Diese mehr oder weniger offen geführte Diskussionen über Alltagsrassismus, Indianerkostüme und das N-Wort in Kinderliteratur bringen mir großes Unbehagen. Es wundert mich sehr, wie wenig Offenheit besteht, Gewohnheiten und Liebgewonnenes wie Geschichten, Figuren oder Spiele kritisch zu hinterfragen. Und wie wenig Bereitschaft es zu geben scheint, eigene unbewußt alltagsrassistische Handlungen, egal ob mit Kindern oder nicht, erkennen zu wollen.
Es geht nicht darum, 100%ig gerecht, political correct und empathisch zu sein. Wir sind Menschen und nicht perfekt. Aber immer wieder die eigenen so empfundenen „Normalitäten“ zu hinterfragen finde ich wichtig, sonst ändert sich schlicht nix.
Es wird zu diesem Thema viele Herangehensweisen und Einstellungen geben und gleichzeitig werden sich alle einig sein, gegen Rassismus und den Gebrauch rassistischer Begriffe zu sein. Daher finde ich eine offene Diskussion wichtig.
Ich selbst bin noch mit Begriffen wie „N-Wort“ groß geworden. (Es gibt noch weitere rassistische Wörter, ich bleibe hier im Text beispielhaft bei diesem.) Das waren die 70er und 80er. Erst in den späten 80ern wurde mir (und meiner Familie) erklärt, dass diese Begriffe herabwürdigend sind, was uns natürlich auch einleuchtete. Wissen schafft Bewußtsein.
Das N-Wort in der Kinderliteratur
Ja, ich spreche mit meinen Kindern über die schwierigen und schlimmen Dinge der Welt, sobald uns ein Thema begegnet. Ich werde niemals darum herum reden, wenn es um das Ungerechte dieser Welt geht. Aber ich möchte nicht, dass sie mit rassistischen Wörtern groß werden, nur weil der(die Autor*in das Wort damals (TM) benutzt hat. Ich möchte nicht, dass meine Kinder rassistische Wörter oder Handlungsstränge normal finden, egal wie viel wir vorher und hinterher darüber reden.
Ich möchte meinen Kinder nicht mit Wörtern der Diskriminerung und Ungerechtigkeit konfrontieren, bevor sie fähig sind, solch abstrakte Dinge in Gänze zu verstehen. Ich möchte keine Kinderbücher vorlesen, deren Sprache andere Kinder (und ihre Eltern) verletzt. Daher finde ich die sprachliche Änderung in Büchern wie „Die kleine Hexe“ und „Pippi Langstrumpf“ richtig.
Wörter wie diese sind eine sprachliche Verletzung, auch wenn es „nicht so gemeint“ ist. Denn Sprache beeinflusst unseren Begriff von der Welt. Doch es geht nicht nur um Wörter.
In den Alltagsrassismen sind alle verstrickt, denn wir alle sind damit aufgewachsen. Strukturen und System müssen erst einmal erkannt werden. Und in allem, an denen unsere Kindheitserinnungen und unser Herz hängen, werden ungern angerührt. Das muss aber sein. Von „Darf ich mal Deine Haare anfassen“ zu allem stärker gelocktem, über „Oh ein süßes Schoko-Baby“ bis hin zu „Wo kommst Du denn her?“ – all das zeigt Alltagsrassismus. Es zeigt, wo das Normale und wo „das Andere“, „das Fremde“, „das Nicht dazugehörige“ verankert wird. Menschen mit Migrationshintergrund erfahren ständig ihr „Anders-sein“.
Es mag schmerzvoll und beschämend sein, eigenes Verhalten oder lieb gewonnene Gewohnheiten als Alltagsrassismus anerkennen zu müssen. Eine gute Analyse und Erklärung von Alltagsrassismus liefert das Interview auf Mutterseelenalleinerziehend mit Tupoka Ogette, die weiße Mütter mit schwarzen Kindern berät.
„Erwachsenen“-Literatur und der Wert eines literarischen Originals
Anders verhält es sich bei Literatur übrigens mM nach auch bei Shakespeare, um das vorab diskutierte Beispiel auch aufzugreifen. Die meisten Erwachsenen und jungen Heranwachsende haben sich einigermaßen verortet im ethischen Wertesystem und besitzen Abstraktionsfähigkeit genug, um dazu zu lernen, historischen Hintergrund vor heutigem abzugleichen UND dazu die literarische Kunst des/r Autoren/in zu erkennen. Unter anderem ist das auch die Aufgabe der Literaturwissenschaft. Daher ist mir das literarische Original definitiv wichtig.
Einen Begriff von der Welt haben
Der Gebrauch von Begriffen schafft ein Bewußtsein und eine Folie für Wertesysteme, gerade bei Kindern. Ein Bewußtsein und einen Begriff von der Welt, den man erst später überdenken und hinterfragen kann. Kinder erhalten mit dem Wort, der Redewendung, dem sprachlichen „anders machen“ einen Vorstellung ihrer Welt, inklusive Konnotation eines Wortes, seiner Geschichte und Wertung. Selbst wenn die meisten Eltern ihren Kindern eine offene, freundliche, nicht diskriminierende Welt vorleben, existieren parallel in dieser Welt Alltagsrassismus durch unterschiedliche Begriffe, Figuren, Spiele – mitsamt ihren Konnotationen und Weltbildern. Und genau deshalb finde ich es wichtig, auch alte Gewohnheiten, Traditionen, Brauchtum zu hinterfragen.
Übrigens, die gleiche Selbstverständlichkeit wie für die klassische Vater-Mutter-Kind-Familie mit Mutter zu Hause und Vater im Büro wünsche ich mir für alle anderen Formen von Familie, eingeschlossen die gleichgeschlechtliche Liebe (und sexuelle Identitäten.) Daher bin ich zB immer auf der Suche nach Kindergeschichten, in denen mal die Mutter hauptberuflich tätig ist, Alleinerziehende mit Kindern leben, mit gleichgeschlechtlichen Elternpaaren, usw. Diese ganze 08/15-Nummer finde ich sehr schwierig und unangebracht. Aus diesen Gründen habe ich mit den meisten Kinderbüchern ein ziemliches Problem. Immer wieder dieselben Klischees und Stereotypen und Sexismen! Aber das nur am Rande.
Kulturelle Aneignung und strukturelle Diskriminierung
Thema Native Americans und Kostümierung und Spiele. Es geht um kulturelle Aneignung. Damit habe ich die größten Schwierigkeiten. Ja, ich habe die Tochter Federschmuck basteln lassen und ich lasse sie Yakari schauen, obwohl beides nicht viel mit der Kultur der Native Americans zu tun hat.
Zum Hintergrund: Ich habe kürzlichen diesen Text von Ringelmiez über Indianerkostüme und kulturelle Aneignung gelesen und sehr gut und informativ gefunden. Vorallem bitte auch die Links in dem Text anklicken und lesen. Für mich eine Bildungserfahrung. Viele ärgern sich über den Tonfall aller möglichen Lager in der danach folgenden Diskussion auf den diversen Kanälen. Mir geht es aber um die Inhalte und die Vermeidung von Diskriminierung.
Alltagsrassismus erkennen und vermeiden
Genau das ist das Problem: Das Kind lernt „Indianer“ aus einem rassistischen Blickwinkel aus kennen. Ich finde, dass „Indianer spielen“ selbst ein diskriminierender Akt ist. Nicht persönlich und individuell, denn ja, das spielende Kind ist unschuldig. Aber strukturell und kulturell ist es das.
Spiele sind eine kulturelle Handlung, denn sie existieren immer aus der Gesellschaft und den Wertesystemen heraus. Spiele wie Cowboy- und Indianer Spiele, Krieg spielen, etc. sind daher auch kulturelle Zwangsverletzung, weil sie, wie unsere Sprache auch, den Kindern einen Begriff von der Welt geben – und Projektion von Konnotationen und Wertesystemen sind. Kinder leben im Spiel nicht nur ihre Erfahrung mit der Welt aus, sondern manifestieren sie auch. Daher finde ich es wichtig, Spiel und Sprache nicht unkommentiert zu lassen, wenn das Vorleben (wie beim Indianer spielen) weg fällt. Das Spielverhalten kann sich mit neuem Verhalten (und neuer Sprache) auch ändern.
Ich hadere mit dem Thema und scheitere auch immer wieder am Alltag: Denn klar habe ich den Kindern erzählt, dass nicht jeder „Indianer“ einen Federschmuck trug, wie in „Yakari“, dass schon gar nicht ein kleiner Junge mit einer Feder im Haar herum lief, dass der Federschmuck in echt nicht so aussah, wie der, den wir gebastelt haben. Aber diese Erzählungen interessierten die Kinder (noch) nicht. Zumindest nicht in der Situation.
Ich habe keine Lösung dafür und finde das durchaus problematisch, denn Verbote halte ich grundsätzlich für falsch, weil es dann ein Tabu wird. Das ist nie gut, offene Kommunikation ist viel besser. Ich sehe ein, dass ich mich da inkonsequent verhalte, aber ein Verbot des Federschmuck-bastelns hätte ich in diesem Moment problematischer gefunden, weil Familiendynamik und nur eingeschränktes Verstehen-können auf Seiten der Kinder. Diese Frage habe ich noch nicht für mich beantwortet.
Ethnische Kostüme im Karneval – oder sonstwo
Erleben die Kinder es als kolonialistische Geste, als Aneignung bestimmter Ethnien in Kostümierung oder Spiel? Natürlich nicht. Ich glaube auch, dass die wenigsten Erwachsenen das diskriminierende Potential dahinter erkennen und persönlich niemals diskriminieren wollen. Hier rede ich übrigens nicht von Blackfacing, das geht überhaupt nicht. Aber ein Kostüm als Geisha, Chinese oder Mexikaner…? Rassismus bleibt, auch wenn es nicht so gemeint ist oder gar der Handelnde gar nicht um den rassistischen Kontext weiß. Nur weil etwas als normal in eine Kultur eingeangen ist, heißt es eben nicht, dass der herabwürdigende Gestus den Betroffenen nichts mehr ausmacht oder er gar verschwindet. Es ist wichtig unterdrückende Strukturen zu erkennen.
Ich hoffe, dass ein Bewußtsein für die rassistische Geste dahinter größer wird. Und nein, ich würde meine Kind nicht als Indianer zu Karneval gehen lassen.
Alltagsrassismus vermeiden – dazu lernen und selbstkritisch bleiben
Ja, auch ich war als Kind Indianerin und Zigeunerin zu Karneval. Noch vor einem Jahr fand ich die als Indianerin verkleidete Freundin der Tochter völlig prima. Und noch während das Blackfacing Debakels vor ungefähr zwei Jahren wegen der „Jim Knopf Maskerade“ in Wetten Dass anfing, dachte ich, „Aber Jim Knopf ist doch nur eine Figur. Die Kinder lieben ihn doch. Das ist doch kein Rassismus.“ Erst danach las ich Texte, die mir den Kontext und die Historie erlärten. Außerdem muss man sich auch literaturkritisch fragen, warum der Autor „das Andere“ der Figur Jim Knopf mit einer dunklen Hautfarbe belegt hat. Aber das ist nochmal ein anderer Überlegungsstrang.
Ändert sich Rassismus, nur weil ein Kind ihn ausübt? Ist es immer noch Rassismus, auch wenn man es vorher nicht besser wußte und insofern nicht so meinte?
Was tun, wenn Kinder Federschmuck basteln, Indianer oder Krieg spielen oder sexistische oder sonstwie extreme Schimfpwörter benutzen? Wo fängt Diskriminierung an, wann ist es verletzend? Und wo endet und beginnt Toleranz? Momentan kann ich hier nur mit meinem Bauchgefühl agieren: Einen Federschmuck zu basteln und erklären, dass der bei den echten Indianern anders aussah und auch nicht für alle da war, fand ich ok. Kriegsspiele und Pistolen im Spiel sind für mich nicht in Ordnung und das kommuniziere ich auch. Blackfacing geht gar nicht, Indianerkostüme finde ich ebenfalls unglücklich und würde ich versuchen eine andere Lösung zu finden. (Bisher ist mir das noch nicht passiert, daher Konjunktiv). Schimpfwörter erkläre ich. Ich selbst würde mich in Ethnienkostümen nicht mehr wohlfühlen, möchte aber meine Umwelt zu Karneval mit meinem angelesenen Wissen und Gedanken nicht konfrontieren. Die Situation dann wäre schunkelnd zu Karnegal auch denkbar ungünstig… Wir müssen nicht nur zu Karneval Alltagsraissmus hinterfragen, sondern immer.
Ja, die Grauwerte sind hier sehr schwammig. Lasst uns über die Grauwerte sprechen.
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Bei allem Respekt und der durchschimmernden Ernsthaftigkeit, frage ich mich beim Lesen einens solchen Textes, ob es sich nicht doch um Hyper Political Correctness handelt… Wenn also der Nachwuchs dann nicht einmal im Indianer(Klischee) auf den Fasching/Karneval darf, hoffe ich, dass auch Lederhosen für den Süddeutschen als ebenso überzogenes Klischee tabu ist…
Der Bayer in Lederhosen gilt ja gemeinhin nicht als unterdrücktes Volk. Insofern hinkt der Vergleich für mich.
„Seit 555 ist die Existenz eines bayerischen Stammesherzogtums belegt, das unter den Merowingern Teil des fränkischen Herrschaftsbereichs wurde. Der Sieg Karls des Großen über Bayernherzog Tassilo III. im Jahre 788 markiert das Ende des „älteren Stammesherzogtums“.“ Quelle: Wikipedia. Ernsthaft, Du kommst mit der absoluten Auslegung Deiner Argumentation in Teufelsküche. Das aber nur als private Anmerkung, muss wahrlich nicht mehr frei geschaltet werden, weil ich persönlich denke, dass man viele Blumen blühen lassen sollte. Also: We agree to disagree…
Ich komme in keine Teufelsküche und finde Deine Formulierung etwas arrogant. Aber das meintest Du bestimmt nicht so. Den Verweis auf 788 nChr. finde ich insofern unpassend, als dass ich über Alltagsrassismus schrieb, der heute angewendet wird.
Ich ergänze: Du bist nicht der erste, der mit dem Lederhosenvergleich und den Bayern kommt. Aber hey, echte Diskriminerung, Unterdrückung? Ich verstehe nicht, dass auf diesen Lederhosenvergleich immer so bestanden wird.
Aber gut, lets agree to disagree.
Danke für diesen nachdenklichen Text!
Nach all den Genoziden in den letzten Jahren stellt es mir jedes Mal die Nackenhaare auf, wenn ich Erwachsene vom Cowboy-und-Indianer-spielen schwärmen höre. Ich will das nicht mehr!
Hallo Sonja,
tja, dann oute ich mich noch mal als bekennender Alltagsrassist.
Ich kann das absolut nicht nachvollziehen. Arme Kinder – da bleibt ja zum Verkleiden nicht mehr viel übrig. Kinder ihr Indianerkostüm verbieten wollen – das kann doch jetzt nicht Euer Ernst sein, oder ?
Traurige Dogmatik, wenn Du mich fragst. Damit kann ich nichts anfangen. Ich weiß nicht, wie ich das diskutieren soll.
Meine Vorrednerin spricht dabei sofort von Genozid. Merkt Ihr wirklich nicht, was Ihr da alles an den Haaren herbeizieht ?
Ciao, da bin ich raus,
Grüße
Dirk
Hallo Dirk,
schade dass Du raus bist aus der Diskussion. Trotzdem frage ich mal zurück: Warum bleibt zum Verkleiden nicht mehr viel übrig, das ist ja nun wirklich nicht richtig. Was mich auch interessieren würde: die Tatsache, dass es „den Indianer“; wie es Western-Filme, Winnetou und unsere Karnevalskostüme vorgeben, nie gegeben hat und wir aber diese Vorstellung zurück auf dieses Volk projizieren, kommt Dir nicht auch zumindest übergriffig und ungerecht vor? Abgesehen von der Tatsache, dass die Ureinwohner Amerikas unterdrückt wurden und werden? Das soll kein Vorwurf sein, sondern eine echte Frage: Du ziehst da keinen Zusammenhang?
Grüße, Sonja
Wenn ich ehrlich bin, habe ich zu dem Thema (noch) keinen klaren Standpunkt. Aber gerade deshalb freue ich mich über Deinen Text, da er mir noch einmal einen Teil des Spektrums liefert. Denn dem Grundtenor stimme ich absolut zu: Wir sollten hinterfragen, nachdenken, nachspüren, Meinungen ändern.
Und ich als Wortliebhaber weiß um die Macht der Worte und habe Respekt vor deren Nutzung. Das ist mir im Umgang mit meiner Tochter noch einmal klar geworden.
Generell finde ich, dass es beim Verkleiden darum geht, andere Rollen auszuprobieren. Gerade Kinder sind dabei vorurteilsfrei – sie sind eben genauso gerne Cowboy wie Indianer. Ich frage mich, ob das Nicht-verkleiden, nicht ebenso rassistisch ist? Wäre es nicht toll, wenn ein Kind als Rollifahrer an Fastnacht ginge, weil er den cool findet? Oder käme sich dadurch ein Mensch im Rollstuhl diskriminiert vor?
Was ist mit einer Indianerverkleidung, die nah ans Original rankommt also nicht dem Klischee entspricht? Darf man als Inuit gehen? Ein Mann als Frau? Ab wann ist eine Gruppe Randgruppe genug, um eine Verkleidung rassistisch werden zu lassen? Oder geht es letztlich um die historisch inkorrekte Darstellung? Da stünde ich sofort dahinter. Beim Rest denke ich noch.
Liebe Grüße
Julia
Liebe Julia,
ich denke und frage ja auch noch. Also vielen Dank für Deinen Kommentar. Auf Facebook hat mir jemand folgendes zitiert, die Quelle weiß ich noch nicht:
„So how can you decide what’s an appropriate costume? Two rules of thumb: Stay away from impersonating any culture or race that’s not your own. Even if you have a brilliant idea, it’s almost certainly not going to be worth the trouble.
Second, figure out which way you’re punching. If you’re “punching down”—if the costume makes fun of somebody poorer, less powerful, more persecuted than you—you’re not being funny. You’re being a bully. “Punching up,” meanwhile, is an old, respected form of satire.“
Also es geht schon darum, andere Völker, Hautfarben, Länder, whatever nicht im Kostüm zu vereinnahmen und eben in Stereotype zu pressen. Genausowenig wie es „den Deutschen“ gibt, gibt es „den Indianer“, „den Inuit“, „den Spanier“. Und dann das sich lustig machen, auch wenn das in Kinderkostümen noch nicht so zum Tragen kommt. Ich habe keine Ahnung, wie das mit der Rollifahrerverkleidung ist. Dazu müssten wir wohl einen befragen….
Und ich glaube, es geht nicht nur darum, ob ein im Kostüm dargestelltes Volk mal unterdrückt wurde oder nicht. Das ist wohl ein besonderes Fokus, weil besonders deutlich. Aber ich denke, es geht auch darum, ganze Menschengruppen, egal ob Völker, Ethnien, Rollifahrer, nicht in ein Stereotyp zu pressen?
P.S. Ich habe den Text gefunden, woher das Zitat stammt: http://www.phillymag.com/news/2013/10/28/halloween-dont-racist-jerk/
Da steht auch noch, dass es manchmal tatsächlich schwierig ist zu entscheiden, ob man sich über eine Person / Figur lustig macht oder eher up punshed: In a nation where we have an African American president. Is impersonating him punching up or punching down? It probably depends, but you’ll want to be cautious. Just ask yourself: “Am I going to hurt somebody’s feelings with this costume? If so, is that offense worth it?” And if you still can’t decide, maybe leave the costume at home.
Spannend! Ich habe mir genau dieselbe Frage gestellt. Ob eine Verkleidung als Indianer etc. (bei Kindern) generell als Akt unbewusster Diskriminierung angesehen werden muss oder nicht auch einfach ein Kennenlernen sein kann, wenn man sich dazu austauscht. Schließlich ist der gebastelte Federschmuck ja auch ein Gesprächsanlass. Deine Annäherung an die Frage finde ich sehr gut!
Ein Punkt, an dem ich aber noch hänge – der Stereotyp. Ist das nicht ein wesentlicher Aspekt des Verkleidens? Dass ich eine Person oder Personengruppe auf wenige, augenscheinlich offenkundige Eigenschaften reduziere und diese darstelle, um auch „erkannt“ zu werden? Oder gar Eigenschaften dazu dichte, übertreibe, ins Lächerliche ziehe? Ich denke da gerade an eine Kostümierung als „sexy Krankenschwester“ bei Erwachsenen. Hat wenig mit dem eigentlichen Beruf zu tun und wird sicher nicht von jedem/jeder als witzig empfunden. Ist dann aber okay, weil per se nicht diskriminierend?
Viele Grüße
Lydia
Klischees erleichtern das Leben und schaffen Ordnung. Ordnung hat immer auch mit Hierarchien zu tun. Man stellt sich ohne böse Absicht aus Unkenntnis oder Unbekümmertheit viel zu oft über andere. Über Selbstreflektion kann man an sich arbeiten. Hinweise von Dritten helfen noch mehr: Vielen Dank, Sonja!
Jeder kennt mittlerweile den Spruch „Behindert ist man nicht, behindert wird man.“ Der Begriff war früher ein Standard, erst in Rücksprache mit den Betroffenen wurde manchen das Verletzende des Ausdrucks klar.
Mit dem Wissen, dass viele echte „Indianer“ sich durch unser ahnungsloses Klischees verletzt fühlen, tragen wir für unser Tun auch Verantwortung. Ignoranz kann natürlich darüber hinweg trösten.
Grüße,
Andi
Ich hab das am WE auf einer Party mal im Freundeskreis besprochen. Denen wäre es egal, wenn sich Kinder als Mexikaner, Indianer oder Astronauten verkleiden. Der Freundeskreis auf der Party war übrigens kulturell durchmischt, inklusive Indianerin (ich hab gefragt…ich als Deutsche darf sie so nennen). Ich frage mich daher, ob es nicht sinnvoller wäre den Alltagsrassismus/Diskriminierung mehr dahingehend zu überprüfen, wer sich tatsächlich tagtäglich in meinem Umkreis befindet:
Welche Kinder werden zum Geburtstag eingeladen? (auch die behinderten, schwarzen, dicken, etc.?)
Welche Kinder kommen Nachmittags mit nach Hause?
Welche Eltern aus dem Kindergarten/Schule lädt man zu sich nach Hause ein?
etc….
Wenn das Kind gern mit Bogen und Leder rumlaufen will, gibts ja auch einen Haufen anderer Verkleidungen: Germane (Arminius), Kelte (Langbogen), Waldelf (da können sich nichtmal die Tolkien-Fans aufregen), Steinzeitmensch…
Danke für deine Gedanken und diesen Text!
Danke für deinen großartigen Text. Ich finde mich sehr darin wieder. Auch in den Widersprüchen. Den Text von ringelmiez hab ich auch gelesen und sehr erhellend gefunden. Einiges war mir ja schon bewusst, weil ich mich im Studium viel mit critical whiteness studies beschäftigt hab. Das allerdings die Religion der Native Americans bis 1978 verboten war und somit auch die Symbole dieser, wusste ich vorher nicht. Insofern rückt das für mich diese ganzen Federschmuckdinge in ein anderes Licht. Trotzdem fällt es mir schwer, sowas nicht tragen zu wollen (also nicht den Federschmuck, aber als Jugendliche fand ich diese indianischen Halsbänder immer ganz toll).
Dieses Jahr war es das erste mal sehr unangenehm für mich, mehrere erwachsene Personen als Indianerinnen verkleidet zu sehen. Aber ich wusste auch nicht, wie ich das ansprechen soll, weil es in Ö gefühlt noch weniger Diskussion/Bewusstsein über diesen Genozid gibt.
Umso wichtiger finde ich, dass diejenigen in der Diskussion sichtbar werden, die nicht nur auf der einen oder anderen Seite stehen, sondern, die auch ihre persönlichen Unstimmigkeiten und Fragen verlautbaren, weil Bewusstseinsänderung immer ein Prozess ist. Und das finde ich wiederum, muss den Noch-Nicht-Einsichtigen auch zugestanden werden. Niemand ändert sein Weltbild von einer Sekunde auf die andere komplett. Deshalb auch danke für dein Jim Knopf-Beispiel.
Lieben Dank für Deinen Kommentar. Genau das finde ich auch, dass den noch-nicht oder gar-nicht-Versteher das zugestanden werden muß. Unsere Kultur hat das Indianerspielen oder Jim Knopf lieben noch nie in Frage gestellt. Natürlich sind viele vor den Kopf geschlagen und werden wütend. Habe auch schon wütende Kommentare auf diese Mütter mit ihren Blogs und ihren Moralpredigten (ich war gemeint) gelesen. Dabei will ich natürlich nicht predigen, weil ich selbst noch viele Unstimmigkeiten habe. Letztendlich hat sich das Thema Alltagsrassismus und dass leider auch ich mich nicht davon ausschließen kann, bei Jim Knopf und dem Blackfacing bei Wetten dass erreicht. Ich glaube zeitgleich kam auch #Schauhin auf Twitter. Da kamen meine Rädchen ins Rollen….
Übrigens finde ich dieses „Missionieren“ auf Karnevalsparties, wenn also jemand gerade so einem Kostüm trägt, komplett unsinnig. Lieber parallel zum Geschehen diskutieren. Ist schwer genug.
Ich stimme absolut zu.
Gerade das Indianer-Kostüm ist ja sehr geläufig, logischerweise fühlen sich nun viele angegriffen und werden bissig. Man kann es sich aber nicht immer so einfach machen! Ich weiß sehr genau, dass die Native Americans diese respektlose Kostümisierung nicht zum Spaßen finden und immer wieder dazu aufrufen, ihre Kultur und Traditionen bitte zu respektieren und nicht in den Dreck zu ziehen. Es geht hier, außer Kinderkostüme, noch um Maskotchen und Erotisierungen.
Diese Menschen wehren sich bereits seit so langer Zeit gegen Ausrottung, Diskriminierung und Unterdrückung, weshalb sie über diese Herabwürdigung ihrer Kultur nicht lächeln können.
Wobei sich die Kritik nicht an jene deutschen „Indianer-Freunde“ richtet, welche ehrliches, respektvolles Interesse an entsprechenden Kulturen pflegen und sich gelegentlich in Camps zusammen finden, um das traditionelle Leben bestimmter Stämme auf eine möglichst authentische Weise nachzuspielen. (Das kann man jetzt finden, wie man möchte.)
Das Dirndl-Lederhosen-Beispiel kommt bestimmt zu 90% von Menschen, die sich mit dieser Tradition überhaupt nicht identifizieren. Dagegen gibt es sehr wohl traditionelle Bayern und Österreicher, die sich die sich laut empören, über diese massenhafte Dirndl-Verkleidungen, wo ja nun Oktoberfest-Parties so im Kommen sind.
Dass sich nicht alle Völker gleichermaßen über „Verkleidungen“ aufregen, liegt wohl daran, dass jene Völker, die Rassismus, Diskriminierung, Vertreibung und Ausrottung in der jüngsten Vergangenheit und in der Gegenwart am stärksten erfahren (haben), es eben auch am härtesten trifft, weil viele Stereotype bereits rassistisch belegt sind.
Einen Einwand habe ich jedoch. Yakari (zumindest der Comic) ist, meiner Einschätzung nach, überhaupt nicht rassistisch und bemüht sich, keiner falschen, herabwürdigenden Klischees zu bedienen. Im Gegenteil- Derib (der Autor) ist auf diesem Gebiet ziemlich kompetent und brachte auch Erwachsenen-Comics heraus, welche sehr authentische indianischen Geschichten der Vergangenheit und der Gegenwart erzählen.
Beruflich arbeite ich mit Familien mit Migrationshintergrund und kenne daher den Alltagsrassimus, mit dem sich diese Menschen in Deutschland auseinandersetzen müssen.
Diejenigen von Euch, die Personalverantwortung haben, wie oft habt ihr schon die Unterlagen von Bewerbern zur Seite gelegt, weil der Name eindeutig auf einen Migrationshintergrund verwies? Wenn Ihr einen Termin bei einem Arzt braucht, wo ruft ihr zuerst an? Bei einem Arzt mit Migrationshintergrund oder fragt Ihr doch lieber bei einem deutschen Arzt nach einem Termin? Wenn Ihr Wohnungseigentümer seid, an wen würdet Ihr Eure Wohnung vermieten, wenn sich eine Familie mit Migrationshintergrund und eine deutsche Familie bewerben? Wenn Eure Kinder von Kindern mit Migrationshintergrund nach Hause zum Spielen eingeladen werden und die Mutter ist nicht eine Lehrerin aus dem Irak und der Vater ein Ingenieur von der Elfenbeinküste, sondern die Mutter spricht kein Deutsch und der Vater arbeitet in einer Reinigungsfirma. Seid ehrlich, beschleicht Euch im Innersten ein ungutes Gefühl? Dann soll doch das Kind lieber zu Euch ins Haus zum Spielen kommen, da hat man ja doch mehr Kontrolle…
Ist es dagegen nicht einfach, seinem Kind das Indianerkostüm zu verbieten? Die oben geführte Diskussion hinterlässt bei mir den schalen Beigeschmack, dass wir denken könnten, mit dieser Haltung hätten wir uns nun aber wirklich mehr als genug gegen Rassismus eingesetzt.
Wenn Du damit sagen willst, dass nein, das Verbot eines Indianerkostüm ist nicht genug, wenn es gegen den Alltagsrassismus geht: JA! Absolut. Und vielen Dank für Deine lange Liste von Alltagsrassismen, die wir alle, ich leider mit eingeschlossen, an uns regelmäßig überprüfen und überdenken sollten. Übrigens spreche ich in meinem Text nicht von einem klassischen Verbot, weil sie tabuisieren, sondern von einem Gespräch mit dem Kind und einem möglichen Kompromiss.
Dann ist Prinzessin auch eine Amtsanmaßung die einem Kind nicht zusteht! Am besten du bekommst bitte keine Kinder! Noch nie, weder als „Indianerkind“ noch bei weißer Schaummasse mit Schokoladenüberzug habe ich je an einen Menschen gedacht, den ich verachte oder ihm etwas schlechtes Wünsche. In meinen Augen führen solche Spitzfindigkeiten eher zum Rassismus, als ihn zu verhindern.
Ich weiß, der Post ist schon ein Jahr alt, aber heute genauso aktuell. Gerade lief mir im Hausflur eine (erwachsene) Verwandte meiner Nachbarin als Indianerin verkleidet über den Weg. Sorry, aber für mich geht das gar nicht. Ich weiß, viele schütteln darüber verständnislos mit dem Kopf, aber das sind meist diejenigen, die auch nichts dabei finden, einen Schokokuss mit dem N-Wort zu betiteln. („Das hieß dich schon immer so, das ist doch nicht schlimm, das ist doch kein Rassismus…“). Im Ernst?
Vielleicht bin ich geprägt von meiner Zeit in Kanada – ein Land, das früher den Natives gehörte und den Inuit, sondern auch ein Immigrationsland. In Toronto, der größten Stadt Kanadas, hat ist jeder zweite Einwohner ein Immigrant, d.h. geboren in einem anderen Land. Noch mehr Torontonians haben einen Migrationshintergrund. In einer der multikulturellsten Städte der Welt würde niemand im Traum daran denken, sich zu Halloween als Indianer, Chinese oder Schwarzer zu verkleiden. Das ist ein absolutes No-Go, es ist schlicht und einfach respektlos. Soweit ich weiß, ist dies auch in den USA total inakzeptabel. Und ich sehe das ganz genauso.
Es gibt hunderte andere Kostüme. Andere ethnische Gruppen gehören für mich nicht dazu.
Danke für den Post. Ich finde es wichtig, das mehr dazu gesagt und geschrieben wird, wir brauchen definitiv mehr Aufklärung. Und heute mehr denn je. Ich frage mich übrigens, ob es jemand okay fände, als syrischer Flüchtling zu gehen???
Schöner Artikel! Ich finde, wenn man nicht gerade von Indianischer Abstammung ist, kann man hier schlecht sagen „Ja, ist doch überhaupt kein Problem.“
Man muss sich einfach mal vor Augen halten, dass die indianischen Stämme so lange schon unterdrückt werden, die Frauen dort öfter vergewaltigt werden als Weiße, sie in Armut Leben und in deren Reservaten (die echt klein sind!!!) auch noch gebaut werden soll (???). Und dann kommen hier Leute an und wollen sich als „Indianer“ verkleiden. Es ist für jeden von indianischer Abstammung eine echt krasse Beleidigung. Da gibt’s nichts dran zu bemängeln. Was ist denn schon dabei einfach damit aufzuhören, sich als Stereotypen von anderen Kulturen zu verkleiden?
Werde ich nie verstehen wie andere da noch diskutieren können, dass das doch ok ist.
Schöne Gedanken. Drei hatte ich dazu beim Lesen. 1., wirklich verwundern kann es doch nicht, dass Liebgewonnenes in Frage stellen sehr schwer sein kann. Da braucht es wohl Geduld, leider, ohne die geht es sonst auch nicht weiter. 2., zur Frage wie mit den Kindern darüber reden. Meine Tochter hat ein Buch, in dem sehr wissenschaftlich fundiert über den Alltag amerikanischer Ureinwohner gesprochen wird. Das hilft ihr, sofort zu sehen, wenn ein Klischee davon weit abweicht. Yakari schaut sie trotzdem gern, aber sie weiß von sich aus, dass da nicht viel dran echt sein kann. 3., Oft hilft es bei der Darstellung von Diskriminierung ggü anderen ja, den Blick umzukehren. Wie wäre es denn für uns, wenn ein Mexikaner, Japaner oder Chinese sagt, „diesen Karneval gehe ich als weißer Europäer“. Öhm. Ich glaube, die meisten würden das wenigstens komisch finden. Und sich auch wohl gegen eventuelle Klischees in der Verkleidung wehren wollen. Auf die Art hat man es doch schnell verstanden. So fühlt man sich also umgekehrt eben auch unter Umständen? Und ist noch dazu aus einer geschichtlich benachteiligten Gruppe. Das macht es nochmal deutlich schlimmer, und auch erst zu echtem Rassismus.
Ich finde übrigens die Diskussion über Cultural Appropriation genauso anstrengend in den USA wie hier.
Danke für Deinen Kommentar. Wie heißt das Buch über die amerik. Ureinwohner? Das klingt interessant.