Was der Klamottenstil meiner Tochter mit Jesper Juul zu tun hat? Tja, das will ich Euch erzählen. Denn in dieser Woche ist mir aufgefallen, welch lustige Kleiderwahl sich meine Tochter manchmal zusammenstellt und wie niedlich ist das finde. Sie fühlt sich so wohl in ihren selbstgewählen Kombinationen. Ich bin sehr verliebt in ihren „Style“. Manchmal zieht sie sich Sachen an, die ich ihr auch ausgesucht haben könnte, manchmal sieht es aber sehr besonders und anders aus.
Ich achte nur noch darauf, daß ihre Kleidung nicht zu dick oder zu dünn ist, damit sie nicht zu sehr schwitzt oder friert, alles andere entscheidet sie selbst. Wenn sie es möchte, manchmal wünscht sie auch meine Begleitung bei der Kleiderwahl – diese Woche allerdings nicht. In dieser Woche sind durch einen neuen Second-Hand Kleidersack, der natürlich anprobiert und ausgeführt werden mußte, so niedliche Kombinationen entstanden. Und ich fühlte mich beim Anschauen meiner Tochter so sehr an meinen eigenen Kleinmädchengeschmack erinnert, dass ich ganz gerührt war.
Seit einigen Monaten schon geht sie selbständig an die Schubladen, wählt sich ihre Sachen aus und zieht sich an. Fertig. Anfangs war sie mit dem kompletten Inhalt ihres Kleiderschrankes überfordert, dann durfte sie schrittweise wählen. Ein Kleid! – Ich zeigte ihr zwei Kleider zum Auswhählen. Nach und nach weitere sich ihre Entscheidungsfreudigkeit auch auf die Leggings, die Unterkleidung und Jacke aus, und ich lasse sie machen.
With a little help from … Family Lab
Sie darf sich ihre Kleidung mit aussuchen, seit sie ungefähr 3,5 Jahre alt ist. Zunächst gegen meinen Willen, denn sie versuchte sich viele Wochen lang mit unzählen kleinen Wünschen und Widersprüchen aufzulehnen, bis ich endlich begriff, dass es ihr wichtig ist, ihre Kleidung selbst zu wählen und diesen Aspekt in ihrem Leben selbst zu bestimmen.
Als meine Tochter drei Jahre alt war, wurde es noch einmal sehr schwierig mit ihr und ich hatte Mühe zu verstehen, was sie eigentlich möchte. Ich habe zunächst nicht verstanden, wenn sie sich nach mehr Eigenständigkeit und Selbständigkeit sehnte.
Der Morgen, der Job und der Stress
Weil wir Eltern püntklich im Büro sein mußten und beide Kinder angezogen, gefrühstückt und möglichst bester Laune in die Kita bringen wollten, wurde mir vor lauter Job-Fokus und Stress nicht so schnell klar, worauf es meinem Kind ankam. Jeden Morgen gab es Geheule und Geknatsche über die Kleidung, das Frühstück, alles mögliche. Bis ich eines Tages, ganz aufgewühlt nach dem unschönen Morgen einen Termin bei einer Eltern- bzw. Familienberatung von Family Lab Deutschland machte. Mein Mann und ich waren nur wenige Male dort, weil es für uns auch sehr teuer war, aber diese Beratung gab uns wichtige Impulse.
Ohne im Detail auf unsere Bewußtwerdungsprozesse eingehen zu können (ich erinnere mich auch nicht mehr so genau, denn im Nachhinein liegt vieles so klar auf der Hand), haben wir durch die Beratung verstehen gelernt, dass unsere Tochter ein Stück weit selbst Verantwortung übernehmen und ihren Willen ausleben möchte. Eigentlich etwas, dem wir sehr aufgeschlossen und freudig gegenüberstehen, wir haben es nur nicht richtig erkannt.
In der ersten Zeit haben wir geübt: Wir haben gemeinsam die Kleidung für den nächsten Tag ausgesucht und auf die Kommode im Bad gelegt. Dann konnte sie sich morgens die Sachen nehmen und anziehen – bzw. sich anziehen lassen. Kind1 liebte es noch lange, angezogen zu werden. Auch das war ein weiterer Nerv-Faktor für mich am Morgen, da sie es doch eigentlich konnte und die Zeit immer so knapp war! Für Kind1 schien das aber ein Bedürfnis nach Nähe zu sein, etwas, dass der kleine Bruder jeden Morgen noch erfuhr, da er ja gewickelt und angezogen wurde. Also wollte auch sie dieses elterliche Kümmern und Anziehen haben. Verständlich eigentlich.
Mit der Zeit ging ihre Wahlfreiheit immer weiter
– und sie wählte nicht nur aus den Sachen, die ich ihr zeigte, sondern begann selbst in der Schublade zu wühlen, ob sie nicht noch etwas schöneres finde. Mittlerweile geht sie komplett selbständig ins Bad und zieht sich auch komplett selbständig an. Das Bedürfnis nach angezogen-werden hat sie nicht mehr – und sie fühlt sich gut damit, selbst zu entscheiden. Meistens noch in meiner Anwesenheit, ich soll den Entscheidungsprozess noch begleiten. Zu viel freie Entscheidung mag sie auch nicht treffen. Aber immer öfter macht sie es auch ganz alleine, je nach Tagesform.
Ich bin so froh,
daß wir diesen Krisenherd entdeckt haben und ausschalten konnten. Ich – bzw. wir Eltern – waren vor der Erziehungsberatung einfach zu blind und glaubte, mich dem Kind nicht verständlich genug zu machen, dass es nun wirklich notwendig ist, sich zu beeilen, weil Mama und Papa ins Büro müssen und bla. Dabei wollte mein Kind einfach nur mit-entscheiden, was sie trägt.
Für mich wieder mal ein Beispiel dafür, daß ich lieber genau hinschauen sollte, was das Kind möchte, die Ansätze ihrer Selbständigkeit erkennen ihr Raum geben anstatt mit meinen Vorstellungen im Kopf ein morgendliches Programm abzuspulen.
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Kontakte zu Elternberatung gibt es in jeder Stadt vom Jugendamt, von Einrichtungen wie der Diakonie, beispielsweise oder auch von Family Lab, die viele Berater vor Ort haben.
Wie schön, dass ihr euch Beratung gesucht habt und es euch auch geholfen hat! Ich finde es schon mit einem Kind manchmal sehr schwer, die Bedürfnisse richtig zu erkennen. Dann denkt man irgendwann, Mann hat es raus und Nummer 2 tickt total anders. War bei meinem Bruder und mir auch so.
Tolle Eltern, starkes Mädchen und soo süße Outfits!
Liebe Grüße
Julia