen leider nicht. Noch genau vor einem Jahr, war der Kardiologe beim Check-up hochzufrieden, der jährliche Kontrolltermin war nur wenige Wochen wieder entfernt. Manchmal fällt das wohl unter „Shit happens“. Und trotzdem frage ich mich: Kann ich nicht noch gesünder leben? Weniger Fette, weniger bis kein Fleisch, mehr Gemüse, mehr Bewegung?
Ich bin der sogenannte Apfeltyp. Macht sich modisch ganz blöd, weil kaum (bis keine) Taille. Der Rest des Körpers ist schlank bei mir, nur mein Bauch zeigt, wo die Kinder herkamen. Vor den Kindern zeigte er das auch bereits, obwohl ich da 55kg auf 165cm wog, also definitiv nicht zu viel und ganz eindeutig Apfeltyp. Und diese Menschen, also die mit Bauchspeck wie ich, (im Vergleich zu nur fülliger Po und Oberschenkel) sind statistisch am anfälligsten für Infarkte. Na Bingo.
Nun will ich niemanden hier verschrecken oder sonstwie bekehren, ich bin ja selbst noch nicht bekehrt. Meine Oma, die übrigens ebenfalls Apfeltyp war, und niemals Sport betrieb, wurde 93. Ohne Infarkte oder sonstige Anfälle. Es ist Schicksal.
Ich habe Lust auf vegane Ernährung. Mir leuchtet es ein, dass Gemüse und Kerne, Obst und Getreide gesunde Kraft liefern können und Fleisch und vorallem artfremde Milchen nicht so irre gesund sein können. Ich bin gespannt, was die Ernährung mit mir macht, ob sich etwas verändert und wie schwer es wird, umzudenken. Wenn es nicht komplett katastrophal läuft, will ich einen veganen Testmonat dranhängen.
Gestern beim Einkaufen von Sojamilch dachte ich beim meterlangen Kühlregal mit Joghurts, Quarks, Dipps, Shrimps, frischer Pasta und Käse, KÄSE!, „Oha! Das darf ich alles nicht mehr essen.“ Auf dem Heimweg: „Niemals mehr Schokoladenkuchen mit weichem Kern?“ Ist das Leben dann nicht sinnlos? Gibt es ein veganes Rezept für Schokokuchen mit weichem Kern? Und was mache ich, wenn ich mal wieder in Italien bin? Ich werde doch nicht so blöd sein und auf all das leckere Essen dort verzichten? – Abwarten.
Es ist Sommer. Es riecht nach Leben, nach Freiheit und Sommerferien, Freibad und Rheinstrand. Es ist so viel Licht und Helligkeit, so viel Grün, so viele Blüten. Wie jedes Jahr im Sommer habe ich das Gefühl von Verheißung, von Neubeginn und „alles ist möglich“. Es ist nie zu spät. Es ist Sommer.
Authentizität ist keine Ausrede für ein schlechtes Gewissen. Im Gegenteil.
Und dank meines Philosophiestudiums kenne ich mich mit „hinreichenden Bedingungen“ aus und kann dir sagen: wenn du eine hinreichend gute Mutter bist, hast du mehr als das erfüllt, was eine gute Mutter mindestens ausmacht.
Also alles top!
Auf das Ergebnis deines Vegantests bin ich gespannt. Und ich denke 100% muss es nicht immer sein, man soll sich nicht quälen und darf dann auch mal Ausnahmen machen. In Italien zum Beispiel.
Beste Grüße!
Ich finde deinen Versuch auch toll! 70-80% ist doch viel besser als gar nicht probieren :)
Ich finde deinen Versuch auch toll und schließe mich meinen Vorkommentatorinnen an, dass es nicht immer die extremen 100% sein müssen. Ich bin Vegetarierin, mein Mann nicht, und trotzdem kommt er nur 1-2 mal die Woche in den Genuss von Fleisch, was er vollkommen für ausreichend hält und auch gar nicht mehr will und fühlt sich so auch besser. So kannst du außerdem auch prima deinen Körper und seine Bedürfnisse kennen lernen und beim ein oder anderen „Laster“ einfach die Menge reduzieren. Viel Erfolg und vor allem Spaß weiterhin! :-)
Ich mag Dich ❤
Danke. ich Dich auch. :)
Für Kuchen und Co. empfehle ich dir http://cakeinvasion.de/ Da habe ich schon viele tolle Sachen gesehen – vielleicht auch ein toller Schokokuchen? :)
Ganz wunderbarer Blog! Super Rezepte, danke für den Tipp! Viele Schokokuchen, aber nix mit weichem Kern. ;)
Eine sehr gesunde Einstellung. Ich wollte auch mal eine vegane Woche probieren, aber beim Einlesen erschien mir das so vollkommen kompliziert :/ Und all die Zusatznahrungsmittel für eine Woche kaufen..neee
Zusatznahrungsmittel, was meinst Du damit? Ich koche vegetarisch und lasse Milchprodukte weg. Also Pasta, Reis, KArtoffeln mit Gemüse. Für eine Woche reicht das ja erstmal. Auf Brot Gemüseaufstriche, Hummus und ansonsten viel Salat und Obst. Milchkaffee mit Sojamilch. Mehr mache ich in der ersten Woche nicht. Für den Testmonat werde ich mir ein paar Basisprodutke wie Tofu kaufen und ein paar einfaache Rezepte vorplanen. ;)
Jede Schokolade mit hinreichend großem Kakaoanteil (ca.70%) enthält keine Milch und ist somit vegan. Und beim Backen haben wir sehr gute Erfahrungen mit „normalen“ Rezepten gemacht. Auch für Schokokuchen mit flüssigem Kern. Einfach Butter durch margarine und Eier durch Ersatz aus dem Reformhaus ersetzen.