Nachdem gestern der Nikolaus tatsächlich zu meinen Kindern gekommen ist – wer hätte das gedacht? – kommt er heute auf meinen Blog! Und zwar in Form von der wundervollen Juna im Netz. Ich hatte das Glück, Julia bereits in echt kennen zu lernen, und zwar auf meiner ersten republica. Julia sagt, „Das Netz ist, was Du draus machst“, das ist auch das Motto ihres tollen Blogs. Lest mal bei ihr vorbei. Sie ist ist umwerfend toll, warmherzig, klug und belesen und ich bin stolz wie Bolle, dass sie bei meiner Weihnachtsbloggerei dabei ist.
Jetzt aber Pscht! für die katholisch geprägte und mir dadurch sehr bekannt vorkommenden Nikolausgeschichte von Juna im Netz!
Das Rätsel um St. Nikolaus
Ein Ereignis aus meiner Kindheit, an das ich heute noch häufig denke, ist der Besuch von St. Nikolaus kurz nach meinem siebten Geburtstag. Wir lebten damals in einem kleinen Dorf in der Nähe von Bühl, Baden-Württemberg, und da der überwiegende Teil der Bevölkerung katholisch war, lernten wir den rotgekleideten, Weihnachtsmann-ähnlichen Nikolaus erst später kennen. Bei uns erschien St. Nikolaus in eindrucksvoller bischöflicher Tracht. Und er kam in der Begleitung von Knecht Ruprecht. Vor Knecht Ruprecht, der die bösen Kinder bestrafte, wenn St. Nikolaus einen prüfenden Blick in sein großes Buch der Streiche und Schandtaten geworfen hatte, hatten mein Bruder, mein gleichaltriger Freund Marco und ich jahrelang deutlichen Respekt. Wir waren alles andere als kleine Unschuldsengel und wussten nie, welcher angestellte Unsinn im dicken Buch des Bischofs landen würde. Und wie er den Weg in dieses Buch fände. Verpetzten uns am Ende die eigenen Eltern? Erzählten sie St. Nikolaus, wie wir Matratzen auf die Treppe legten und Indoor-Rodeln spielten? Wusste er, dass wir meinen kleinen Bruder regelmäßig in den Schrank sperrten? Und wie hoch war wohl die Strafe für unser Lieblingsspiel? Wir nannten es „Scheiterhaufen“, und die Idee war im Wesentlichen, alle Spielzeuge im Zimmer auf einem großen Haufen aufzutürmen. Dann tanzten wir johlend um den riesigen Haufen herum und verstanden gar nicht, worüber unsere Mütter sich so fürchterlich aufregten. (Heute ist mir das klar.)
Bis zu meinem siebten Lebensjahr hielt mein Respekt vor Knecht Ruprecht, seiner Rute und dem großen Buch von St. Nikolaus. Dann witterten Marco und ich den Betrug. Schon weit vor Dezember waren wir überzeugt, dass St. Nikolaus und Knecht Ruprecht in Wahrheit nicht zwei, sondern ganz viele Personen in Kostümen waren. Wir vermuteten, dass das große, gefürchtete Buch eigentlich gar nichts enthielt, und erinnerten uns von einer früheren Nikolausfeier an die vielen lachenden Erwachsenen, als Knecht Ruprecht Marco einmal mit seiner Rute bestraft hatte – so grausam würden unsere Eltern nicht sein, bei einer solchen Strafe auch noch zu lachen, dachten wir. Mit detektivischem Spürsinn hatten wir den Schwindel aufgedeckt, und konnten das gemeinsam gefeierte Nikolausfest gar nicht erwarten.
Auf der Feier beobachteten wir die Erwachsenen genau. Als Marcos Onkel und Vater den Raum verließen und kurz danach St. Nikolaus und Knecht Ruprecht zur Tür hereinkamen, nickten wir uns wissend zu. Grinsend und seelenruhig warteten wir die Show der beiden ab, ließen uns unsere Streiche vorhalten, und Marco holte sich gelassen seine erwartete Bestrafung durch Knecht Ruprecht. Denn wir wussten ja genau, um wen es sich bei den beiden handelte. Gerade als Marco mir zuflüsterte, ich solle doch seinen Onkel mal am Bart ziehen, ging die Tür noch einmal auf. Herein kamen – Marcos Onkel und Marcos Vater. Sie begrüßten St. Nikolaus und Knecht Ruprecht, luden die zwei noch auf ein Getränk ein, und lächelten uns zu. Wir aber standen mit offenen Mündern mitten im Raum und staunten.
Heute sehe ich den damaligen Brauch mit anderen Augen und wünsche mir für kein Kind der Welt mehr einen Knecht Ruprecht. Oder einen strengen St. Nikolaus mit einem Buch voller unbekannter Verfehlungen. Aber damals, in diesem Moment, war das vorherrschende Gefühl nicht Angst vor Strafe oder Strenge, sondern ganz einfach Staunen vor einem für uns unlösbar scheinenden Rätsel. Die Weihnachtszeit hatte für uns Kinder immer etwas Magisches, das aus dem Unbekannten entstand – die Überraschungen und Geschenke, die Dunkelheit, die Mitternachtsmesse in der katholischen Kirche, das Buch von St. Nikolaus. Mit großen Augen standen wir vor allem und wussten, irgendwann würden wir die Geheimnisse enträtselt haben. An diesem Abend haben unsere Eltern unser Staunen um ein Jahr verlängert: Der Auftritt der beiden kostümierten Studenten und das Verlassen des Raumes durch Vater und Onkel war von den Erwachsenen geplant. Wie sie sich über unsere Reaktion gefreut haben müssen!
Als große Menschen verlernen wir das Staunen. Und der früher empfundene Zauber der Weihnachtszeit leidet unter den vielen Terminen, der Hektik und der Planung der wenigen freien Tage. Wie schön wäre es da, sich an das Staunen, die Überraschung und das Unbekannte zu erinnern. Und diese Jahreszeit ein kleines bisschen wieder mit Kinderaugen zu sehen.
Euch eine schöne Vorweihnachtszeit!
Danke