Die Tochter und ich haben uns RR.Käppchen im Jungen Schauspielhaus in Düsseldorf angeschaut. Mit Begeisterung und klugen Tochterfragen.
Die zentrale Stelle im Märchen vom Rotkäppchen sind die Fragen. „Großmutter, warum hast Du so große Ohren?“ „Warum hast Du so große Augen?“ „Warum hast Du so große Zähne?“ „Und warum hast Du so ein großes, großes Maul?“ Irgendwas haben Schauspieler und Regisseur sehr sehr richtig gemacht, denn Fragen und Verständnis fürs Stück sind das, was mein Kind seitdem mit grandiosen Fragen umtreiben.
Das Kind ist seit Oktober sechs Jahre alt. Endlich kann ich mit ihr ins Theater gehen, denn die meisten Stücke sind erst ab sechs. – Was natürlich wiederum nicht ganz stimmt, denn nächste Woche gehe ich mit beiden Kindern (eins davon ist vier) in „Ein Schaf fürs Leben“, das bereits ab vier ist.
Aber nun „Rrr.KKäppchen“ im Jungen Schauspielhaus. Ich mußte spontan an Riot Grrrl denken und war gespannt.
Ein Kindertheater, das Kinder ernst nimmt – Keine Selbstverständlichkeit
Ein Theaterstück für Kinder, das ohne Klamauk auskommt aber dafür mit Witz und Humor. Eine Inszenierung, die ihre jungen Zuschauer ernst nimmt, ihnen etwas, sogar viel, zutraut. Ein Tanztheater, das mit einfachsten Bühnenbild, Kostümen und Props eine spannende und packende Geschichte erzählt. Rrr.Käppchen von Christof Seeger-Zurmühlen und dem Theaterkollektiv „Per.Vers.“ hat zumindest meinen Theatergeschmack voll getroffen. Ich liebe das einfache Theater, das mit wenigen Mitteln Welten und Bedeutung schaffen kann. Am liebsten sind mir Stücke, die mit einem Stuhl auf der Bühne auskommt. Wenn dann etwas passiert, geht es mir sofort unter die Haut. Dann fasst es mich an.
Die Tochter krabbelte während der Aufführung auf meinen Schoß, sah mich immer wieder mit großen Augen an. Mal fragend, mal belustigt, mal vollkommen von dem Neuem geflasht. Ungefähr nach 3/4 der Zeit wollte sie gerne gehen, was in dem kleinen Saal allerdings nicht ging – und ich nicht wollte. Sie sollte ja auch noch das „gute Ende“ mitbekommen. Irgendwie war es ihr zuviel, dabei war das Stück nicht brutal oder gruselig, sondern einfach nur spannend. Es war ihr erster Theaterbesuch und ich verstehe, dass es anstrengend für sie war. Das Stück ist eine dichte Beschreibung von Freundschaft, Empowerment, Kraft und Macht, Intrige und Mut.
Die Bretter, die die Welt bedeuten
Angeblich fand meine Tochter das Stück „doof“. Fasziniert und beschäftigt hat es rotzdem. Gerade eben wollte sie „Zöpfe, wie das Rotkäppchen“ und nach der Aufführung hat sie mich mit Fragen gelöchert. Wie Rotkäppchen vor dem als Großmutter verkleideten Wolf, rang die Tochter nach Verständnis für das, was sie gesehen hatte: „Mama, warum hatte der Mann einen nackten Oberkörper? Warum hat er mit den Brüsten gewackelt? Warum hat er der einen Frau auf den Popo gehauen? Warum hatte die Frau anfangs nur eine Unterhose und ein Unterhemd an? Warum hatten sie und der Mann in der Mitte keine Schuhe mehr an? Warum trugen die alle weiße Sachen? Warum hat der Wolf dem Fuchs den Schwanz abgerissen? Warum hat die Waschmaschine so gewackelt? Und Mama, der Mann hatte so ein Muster auf der Brust, was war das?“ Auch schöne Fragen wie: „Warum willst Du nicht, dass man Deine Brüste sieht? Willst Du auch mal ein Tattoo?“ Aber immer wieder: Warum war der Mann nackt und warum hatte er sich später (als er sich als Hund verkleiden wollte) einen Pullover angezogen?
Wenn das mal keine treffenden Fragen zum Stück sind, dann weiß ich auch nicht. Seht es Euch selbst an, ich verrate hier nicht, warum das alles so war. Aber es sind alle Antworten auf den Schlüssel zum Stück und bin irre stolz auf meine superschlaue Supertochter. <3
Ich habe ihr übrigens noch erzählt, was mir an dem Stück so gut gefiel, die einfachen Kostüme, wie nur mit Tuch und Käppi plötzlich die beiden Frauen Vögel wurden, ein roter langer Handschuh zur Schlange. Wie gut alle gesungen haben und wie athletisch getanzt-kämpft wurde, atemberaubend nahezu. „Hmmmm“, sagte die Tochter nur. „Aber warum hatte die Mutter das Rotkäppchen am Anfang immer wieder festgehalten?“ Ich erklärte ihr, dass die Mutter vielleicht einerseits besorgt war um ihr Kind, sie aber auch zur Großmutter schicken wollte und ihr etwas zutrauen wollte, weil sie andererseits wußte, dass Rotkäppchen das schafft.“ – Ihr ahnt es, oder? Was antwortet darauf mein Kind? „So wie Du, Mama!“ – Ich denke schon seit Tagen darüber nach, wann ich sie zurückhalten will, wenn sie bereits los laufen will, wann ich ihr ungefragt Zöpfe mache, obwohl sie es nicht will. Ich bin ja gewillt zu lernen, ich frage sie am besten mal. „Tochter, warum hast Du das gesagt und wann habe ich übersehen, dass Du schon loslaufen wolltest?“
So versuchen wir beide zu begreifen und zu verstehen, in Relation zu setze und in die eigene Erfahrung zu übersetzen. Die Tochter wundert sich über das viele Neue, die vielen Andeutungen und Bedeutungen, die sie wahrnimmt. Auch wenn sie noch nicht alles zur Gänze verstehen kann – wobei, vielleicht kann sie das ja auch? Das Stück lässt sich auf einfachste Kinderwahrheiten runter bringen, genauso wie es Erwachsene ansprechen kann. Vielleicht auch, weil Macht, Intrige, Ungerechtigkeit, Kraft, Mut und Freundschaft schon im Kindergartenalter bekannt sind. Das ist das Stück also durchaus für aufmerksame Sechsjährige geeignet, aber auch 10 und 12jährige, vielleicht sogar ältere Kinder ist Rrr.Käppchen spannendes Theater.
Dieses Jahr wird das Stück nur noch am 15. Dezember gegeben. Wer in Düsseldorf oder Umgebung wohnt, schnappt Euch Eure Kinder und geht dorthin. Viel Spaß!