Mama, dein Po wackelt! – Mein Kind kommentiert Körper, entdeckt Schönheit und sich, ich kontere mit Küchentischspychologie. Außerdem erinnere ich mich, wie das damals als Kind für mich war.
Kinderaugen sehen alles. ALLES. Und so werde ich nicht schon seit Jahr und Tag wegen meines gemütlichen, weichen Bauches bekuschelt und gelobt, sondern auch immer mal wieder befragt, warum ich den habe. Die Kindern unterhalten sich. Nicht alle Mamas haben so einen weichen Bauch. Manche haben gar keinen, andere so ein bisschen. Ich nicke und sage, „Stimmt“. Dass wieder andere einen noch größeren Bauch haben als ich, kommt in ihrer Wahrnehmung anscheinend nicht vor. Ich denke mal nicht weiter darüber nach, bewerte die Körperkommentare der Kinder als reine Beschreibungen und freue mich über kuschelnde Kinder.
Wackelpo und Kinderblick
Seit einiger Zeit wird besonders von Kind1 mein Körper genauestens angeschaut und kommentiert. Nicht, dass meine Kinder nicht schon immer meinen wunderbar kuscheligen Bauch kommentiert, und ich möchte ja nicht prahlen, aber auch gelobt haben. Nun sind aber auch meine Haare, meine Wimpern, meine Augenfarbe und was weiß ich nicht noch alles im Gespräch. Da werden meine im Wind besonders buschig aussehenden Haare, meine Haut (rote Flecken und braune Flecken), die Dichte meiner Wimpern („Du hast aber nicht so viele Wimpern wie ich, Mama.“) aufgeführt, es wird die Gesamtzahl meiner Muttermale gezählt („TAUUUUSEND!“) und die Klassiker, Bauch und Po kommentiert.
Ich schwanke zwischen amüsiert sein bis mich beleidigt fühlen und frage mich daher: Ist das Kind gemein? Bin ich zu empfindlich? Ist das die aufkommenden Frühpubertät? Was geht hier ab, eigentlich? Mein Po wackelt nämlich angeblich beim Zähneputzen. Das stellt Kind1 fest und Kind2 kommt herbei gelaufen und kann das bestätigen. Ich habe derweil Zahnpastaschaum und Zahnbürste im Mund, was pädagogisch gesehen sehr wertvoll ist, denn so kann ich nicht, wie ich intuitiv wollte, die Festigkeit meines Pos verteidigen oder beleidigt schmollen.
Dick, dünn, wenig, viel sind erstmal Beschreibungen
Beleidigen wollte das Kind gar nicht, denn der Tonfall war durchaus liebevoll, eigentlich eher neugierig fragend und interessiert. Ich habe das dann mit einem „Das muss so, das ist ein erwachsener Po, die wackeln alle!“ geantwortet und die Kinderlaune damit um einiges gehoben. Nichts ist witziger als wackelnde Pos, probiert das als Eskalationsversuch abends um 19 Uhr mal aus. Das mit dem ins Bett bringen wird witzig, dauert aber. Zurück zum Thema.
Körper dürfen beschrieben werden, ohne dass Eltern sich beleidigt fühlen müssen, finde ich. Trotzdem stehe ich da mit meinem warum auch immer noch verinnerlichten Schönheitsideal von kleinen Popos und Bäuchen und mit jahrelang gehörten Kommentaren und Anforderungen an Frauenkörper und da muss erstmal einiges auseinander halten. Ein sehr oft wiederholtes „Dein Bauch/Po/whatever ist aber DIIIICK!“ kann mich dann doch nerven, auch wenn dicke oder dünne Körperteile bei uns (bisher) nicht bewertet werden in schön, häßlich oder sonstwas. Warum eigentlich und muss ich das als Mutter im Sinne von Body-Positivity abkönnen?
Manchmal guckt mich das Kind aber auch an und redet nachdenklich. Muttermale möchte es später nicht bekommen und Pickel bitte auch nicht. Tja, ganz ehrlich, da fällt mir nichts positives mehr ein. Ich kann nur ehrlich sein. Pickel will ich auch nicht und ich käme auch mit weniger Muttermalen gut zurecht, ändern kann ich das aber nicht so sehr. Genau das erkläre ich dann auch. Und jetzt kommt das mit dem elterlichen Fingerspitzengefühl: Mein Kind soll bei seinen Eltern den Körper beschreiben und ins Gespräch kommen können. Ich glaube mit ihrem Blick auf mich erforscht meine Tochter Körperlichkeit, eine Art von Identitätsfindung und auch so etwas wie Schönheit, Weiblichkeit sowie Erwachsen versus Kind sein. Irgendwann sollte sie aber auch, so finde ich, eine Art Einfühlungsvermögen entwickeln, wann Kommentare über den Körper beleidigend oder weniger gut vertragen werden. Das ist mein Drahtseilakt. Eine positive Einstellung zum Körper zu haben und trotzdem ehrlich bei meiner Befindlichkeit bleiben zu können, wenn es um Kommentare geht, auch wenn sie „nur“ vom Kind kommen, ist in so einer Phase der vielen Körperkommentare gar nicht so einfach.
Ein Erlebnis aus meiner Kindheit
Ich erinnere mich an ein Erlebnis aus meiner Kindheit, in der ich den Körper meiner Mutter ebenso beobachtete und etwas sehr ähnliches zu ihr sagte. Ich glaube, ich war bereits etwas älter und hätte von gewissen Konversations- und Schönheitsnormen wissen können. Mit der Brille hatte ich meine Mutter aber damals gar nicht angeschaut. Es war vielmehr ein unvoreingenommenes Anschauen eines erwachsenen Körpers – und seiner Unterschiedlichkeit zum Kinderkörper. Meine Mutter war damals sauer auf mich und fand meine Äusserung unverschämt. Meine Irritation darüber habe ich nicht vergessen und mir immer vorgenommen, meinen Kindern Kommentare nicht so schnell übel zu nehmen. Den Kinderblick auf meinen Körper darf ich nicht Kommentaren und Idealen verwechseln, die von anderen erwachsenen Menschen an mich herangetragen werden.
Lasst andere Körper doch aussehen, wie sie aussehen!
Der Umgang mit Aussehen, Schönheit und Körperlichkeit ist nicht immer einfach. Für mich nicht, für viele andere nicht. Körper gehören nicht diskutiert oder bewertet. Andere Körper gehen mich schlicht nichts an. Und ich finde auch, dass jede*r die viel zitierten Leggings und kurzen Hosen tragen soll, die sie oder er möchte. Meinen Kindern und mir wünsche ich einen entspannten und egaleren Umgang mit Körperlichkeit, als ich das in meiner Jugend erfahren habe. Einen Umgang, der es erlaubt über Körper zu sprechen aber gleichzeitig nicht über andere Körper zu urteilen. Bodyshaming und Fatshaming passieren in der Gesellschaft (TM) nahezu ständig und überall, auch wenn die Kinder keine Modelsendung schauen und ich mich nicht negativ über meinen oder andere Körper äußere. Sie bekommen Schönheitsideale und Fatshaming mit. Dass Körper unterschiedlich ausschauen und das alles ok ist, versuche ich meinen Kindern zu vermitteln. Wir haben bereits Themen wie Dicksein und gesunde Ernährung durch und die Große ist erst 8. Dennoch, vielmehr genau deshalb, muss es doch möglich sein, dass Kinder sich mit den Eltern über das Aussehen und ihre Körper unterhalten können.
Meine Küchentischpsychologie:
Ich kann mir in flapsig-ernstgemeinter Küchentischpsychologisch durchaus erklären, warum Körper der Eltern so interessant sind. In Kürze: es geht um Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmung und Identität. Also: Das Baby empfindet sich in der ersten Zeit noch als ein Teil seiner Bezugsperson. Für den Säugling ist diese Bindung eins mit zu Hause und Milch und Geborgenheit. Erst nach und nach bekommt das Baby und Kleinkind einen Begriff von sich selbst und vom eigenen Körper. Trotzdem wird bis ins Schulkindalter beobachtet. Wer sieht wie aus? Und werde ich mal genauso? Für meine Küchentischpsychologie ist das eine Identifikations- und Entwicklungsphase. Je älter das Kind wird und je differenzierter und sensibler es wahrnehmen kann, schärft sich auch der Blick und das Einfühlungsvermögen, wie sich das Gegenüber dabei fühlt, für sozial akzeptable Kommentare, für Rücksicht und den Respekt und die Distanz vor anderen Körpern.
Niemand sonst dürfte ungestraft mein Aussehen kommentieren als meine Kinder. Meine mich begutachtenden Kinder irritierten mich zunächst, das muss ich schon zugeben. Was mir wie ein unerbittlich gründlichen Blick vorkommt, will bisher nur erkunden: wie bin ich selbst und wie sehe ich aus?
Meine Irritation war da eher meinem oder „dem“ Schönheitsideal geschuldet als der Be- oder Abwertung der Kinder. Bei näherem Hinsehen gab es nämlich keine Bewertung. Für meine Kinder bin ich einfach nur die Mama. Wie mein Bauch beschaffen ist oder meine Haare, kommt für sie mit dem Gesamtpaket. Das dürfen die Kinder wahrnehmen und beschreiben. Solange Wackelpo und dicker Bauch „kuschelig und lustig“ sind, ist doch alles super.
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Schöner , wichtiger Artikel ! Ich kann hier nur das Buch „Ich so du so: Alles super normal“ empfehlen, in dem es um „Normalsein“ oder eben nicht geht 😊
Ich kann dazu nur sagen dass ich wohl einen Wabbelbauch habe ;-) Das ist völlig okay für mich. Auch fremde Personen werden ab und zu beschrieben, aber völlig wertfrei und ich mache dann wertfrei (vielleicht etwas leiser) mit.
Demletzt habe ich einem fast 4jährigen die praktische Seite des Stilllens gezeigt als ich mein Baby angelegt hatte. Da wurde auch kurz mein Busen „betatscht“. Aber halt aus kindlicher Sicht und daher für mich völlig in Ordnung. Ist für mich eine ähnliche Situation.
Und dann lass Dir mal eine Erklärung einfallen wenn das Baby abdockt, der 4jährige guckt und fragt „und wo ist das Loch wo die Milch raus kommt?“ :-)
Liebe Sonja! Danke für diesen wichtigen und auch witzigen Blick aus Kinder Perspektive auf Frauenkörper.
Hast du den Dokumentarfilm „Embrace“ gesehen, wo es auch sehr stark um Körperwahrnehmung von Frauen geht?
Hier der Trailer:
https://youtu.be/uLYWmd-UNGQ
Den kann ich nur empfehlen. Meine Kinder sind gerade erst 3.5 und 1 aber Fragen und Identitätsstiftung ist sicher hier auch schon in vollem Gange.
Liebe Grüße!
Schöner Artikel! Ich kenne diese Mischung aus amüsiert und gekränkt sein, wenn mein Bauch ist Po „dick“ und jene Brüste „wie schwabbelige Luftballons“ beschrieben werden. Ich versuche da auch erst mal drüber zu stehen. Mal sehen, wie das wird wenn der Kleine noch etwas älter wird… LG Jitka
Ich sagte als Kind mal zu meiner Mum, Mum du bist schon ganz schön dick, ich fands lustig, sie aber auch :D