In meiner Rubrik „Berufstätige Mütter“ stelle ich Euch in unregelmäßiger Regelmäßigkeit berufstätige Mütter vor. Die meisten von ihnen sind selbständig, alle sind glücklich und erfolgreich in ihrem Job. Meine zugrunde liegende Frage: Wann und wie kann eine Frau ihren Beruf leben, wie geht das mit Kindern und Familie? Heute ist Lisa Harmann an der Reihe, die Ihr sicherlich alle von ihrem Blog „Stadt Land Mama“ und als Autorin des Buches „Ich glaub mich tritt ein Kind“ kennt. Ich habe mich sehr gefreut, dass sie Lust auf mein Interview hat, denn wie sie als Journalistin und Autorin ihr Leben wuppt, das wollte ich schon immer mal wissen :)
Liebe Lisa, vielen Dank für Deine Bereitschaft zu diesem Interview. Dir war das Interview über erfolgreiche und glückliche Frauen im Job sogar ein eigenes Anliegen, was mich sehr gefreut hat. Warum genau?
Jetzt muss ich mal ehrlich zugeben, dass ich gefühlte 100 Jahre gebraucht habe, bis ich endlich dazu kam, Deine Fragen zu beantworten. Mir kamen ein paar Dinge dazwischen, zum Teil meine Arbeit, zum Teil aber auch kurze Zweifel. Nicht an der Arbeit selbst, sondern an der Arbeitssituation.
Ich arbeite, seit ich Kinder habe, von zu Hause aus. Und das war super, solange ich ab und zu raus kam. Als wir noch in Berlin wohnten, war dieses Rauskommen nachmittags der Spielplatz mit vielen anderen. Nach dem Umzug aufs Land bei Köln war das dann mein berufsbegleitendes Studium, das ich neben der Arbeit und den Kindern noch absolvierte. Das hieß: Alle zwei Wochen kam ich für zwei Tage raus aus meiner Home Office Situation, hatte Input, traf mich mit anderen Erwachsenen. Seit dem Ende des Studiums im letzten Jahr wird mir das ein bisschen zu eng zu Hause und ich überlege, ob ich nicht doch ein bis zwei Tage außerhalb arbeiten gehen sollte.
Bis ich das so klar formulieren konnte, hat es etwas gebraucht. Und da dies ein Interview über das Tolle an meinem Beruf werden sollte, habe ich so lange gewartet, bis ich wieder wusste, warum mich das alles so zufrieden macht. Eben bis auf die Tatsache, dass ich ab und zu ein Büro mit anderen Mitarbeitern vermisse.
Du bist freie Journalistin mit Fokus auf Kinder und Familie. Was waren die Milestones, die Dich dorthin gebracht haben?
Also für Kinder habe ich mich schon mein Leben lang interessiert, auf jedem Wunschzettel meiner Kindheit stand: 1 kleines Geschwisterchen + ein Pony. Aber im Ernst: Es gab tatsächlich so ein paar Eckpunkte:
Der Moment in der elften Klasse, in dem ich am Computer den Studiengang Publizistik entdeckte und dachte: Ja, das wäre was für mich. Was dann auch klappte.
Das Praktikum während des Studiums bei einer großen Berliner Tageszeitung.
Die anschließende freie Mitarbeit, mit der ich mein Studium finanzierte.
Schließlich die Zusage der Axel Springer Journalistenschule, zwei Jahre Ausbildung und dann die erste Schwangerschaft, die ich beim Abschlussball verkünden konnte.
Das war also eine recht gesunde Entwicklung hin zum Familienjournalismus. Ich schrieb mit Baby ein bisschen (sehr wenig bis kaum), unterschrieb nach anderthalb Jahren dann aber einen Vertrag, der den Anfang markierte. In diesem Rahmen schrieb ich Ratgeber für Schwangere und junge Eltern. Vier Wochen nach Vertragsunterschrift sagte mir der Frauenarzt, ich sei wieder schwanger: Diesmal mit Zwillingen. Und so nahm alles seinen Lauf.
Welche Learnings ziehst Du aus Deiner beruflichen Entwicklung für Dich? Welche Empfehlungen würdest Du anderen geben wollen?
Ich bin ein Mensch, der sich gern überraschen lässt. Für mich waren diese Weggabelungen nicht vorausgeplant, alles hat sich so entwickelt. Es hätte für mich an einigen Punkten auch in ganz andere Richtungen gehen können. Ich denke, ich mache das so ein bisschen so, wie es Hebammen auch vor der Geburt empfehlen, wenn sie sagen: Press Dich nicht in ein zu enges Korsett von Wunschvorstellungen, bleib offen für eventuelle Kurs-Änderungen, sonst bist Du nicht empfänglich genug für das Hier und Jetzt. Ich kann das nicht als Empfehlung für jeden aussprechen, aber für mich ist das so die am glücklichsten machende Variante.
Ich kann dafür aber eben nicht sagen, wo ich mich in fünf Jahren sehe. Das ist absolut ungewiss. Das nehme ich in Kauf. Ich habe also nicht das eine Ziel vor Augen und laufe geradewegs und ohne Rücksicht drauf zu, sondern schaue mir gern auch mal die Gänseblümchen am Wegesrand an und biege auch mal ab, wenn mich ein kleines altes Gässchen fasziniert.
Du sagst, Du bist glücklich in Deinem Job. Was ist für Dich das tollste?
Wie der Beruf des Journalisten eben voraussetzt, bin ich sehr neugierig und freue mich, immer wieder Neues entdecken, erfahren oder mitzuerleben dürfen. Das ist ein sehr abwechslungsreicher Beruf, ich habe mit vielen Menschen zu tun und ich darf versuchen, Gefühl in Buchstaben fließen zu lassen. Manche Menschen können das so toll, Stimmungen mit Worten transportieren (z.B. die Autorin Elisabeth Rank), das fasziniert mich. Manchmal fühle ich mich als Autorin auch wie eine Schauspielerin. Wenn ich dann vor dem Rechner sitze und versuche, mich wieder in die Situation reinzubeamen, über die ich erzählen möchte. Fantastisch.
Dazu kommt natürlich, dass ich mir ein Themengebiet ausgewählt habe, für das ich mich wirklich interessiere. Das ist sehr zuträglich. Und zu guter Letzt lässt sich dieser Beruf eben sehr gut mit Familie vereinbaren und zwar so, dass ich auch wirklich noch etwas von meinen Kindern hab. Ich weiß gar nicht, ob das für die Kinder so wichtig ist, aber für mich ist es das. Deswegen musste ich sogar nach der Zwillingsgeburt nicht wirklich pausieren, so ein ganz kleines bisschen hab ich einfach weitergemacht. Tat gut.
Welche Herausforderungen hast Du in Deinem bisherigen Berufsleben meistern müssen?
Als freischaffender Arbeitnehmer bin ich natürlich abhängig von Aufträgen. Ich habe keine Sicherheit. Ich habe mal viele Jobs und mal wenige. Eigentlich immer zu wenige oder zu viele, das kennt man ja.
Ängstlich machen würde mich das wohl, wenn ich davon meine Familie allein ernähren müsste. Wenn ich immer wieder zittern müsste, genug Aufträge zu haben. Zum Glück ist mein Mann fest angestellt, so dass wir zumindest auf ein festes Gehalt bauen können. Und das ist tatsächlich auch eine tolle Basis, um kreativ zu sein. Zu wissen, ich bin nicht auf alle Aufträge zwingend angewiesen. So kann ich auch mal etwas ablehnen oder sagen: Ich nehme mir jetzt eine Auszeit vom Alltagstrott und entwickele einfach mal eine TV-Show. Weil ich gerade Lust darauf habe. Hab ich gemacht. Ist (noch) nichts geworden, auch wenn ein Sender sehr ernsthaftes Interesse hatte. Aber es war eine tolle Erfahrung!
Genauso wie ich mich an einem Roman versuche. Auch noch nichts geworden, aber so spannend. Ich habe den Luxus, in alle Richtungen denken zu dürfen. Deswegen sehe ich meist weniger Schwierigkeiten als eher Richtungswechsel und Weggabelungen. Ich habe im letzten Jahr meinen sicheren Job (der mit dem Vertrag, von dem ich oben erzählte) verloren, weil es die Firma so nicht mehr gibt. Natürlich hatte ich erstmal einen flauen Magen. Aber daraus sind dann ganz neue Dinge entstanden und so bin ich jetzt da wo ich bin.
Wie alt sind Deine Kinder heute?
Meine Kinder sind alle schon Schulkinder, unsere Tochter ist acht und unsere Zwillingsjungen sind sechs. Als ich anfing mich selbständig zu machen, wurde mein erstes Kind gerade geboren.
Wie hast Du Dir mit Deinem Mann das Familien- und Job-Vereinbarkeitsthema geregelt? Wie macht Ihr was? Und wer?
Ha. Darüber haben wir gestern noch gelacht, als ich sagte: Wie wär´s? Soll ich mal wieder Vollzeit arbeiten gehen und Du übernimmst zu Hause das Ruder?
Er muss halt damit leben, dass bei mir nichts in Stein gemeißelt ist und ich immer mal wieder mit neuen Ideen um die Ecke komme. Das Gute ist: Bei ihm ist es genauso offen für Neues.
Als ich mit unserer ersten Tochter schwanger war, bewarb ich mich etwa in Namibia bei einer deutschen Zeitung in Windhoek. Die Zusage kam eine Woche vor der Geburt. Mein Mann sagte: „Klar, machen wir! Ich nehme drei Monate unbezahlten Urlaub und Du gehst arbeiten.“ (Elterngeld gab´s da noch nicht) Und so lernte unsere Tochter im afrikanischen Sand laufen. Das war super.
Im Moment ist es so, dass ich vormittags arbeite und nachmittags die Kinder von Hobby-zu-Freund-zu-Hobby fahre. Und er Vollzeit arbeiten ist. Sehr klassisch. Deswegen haben wir auch gestern so gelacht, weil wir feststellten, wie modern wir in unserer Theorie vom Familienleben sind und wie unmodern derzeit in der Praxis. Im Moment ist es eben so: Wer da ist, kümmert sich. Aber bei uns kann sich das eben auch schnell mal wieder ändern.
Kannst Du uns bitte einen typischen Tagesablauf vom Aufstehen zum ins Bett-gehen schildern? Mit all seinen typischen Aufgaben, Aufteilungen etc…
- Der Mann ist Frühaufsteher. Ich nicht. Also weckt er uns irgendwann, der Kaffee ist dann schon fertig.
- Ich helfe den Kindern beim Anziehen, mache mich selbst fertig und dann gehen wir frühstücken.
- Der Papa nimmt die Kids auf dem Weg zur Arbeit mit zur Schule und ich mache den Haushalt setze mich an den Rechner.
- Da schreibe ich ab viertel vor Acht dann wie eine Verrückte, weil ich oft nur bis 11 Uhr Zeit habe.
- Um 11.25h ist für die Erstklässler dreimal die Woche die Schule vorbei. Sprich: Ich darf losfahren und sie abholen, das Essen soll dann aber bitte schon fertig sein. Klappt fast nie.
- Dann essen wir und ich fahre nochmals los, die Drittklässlerin von der Schule holen. Landleben eben. Weite Strecken.
- Dann isst sie. Die Jungs hören erstmal eine CD zum Runterkommen.
- Dann machen wir Hausaufgaben mit mal mehr und mal weniger Widerstand.
- Oder spielen vorher noch ne Runde Fußball oder Hasenkuscheln im Garten.
- Dann fahren wir zu Musik, Leichtathletik, Reiten oder Fußball. Oder zu Freunden. Oder die kommen her.
- Zwischendurch einkaufen.
- Zwischen 18 und 19 Uhr gibt es Abendessen. Dazu trudelt dann auch der Mann ein.
- Oft schauen die Kids dann noch Wickie und danach bringe ich sie hoch ins Bett.
Seit wann bloggst Du und worüber?
Mein Mann und ich haben 2010 unter www.nusenblaten.de begonnen, zu bloggen. Für uns war das ein Ventil, den turbulenten Alltag mit drei sehr kleinen und sehr aktiven Kindern zu verarbeiten, eine Art Selbsthilfegruppe. Wenn wir schon so oft so überfordert waren, dann wollten wir, dass wenigstens ein paar Menschen drüber lachen konnten. So bekam das viel mehr Sinn alles ;-) Es war schön zu sehen, wie gut das geklickt wurde und für mich war es auch eine Chance, weiter regelmäßig am Schreiben zu bleiben. 2012 kam dann für mich www.stadtlandmama.de dazu, das ich mit meiner Kollegin Caroline Rosales ins Leben rief, als ich von Berlin raus aufs Land zog. Stadt Land Mama wurde schnell so groß, dass mir für Nusenblaten leidergottes nicht mehr so viel Zeit blieb. Mein Herz hängt aber trotzdem noch dran.
Was bedeutet Dir Dein eigenes bloggen? Was ist Deine Motivation?
Ich glaube, dass ich ohne Nusenblaten nie dazu gekommen wäre, ein Buch zu schreiben, ich habe es in einem ähnlichen Stil wie im Blog geschrieben. In „Ich glaub, mich tritt ein Kind“ (dtv) Buch fragt mich Caro zum Thema Schwangerschaft aus und ich antworte ihr als Dreifachmutter. Nachdem wir das Manuskript bei dtv abgegeben hatten, dachten wir: Wir wollen weiter im Dialog bleiben. Und wir wollen gern eine Fangemeinde, die später dann auch das Buch kauft. So entstand Stadt Land Mama. Dass das dann so ein Selbstläufer werden würde, haben wir damals nicht gedacht. Das Buch erschien 2013, jetzt ist 2015 und ich schreibe immer noch.
Caro hat sich im letzten September verabschiedet, wir sind mittlerweile so groß, dass es fast ein Job geworden ist. Und sie wollte sich jetzt nicht nur mehr um ihre zwei Kinder, sondern um einen Roman kümmern. Also beschlossen wir gemeinsam, Katharina als Nachfolgerin zu Stadt Land Mama zu holen. Mittlerweile ist die Motivation, eine Art Magazin zu bieten, wir sind beide Journalistinnen und führen kein Tagebuch, sondern interviewen spannende Leute oder schreiben mal über Beobachtungen, es ist viel Abwechslung da.
Für uns sind die Reaktionen der Leser eine große Motivation, aber eben auch, dass Stadt Land Mama uns als Visitenkarte dient. Wir haben schon den ein oder anderen Job darüber bekommen. Mir, die ich in meinem Home Office sitze, bietet das Blog auch einfach die Chance, sichtbar zu bleiben.
Welche Blogs liest Du selber gerne?
- Der kleine Muc² (heißt jetzt: double travel)
- Von guten Eltern
- inFemme unterstellt
- Andrea Harmonika
- Kaiserinnenreich
- Mevme
- Weddinger Berg
- Glücklich scheitern
- Mama Mia
- Ohhh Mhhh
- Dasnuf
- Mamamiez
- Lillys Diary
- The Parker Five
- Und auch Frau Mutter, BerlinMitteMom, Me Supermom, Familienbetrieb, Butterflyfish, Lucie Marshall, Baby Kind und Meer, Fuckermothers, Slomo, Grosse Köpfe, Herz und Liebe, Der Anfang ist dunkel
- Hauptstadtmutti, Berlin Freckles.
- Natürlich besonders auch MAMA NOTES!
Welche Pläne hast Du beruflich für Dich, wohin geht Deine Reise?
Tja. Wie schon oben gesagt: Das wird eine Überraschung. Es könnte alles so bleiben. Ich bin glücklich mit meinem neuen Job als Autorin der Zeitschrift Eltern und mit meiner Spiegel Online Kolumne Familienfieber und mit Stadt Land Mama und allem drum herum.
Es kann aber auch ganz anders werden. Vielleicht gehe ich irgendwann in die PR oder doch noch zum Fernsehen. Oder ich biete Kurse für müde Mütter an. Oder ich schreib doch noch den Roman. Vielleicht gibt es Stadt Land Mama irgendwann nicht mehr oder es wird richtig groß. Ich kann es nicht sagen.
Liebe Lisa, ganz herzlichen Dank für das Interview!
Hier findet Ihr Lisa im Netz:
www.lisaharmann.de
www.stadtlandmama.de
www.nusenblaten.de
http://www.spiegel.de/thema/familienfieber/
http://www.ergobag.de/blog/post-von-lisa
http://blog.ernstings-family.com/author/gastbloggerin-katharina/
www.eltern.de
Textbeispiele:
Nido: http://www.nido.de/artikel/grossfamilien-reise-suedafrika-teil-3/
Spiegel Online: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/hebammen-haftpflichtversicherung-bedroht-berufsstand-a-966815.html
Welt: http://www.welt.de/vermischtes/article128795219/Die-Kinder-brannten-wie-lebende-Fackeln.html
Bundeskunsthalle: http://www.bundeskunsthalle.de/blog/2014/12/10/wie-war-es-im-all-alexander-gerst/
Bild: http://www.bild.de/news/inland/kind-und-familie/wo-lebt-es-sich-besser-stadt-mama-vs-provinz-mama-in-bild-37772884.bild.html
Känguru Stadtmagazin: http://www.kaenguru-online.de/de/die-pille-danach-bald-rezeptfrei-/___id/4089/themen.html