Wenn Ihr diese Mutter mit dem gestressten Gesichtsausdruck seht, die Kinder an der Hand mitziehend, die dicke Tasche über der Schulter, „Kommt, Kinder, los. Wir sind gleich da!“ rufend und dicke Pfützen freudlos meidend, dann denkt Euch nichts. Jedenfalls nicht das, was Ihr gerade denkt. Lächelt mir lieber freundlich zu. Das bin ich und ich kann auch echt super sein. Nur jetzt grad nicht.
Working Mum: Gut sein fällt mir schwer
Das Working-Mum-Dilemma ist, keine Zeit für nichts zu haben. Wobei darüber ja mehrere Menschen, auch kinderlose. klagen. Keine Zeit habe ich, weder für den Job, noch den Haushalt, noch die Kinder, noch mich selbst oder gar die Partnerschaft. Ich bin eigentlich ein Vollzeitarbeitsmensch. Dann kann ich mich am besten konzentrieren und kreativ werden. Wenn ich weiß, dass ich in wenigen Stunden wieder los muß, fällt mir das gut sein schwer.
Schlimmstenfalls muß ich das alles auch ohne Auto, zur Straßenbahnstation hetzend bewältigen, damit ich irgendwelche Termine doch noch halten kann. Und sei es nur der Spielplatzbesuch, der sich ohne schnelles Ankommen im kalten Winter nicht mehr lohnen würde. Supermütter haben tolle Spielideen, Normalomütter sind stolz, wenn sie es im Winter auf den Spielplatz schaffen.
Home Office – bitte putzen Sie jetzt nicht
Vormittag bis nach Mittag habe ich telefonierend mit Kunden verbracht, dabei einen Stromzählerableser hereingelassen und ein Paket für die Nachbarn angenommen. NICHT die Küche aufgeräumt, aber eine Wäsche gewaschen. Ich habe meine To-Do Liste abgearbeitet, für einen Text recherchiert und tolles Sachen herausgefunden. Ich freue mich auf den Artikel, den ich darüber schreiben werde und würde am liebsten da weiter machen. Aber keine Zeit. Ich habe einen Auftrag erhalten, mit einem Kunden sehr nett telefoniert und hoffe, dass es zu einer langfristigen Zusammenarbeit führen wird. Als ich mir 30 Minuten vor Aufbruch Nudeln mit Gemüse auf die Schnelle kochen wollte, rief ein Kunde an und diskutierte einen potentiellen Auftrag. Orrr…. Also habe ich nichts gegessen und bin zu spät dran.
Schnell die Turnsachen für die Tochter gepackt, den Kids und mir Brote geschmiert, Äpfel und Schälmesser rein, die rosa Schläppchen nicht vergessen und losgehastet. Der Mann hat das Auto, weil er heute einen Kundenbesuch hat, also zu Fuß. Für den Fahrradanhänger sind die Kinder zu groß und zu schwer und das Wetter zu kalt und zu windig. (Und ich zu unsportlich.)
Während des Laufens die Kita angerufen und gebeten, die Tochter runter in die Gruppe des Sohnes zu schicken, damit ihre Gruppe nicht schon mit der Snackzeit beginnt, während der ich sie nicht abholen könnte. Die Erzieherin gebeten, das Kind schonmal Schuhe und Jacke anziehen heißen. „Aber klar doch!“, so die freundliche Erzieherin.
Weiterhetzen und sich beim Nachwuchs unbeliebt machen
Angekommen steht das Mädel gestiefelt und mit Jacke vor mir. Superkind! Nur Mütze noch schnell holen, ich schnappe den Jungen aus der Gruppe, der protestiert. Hektische Mama mag er nicht. Er bockt. „Kind2, Deine Schwester hat jetzt turnen. Und wir beide gehen ins Spielcafé. Willst Du ins Spielcafé?“ „JA!“ „Dann müssen wir schnell sein. Willst Du Dich beeilen?“ „JA!“. Wunderlicherweise keine Neins und er rennt zur Garderobe. Glück gehabt. Ich ziehe ihn in Windeseile an. Die Turnstunde beginnt genau jetzt und der Sohn beginnt seinen Protest genau vor der Kita: er bleibt stehen und heult.
Zu schnell, alles doof. Ich erkläre. Der Sohn will nach Hause. Den Wunsch kann ich ihm nicht erfüllen und wir beeilen uns weiter. Er mag nicht verstehen, weint und protestiert, aber ich nehme ihn an der Hand und gehe schneller als er das möchte. Denn wenn wir die Straßenbahn verpassen, klappt es wirklich nicht mehr.
Die Straßenbahn saust die Straße runter, als wir um die Ecke biegen. „LOS! RENNEN! WIR SCHAFFEN DAS!“ rufe ich den Kindern zu, die Tochter rennt, der Sohn weint noch lauter. „KÖNNEN SIE UNS BITTE DIE TÜRE AUFHALTEN?!!!!“ brülle ich die Straße runter. Zwei Mal. Niemand reagiert. „Scheisse“ sage ich zu laut. Ein junger Mann erkennt die Situation und stellt sich für uns in die Straßenbahntür. Ich bedanke mich mehrfach, er nickt nur cool.
Das schönste Spielcafé der Welt bringt OMMM in den Tag
Wir kommen endlich beim Turnen an, die Tochter zieht sich in Windeseile um und wird freundlich in der Turnhalle begrüßt. Mich retten die geschmierten Butterbrote, der der Sohn nun alle essen darf. „Das iss für Kind1. Darf iss ihr das geben, wenn sie gleich kommt?“ fragt er und in mir macht sich ein warmes Gefühl breit. Dann gibt es vom Spielcafé Apfelschorle für ihn und ich mache mir einen Kaffee. Weil – schönstes Spielcafé der Welt. Tolle Einrichtung, schöne Spielsachen und leckeren Kaffee. Nur der Internetempfang pendelt zwischen 3G und E. Man kann halt nicht alles haben.
Heute ist ein guter Tag im Spielecafe. Vielleicht wegen des schlechten Wetters, jedenfalls sind heute wenige Kinder da. Während des Turnunterrichts der Tochter sind wir 3 Erwachsene und 5 kleine Kinder. Später gehen alle und wir sind mit 3 Kindern und 2 Erwachsenen allein. Diese Ruhe!
Es bleibt so entspannt, auch als später eine Horde Einjähriger kommt. Die Kinder sind im Flow und spielen wie verrückt, die anderen Erwachsenen rennen ihren Einjährigen hinterher, aber ich sitze mit Handy auf der Bank, twittere ein bisschen, snacke mit den Kindern und schaue ihnen beim Spielen zu.
OMMM!
Irgendwann am frühen Abend gehen wir nach Hause. Der Regen hat aufgehört und die Kinder springen in jede Pfütze, die sie sehen. Manche Passanten lachen laut auf, weil der kleine Sohn mit so viel Verve in das Wasser plitscht. Jetzt habe ich Zeit. Sie dürfen hüpfen so lange sie wollen. Wir besprechen Zaubersteine, Zauberstäbe, den nächsten Schwimmbadbesuch und dass wir alle Drachen sind. Im Hoppserlauf rennen wir auf unsere Haustür zu und Kind1 singt die ganze Zeit „36 Grad und es wird immer heisser, 36 Graaaahahahad…“ Wir kommen als fliegende Feen zu Hause an. Selbst der Protest wegen Jacke aufhängen und Hände waschen fällt aus.
Achso. Also der Papa nach dem Sandmännchen die Tür reinkommt, wird laut gejuchzt und gehüpft. Nein, das passiert mir nie, auch nicht, wenn ich mal ein paar Tage in Berlin war, was letztes Jahr mal vorgekommen ist.
So ist das mit diesen Normalomüttern. Manchmal sind sie echt doof und hektisch, finden die Kinder. Und dann kann man doch ganz gut mit ihnen abhängen und Quatsch machen, denke ich.
Sagt die Tochter später: „Siehste, Mama. Das war doch noch ganz schön heute. Ein bisschen zu spät ist nicht so schlüümm.“
Weitere Texte zum Thema Vereinbarkeit, normale Mütter und Superpapas findet Ihr bei Runzelfüßchen.
Und hier ist auch eine Blogparade zum Thema Vereinbarkeit und 50/50.
Ich will hier auch so ein Spielcafé! Jetzt sofort! Ich kenne solche Tage… und manchmal denke ich auch „Ohje, was denken die anderen eigentlich von mir?“, wenn ich mal wieder ungeduldig mit den Kindern schimpfe. Man sollte nicht vorschnell urteilen und immer überlegen, welche Geschichte dahinterstecken mag. Wenn ich auf dem Weg zum Kindergarten, den Großen hinter mir herschleife, weil er sich nach dem Anziehen wieder ausgezogen hat (und zwar viermal, weil er es so lustig fand mit mir Fangen im Flur zu spielen) – dann kann man einfach nicht mehr guter Laune sein…
Was für ein toller Text! Ich habe richtig mitgefiebert. Ja, der Alltag – zwischen Terminen und dem Wunsch in Pfützen zu hüpfen. Das kenne ich auch gut. Ich bewundere deine klare Analyse im Verhalten von Kind 2, mir fällt es immer schwer zu erkennen, warum das Kind nicht mitmacht. Auf „Zu schnell, alles doof“ werde ich in Zukunft achten. Eine Erklärung für die Unzufriedenheit zu haben, macht es mir ja schon leichter. Und was für ein tolles Café du da hast. Soetwas gibt es hier wohl nicht, sonst säße ich da sicher jeden Nachmittag!
Danke fürs teilhaben lassen und viele Grüße. Momatka
ein bisschen zu spät ist nicht so schlüümm – da hat sie recht ;) das abhetzen kenne ich und grundsätzlich geht ja an solchen Tagen meist auch noch alles schief, was schief gehen kann. Aber schön, dass ihr hinterher die Zeit zum pfützenspringen und fee-sein hattet. Das ist das, was zählt. Alles richtig gemacht, würde ich sagen!
❤
Ein toller Text. Ein toller Tag! Ich hab ein Bisschen mich selber erlesen….er können dann schön blöd sein und sind doch so toll…. normal und real eben.
Liebste Grüße JesSi
Genau so geht es mir auch oft. Morgens sind wir immer zu spät dran, und das, obwohl wir extra mehr Zeit nehmen. Sobald Papa und ich anfangen zu drängeln, schaltet die Grosse den Rückwärtsgang ein, sozusagen um gegenzusteuern. Das ist durchaus logisch, nur fällt es in dem Moment manchmal schwer, dran zu denken. Ich sage dann zu mir selbst: OMMMMM!
Weißt Du was ich ganz ganz oft bei Deinen Texten verspüre?
Ein intensives Gefühl von „dabei gewesen sein“; ein so großes Verständnis für Deine erlebte Situation, dass es schon fast beklemmend ums Herz wird, so wie jetzt gerade. Ich sehe und spüre förmlich mich, weil es bei uns so oft, so ähnlich, abläuft.
Ich merke, wie oft ich sentimental werde beim lesen solcher Texte, weil wir uns doch alle so viel Mühe geben, eine irgendwie coole Mutter zu sein und auch einen tollen Job zu haben, ein glückliches Leben, für alle, irgendwie zu bewerkstelligen. Und wie oft das so anstrengend ist und man denkt „ich kann einfach nicht mehr“… und wie man dann aber, wie ich z.B., montags auf der Tribüne der Sporthalle sitze und meine Kinder dabei beobachte, wie sie stolz und glücklich durch die Halle fegen, an den Ringen hängen oder über den Bock klettern. Das verschafft mir so ein unglaubliches Glücksgefühl, dass ich fast das heulen anfangen könnte ;-)
Einfach so, weil es so schön ist, zu sehen, wie zufrieden sie sind, weil ich ihnen das jetzt ermöglicht habe usw.
Und du hast so recht damit, wenn Du um Nachsicht bittest, wenn man „solche“ Mütter mit diesem Ausdruck sieht. Denn das bin auch ich. Und ich wurde nicht nur einmal darauf angesprochen „was ist mit dir?…“ Und, ganz ehrlich, ich hasse es. Denn es ist oft nicht freundlich gemeint. Sondern es fühlt sich für mich an, als sei ich dabei ertappt worden, unorganisiert zu sein. Was ich auch oft bin, keine Frage. Denn oftmals ist das Gehetze am Morgen „meine Schuld“, weil ich einfach noch kurz die Zeitung lesen wollte oder doch noch eben irgendwas machen …
Wir sollten alle einfach mit uns selber nicht so hart ins Gericht gehen, das denke ich mir immer wieder. Und wieder. Vielleicht fruchtet der Gedanke auch irgendwann…
Danke für den schönen Text.
Lieben Dank für Deinen schönen Kommentar. <3
Ja, so ist es mit dem geliebten Alltag. Text abgenickt ;-) So fühle ich mich vor allem jeden Morgen, wenn es zur KITA gehen soll. Und jeden Morgen nehme ich mir wieder vor einfach entspannter zu sein und noch früher mit allem anzufangen, damit wir nicht in diese ZEITFALLE tappen…und dann kommt halt der Alltag dazwischen :-( *lol*
Liebe Grüße
Stephi
Ich nenne diesen Zustand „Mutti-im-Schweinsgalopp“und bin froh, dass ich all das haben kann. Wunderbare Kinder, einen tollen Job, einen netten Mann, Hobbies, Freunde, etc. Ich bin reich beschenkt mit einem Leben voller toller Sachen, die mir Spaß machen und da renne ich auch gerne mal zwischen den einzelnen Etappen des Tages ;-)
„Mutti im Schweinsgalopp“…. hahaha, das ist großartig. Das muss ich mir merken! Wunderbar :)
Daaaaanke für den tollen Text!!! Da fühlt man sich gleich besser – anderen geht es auch so und man ist trotzdem eine tolle Mutter – nur in dem Moment vielleicht nicht so, wie man es sich wünscht. Regt auch an, selber die vielen kleinen schönen Momente mehr zu beachten ;-).
Wie so viele hier finde auch ich mich prima in dem was Du schreibst wieder, zumindest war das bis Ende letzten Jahres so. Vom Job nach Hause mehr als eine Stunde mit Öffis und die letzte Straßenbahn, die das Erreichen des stündlich fahrenden Zuges sicherstellt, fährt einem direkt vor der Nase weg… Natürlich meist an den Tagen an denen man mit Kind noch einen Termin hat und pünktlich sein muss. Vom Bus zur Kita, verspätet und gehetzt mit hinterher wehendem Kind zum Termin, erst am späten Nachmittag zu Hause und endlich mal Zeit was zu Essen, denn Mittagessen fällt oft aus.
Das Leben als Berufstätige Mutter ist selbst mit einem Kind oft schon recht stressig und so einiges bleibt auf der Strecke. Trotzdem schaffen wir es doch immer wieder aus der Zeit die wir mit unseren Kids haben das Beste zu machen und trotz allem Stress für die Kleinen am Ende des Tages die beste Mama der Welt oder sogar ein Held zu sein. Und bei jedem „Ich hab dich lieb, Mama!“ wissen wir genau warum wir tun was wir tun :D
Jetzt habe ich den Luxus zu Hause sein zu können und alles ein wenig entspannter anzugehen. Mal sehen wie das wird wenn im August unser dritter Zwerg das Licht der Welt erblickt…
Eins meiner wichtigste Ziele ist es, diese Zeitfallen häufiger zu umschiffen. Nachdem die Kinder mehrmals (fast schon ängstlich) gefragt haben „Sind wir spät dran oder können wir in Ruhe los?“ denke ich, es belastet sie. Manchmal schaffe ich es jetzt schon, kleine Dinge einfach zu streichen und die wichtigen 10 Minuten rauszuholen… und wenn ich dabei etwas verpasse, hat das zumindest noch keine dramatischen Auswirkungen gehabt. Bleibt tapfer ;-)