Bevor ich Kinder hatte, war es mir egal, dass ich Atheistin bin, aber Weihnachten liebe. Spätestens beim dritten Weihnachtsfest mit Kind wurde mir klar, dass ich nun ein paar gute Erklärungen brauche, wenn ich den Weihnachtszauber erhalten, meine atheistische Natur aber nicht verbergen will.
Es ist nämlich so: Für mich erfüllen das Christkind und die Weihnachtsgeschichte eine ähnliche Funktion, wie der Osterhase und die Eier für die Christen. Sie sind eine Ansammlung ziemlich guter Geschichten aus ziemlich guten Bildern, starken Metaphern und klaren Symbolen. (Achtung, es wird noch richtig kitschig hier!)
Die Weihnachtsgeschichte: Mutter und Kind
Bei meinem ersten Weihnachtsfest als Mutter, war mein Baby 2,5 Monate alt. Für meine verliebten und hormonverlullten Ohren klangen die Weihnachtslieder noch nie so umfassend und wahr. Nie zuvor habe ich realisiert, wie stark dieses Bild „Mutter und Kind“ eigentlich ist. Für welch unermessliche Liebe es steht, für welch enge Bindung und für wie viel Stärke und Hoffnung. Nie zuvor habe ich gewusst, dass man ein Kind derartig bestaunen, bejubeln und anhimmeln kann. Denn all das ist es, das ich fühle, seitdem ich Mutter bin. Seitdem bin ich erstaunt, wie sehr sich die Weihnachtsgeschichte wiederholt, jedes Mal, wenn ein Kind geboren wird.
Die Weihnachtszeit und ihren Zauber habe ich schon immer geliebt. In meiner Kindheit steckte die Vorfreude in jedem Öffnen der Adventskalendertürchen, im Plätzchen backen, Geschichten lesen, Gedichte lernen, Wunschzettel schreiben und Geschenken kaufen oder basteln. Ich habe es geliebt, das Fest der Freude, der Liebe, der Familie und des Zusammenseins zu feiern. Und ja, die Streitereien mit Geschwistern und den Eltern gehörten am Tag des heiligen Abends brauchtumsmäßig dazu. All die Aufregung und Warterei auf das Christkind! Jeder Streit war vorbei, wenn das Glöckchen aus dem Wohnzimmer bimmelte. Das galt übrigens auch dann, als wir schon Teenager waren.
Weihnachten heute ist für mich die Zeit, in der wir uns an eine Geschichte erinnern, die viel von Liebe und Hoffnung erzählt. Eine Geschichte, über die weitere viele schöne Erzählstränge, weitere Geschichten, Bräuche und Rituale geschaffen wurden.
Mein atheistisches Weihnachten
In meiner atheistischen Weihnachtsgeschichte erzähle ich, wie einmal ein Mann und seine schwangere Frau des Nachts unterwegs waren. Sie suchten einen Unterschlupf und fanden ihn schließlich in einer ziemlich einfachen Behausung: in einem Stall. In dieser Nacht war der Himmel besonders hell erleuchtet. Sterne über Sterne funkelten am Himmel. Und ein Stern, der besonders hoch stand und besonders hell leuchtete, schwebte genau über dem Stall. Ich erzähle, wie die Frau dann in dieser Nacht, in diesem Stall, ein Kind gebar. Ganz allein gebar sie das Kind, ohne Hebamme, ohne Ärzte. Welch Glück, dass alles gut ging! Meine atheistische Weihnachtsgeschichte ist die Geschichte einer Geburt. Sie erzählt von einem winzigen schutzbedürftigen Baby und einer mit Sicherheit sehr erschöpfte Mutter im Stall. Sicherlich war es sehr kalt und bestimmt auch zugig. Egal wie unbequem es gewesen sein mag, die Freude über das geborene Kind war, wie bei jedem Kind, besonders groß. Diese Freude ließ die Engel im Himmel jubilieren.
Äh, Halt! Warum gibt es Engel in meiner atheistischen Weihnachtsgeschichte? Nun, es gibt doch auch Märchen von Zwergen, Elfen und Feen, oder?! Das sind Figuren und Sinnbilder für bestimmte Dinge, für Wünsche, Fähigkeiten, Bewußtseinszustände. In diesem Sinne gibt es Engel für mich. Zumindest an Weihnachten.
Die Engel haben die Geburt und das Baby gesehen und singen und musizieren vor Freude. Ich erzähle auch von dem Ochs und dem Esel, den allerersten Babybesuchern, die das Baby mit ihrem Atem wärmten. Und nicht zuletzt erzähle ich von der Liebe der Mutter für ihr Kind. Und von der Liebe des Vaters zu seinem Kind. Der Vater ist übrigens der Mann neben der Frau im Stroh, nur, falls Ihr Euch fragt. Ich erzähle davon, dass ein Baby ein neues Leben ist. Ein neues Leben bedeutet immer auch Hoffnung. Ganz einfach, weil man dem Baby alles Liebe und Gute und ein glückliches Leben wünscht.
Die Geburt im Stall ist ein Beispiel – ein Brauch gewordenes Beispiel
Natürlich waren die Geburten aller Kinder vor der Stallgeburt schon Anlass für diese besondere Freude. Die Weihnachtsgeschichte verleiht diese Freude über ein neues Kind und ein neues Leben einen einen erzählerischen, bildlichen Ausdruck.
Ich erzähle weiter von dem Mitfreuen und dem Staunen der Hirten und der heiligen drei Königen. Das sind die Babybesucher, die sich alle über die Geburt des Kindes freuen. Denn so eine besinnliche Stimmung und eher leise wenn auch große Freude ist es ja auch, wenn man in ein Haus kommt, in dem ein frisch geborenes Baby wohnt – von seinen Eltern getragen, gewiegt und gekuschelt, von den Besuchern bestaunt und befreut. Schon bevor ich selber Kinder hatte, habe ich das so empfunden bei Babybesuchen: Eine stille, große Freude, ein Innehalten und Staunen. So ist es, wenn man ein neugeborenes Baby besucht. Und so ist Weihnachten.
Freude, Staunen und Liebe für das neue Baby, die frisch gebackene Familie, Ehrfurcht vor dem Leben, das Wunder des Lebens. All das ist Weihnachten. Und darum sind die Geschenke so wichtig. Die Geschenke sind Ausdruck der Freude, die wir empfinden, wenn ein neues Leben geboren wird. Ausdruck der Freude,, die alle Hirten und Engel empfunden haben. Unsere Kinder freuen sich über die Geschenke und wir beschenken unsere Kinder und unsere Lieben, damit sie sich freuen. Das Christkind gibt an Weihnachten Geschenke an die Kinder; die Erwachsenen beschenken sich gegenseitig. Weil das Leben ein Geschenk ist, weil die Liebe ein Geschenk ist und weil Schenken ein besonderes Ritual ist, in dem man etwas von sich gibt aus Liebe und Respekt. Geschenke an Weihnachten lassen diese Freude wieder entstehen, auch wenn gerade kein Kind geboren und vielleicht das Wunder des Lebens etwas verschwunden sind. Es ist schön, sich gemeinsam über Geschenke zu freuen, sie gemeinsam auszupacken, zu bestaunen und auszuprobieren.
Übrigens, ich finde die dramatische Erzählführung der religiösen Weihnachtsgeschichte besonders effektiv: Erstmal nur ein Stall. Enttäuschung. Die Armen! Was kann da jetzt noch kommen, in dieser Nacht? Alles doof im Stall, es ist kalt. Glamour ist das ja nicht. Aber dann kommen die funkelnden Sterne UND jubilierende Engel. Geht mehr Glamour als jubelnde Engel? Nee, oder?
Und warum wir das Fest der Liebe und der Freude über ein neues Leben im Winter feiern, liegt daran, dass der Kerzenschein in dunkler Jahreszeit besonders schön und vielsagend erscheint. Weil Ende Dezember Wintersonnenwende ist und die Zeit des Lichts wiederkommt. Noch beginnt es unmerklich, aber das Licht kommt. Hoffnung auf den Frühling zu Weihnachten, wenn die meisten, mich eingeschlossen, gerade erst Wintergefühl entwickeln. Aber da steckt schon ein Fünkchen Frühling. Der Gedanke vom Licht in der Dunkelheit (Frühling der kommen wird, ist doch unfassbar weihnachtlich.
Weihnachten im Stall
Für mich ist es wichtig, den Kindern Weihnachtsbücher zu schenken, die diese zauberhafte Weihnachtsstimmung transportieren ohne religiös zu sein. In einem anderen Post stelle ich Euch gerne alle unsere Weihnachtsbücher vor, wenn Ihr mögt. Heute möchte ich abschließend von einem besonderen Buch erzählen.
Mein liebste Weihnachtsgeschichte heißt „Weihnachten im Stall. Sie ist von Astrid Lindgren, die in so wenigen Worten und in so einfacher und klarer Sprache Gefühle und Bilder erzeugen kann, dass dies auch kleinen Kindern deutlich wird. Diese Geschichte wurde vor kurzem neu illustriert, etwas modernisiert, wunderbar behutsam und schön. Und obwohl Astrid Lindgren wahrscheinlich gläubig war und diese Geschichte in Gedanken an das neu geborene Jesuskind erzählt hat, geben ihre starken bildhaften Worte Raum für die Bedeutung neben der (nur sanft anklingenden) Religiosität. Das Buch habe ich letztes Jahr gefunden und war sogleich, noch im Geschäft, ergriffen, und berührt.
In den wunderbaren Bildern von Lars Klinting fragt ein Kind seine Mutter nach der Weihnachtsgeschichte. Wir sehen das Kind auf dem Schoss der Mutter in einem gemütlich aussehenden Zimmer. Die Mutter erzählt und die Bilder von Kintling zeigen uns ein junges Paar durch eine verschneite Landschaft wandern. Die Frau ist hochschwanger. Alles ohne Heiligenscheine und in heutiger Kleidung. Wir können sehen, wie schwer das Laufen fällt, wenn wir genau hinschauen. Wir können sehen, wie müde die Frau ist und wie erschöpft sie im Stroh neben die Tieren sinkt. Wir sehen den erleuchteten Sternenhimmel und den besonders hellen Stern über dem Stall. Wir sehen, wie das neugeborene Kind im Arm seiner Mama liegt und gestillt wird. (Welch Rührungsträne dafür, dass das Kind, selbstverständlich, gestillt wird.) Und wie der Vater seine Frau dabei im Arm hält und das Kind anstaunt. Wir sehen die Hirten, die das Baby besuchen kommen. Das Abschlussbild ist das staunende Kind auf dem Schoß der Mutter. Ganz geborgen und gemütlich kuschelt es an ihr, draußen liegt der Schnee und drinnen ist alles so gemütlich, warm und weihnachtlich. Abschließend sagt die Mutter der Rahmenhandlung:
„Denn als dies geschah, war es Weihnachten. Ein Weihnachten vor langer Zeit. Das allererste Weihnachten.“
Ihr Lieben, ich wünsche Euch, dass der Weihnachtszauber über Euch und Eure Familien kommt!
Ein schöner Blogartikel! Ich bin auch gerade am Grübeln, wie ich als Ungläubige die Sache mit Weihnachten anpacke. Denn ich liebe Weihnachten! Mein Kleiner wird erst im Januar 2, daher werde ich dieses Jahr noch nicht viel Fragen zu Weihnachten kriegen. Aber für nächstes Jahr hebe ich mir deine atheistische Weihnachtsgeschichte mal auf, denn die finde ich klasse!
Oh ganz lieben Dank, das ist ja das tollste Kompliment ever, wenn Du sie Dir für Deine Kinder aufhebst. Ich bin gerührt, wirlich <3! Ja, ab 3, also seit letztem Jahr, erzähle ich meine Weihnachtsgeschichte so...
Und wieder sprichst du mir aus der Seele!
Genau dieses Weihnachtsbuch von Astrid Lindgren ist mein absolutes Lieblingsbuch!!!! Mir geht es trotzdem so, dass ich vor jedem Weihnachten neu überlege, wie ich das schaffe, das zu vermitteln, was ich möchte. Und wie ich mit Fragen umgehen soll. Das kommt dann nämlich auch irgendwann. Wer ist Gott? Und was bedeuten diese ganzen Sachen in den Weihnachtsliedern? (Denn an denen hänge ich und die möchte ich einfach singen in der Adventszeit.) Und warum gehen wir nicht in die Kirche und machen beim Krippenspiel mit?