Mütter unter Druck. Warum müssen sich Mütter ständig erklären und sogar ihren Lebensstil verteidigen? Wer hat wildfremden Menschen erlaubt, eine Mutter und ihre Kinder zu bewerten. Und warum machen die das überhaupt? Laura Fröhlich von „Heute mit Musik“ erzählt. Ich denke, viele von uns erkennen sich daran wieder.
Über die Gastautorin:
Bei Heute ist Musik schreiben Nina und Laura. Sie wollen nicht belehren oder bewerten, sondern ehrliche und authentische Geschichten aus ihrem Familienleben beschreiben. Sie zeigen die ungeschminkte Wahrheit und verlieren dabei nie ihren (Galgen-) Humor, manchmal aber kurzzeitig die Nerven.
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Mütter unter Druck
Wie oft werden Männer eigentlich auf ihren Bauchumfang angesprochen oder sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, sie arbeiteten zu viel und vernachlässigten deshalb ihre Familie? Vermutlich selten bis nie. Warum sich aber Frauen permanent für ihren way of life rechtfertigen oder Hände auf ihrem Babybauch abwehren müssen, ist mir ein Rätsel. Und warum zum Teufel machen sich dazu auch noch Mütter selbst das Leben schwer?
Zum Abschuss freigegeben
Ich habe mir nie etwas draus gemacht, eine Frau zu sein. So lange nicht, bis ich Mutter wurde, und seitdem finde ich es ziemlich unbequem. Das liegt nicht etwa an der umständlichen Art, wie Frauen in der freien Natur ihre Blasen entleeren oder mit Rock aus einem Auto steigen müssen. Es liegt viel mehr daran, dass von dem Tag an, an dem unsere Mitmenschen von unserer künftigen Mutterschaft erfahren, alles anders wird. Anders und schöner wird unser Leben, weil ein kleiner Mensch dazu stößt. Anders und kritischer wird der Blick auf uns: auf einmal sind wir in der Öffentlichkeit zum Kommentar-Abschuss freigegeben und allein die Tatsache, dass wir nun für ein paar Monate mit einer Wassermelone unter dem Hemd und anschließend für viele Jahre mit Kind unterwegs sind, erlaubt es einigen anderen, sich in unser Leben einzumischen – ungefragt, versteht sich.
Streicheln verboten
Mit „wars geplant?“ oder „das hat aber schnell geklappt!“ kommentierten Kollegen meine Neuigkeiten. Der Nachbar fasste mir prompt an den Bauch. Manchmal habe ich mich gefühlt wie ein putziger Golden Retriever. Staunend und wohlmeinend wurde ich betätschelt und zu meinen Körpermaßen befragt. Keiner ließ es sich nehmen, meine Figur, meinen Umfang, mein müdes, gutes oder schlechtes Aussehen in Worte zu fassen und mir vor die Latzhose zu knallen. Auch wenn die Worte meist freundlich waren, fand ich es doch manchmal befremdlich. Ich war nicht mehr einfach Laura, sondern ein knubbeliges Kuscheltier aus dem Zoo, dessen Fortpflanzung in Bezug auf Zeitpunkt und Frequenz auf einmal Gesprächsstoff bot!
Einmischen, ja bitte ?!
Nicht nur mein Aussehen wurde kommentiert. Mein ganzes Leben und die Entscheidungen, die Anton und ich gemeinsam für uns und unser Kind trafen, wurde besprochen. Bekannte und Freunde warnten mich, als sie davon hörten, dass ich nach einem Jahr wieder in meinen Job einsteigen wollte. „So ein kleines Kind braucht seine Mutter“ oder ein „ich könnte das ja nicht“ lauteten die Kommentare zu einer ganz persönlichen Entscheidung.
Studienfachwechsel, Weltreise oder Hochzeit waren in meinem Leben niemals von irgendwem in Frage gestellt worden. Nun wurden alle meine Entscheidungen im Plenum debattiert und jeder hatte etwas zu meinem Lebensentwurf zu sagen.
Rund um die Geburt kamen immer weitere Anforderungen hinzu: bitte natürlich gebären, ohne Schmerzmittel, dafür mit Akupunktur und Globuli. Die Hebamme im Geburtsvorbereitungskurs hätte die Frau des Raumes verwiesen, die Homöopathie in Frage und einen geplanten Kaiserschnitt in Erwägung gezogen hätte. Ich erahne nur, was sich Frauen anhören müssen, die nicht stillen. Vermutlich mischt sich neben dem Bekanntenkreis auch die Busfahrerin und die Gemüsefrau mit Hinweisen auf die Zauberkräfte von Muttermilch ein.
Ist das Kind erst da, geht’s richtig los. Ob es neben mir oder im Kinderzimmer schläft, ich es zu dick oder zu dünn anziehe, ob ich es im Kinderwagen fahre oder in einem Tuch trage, ob ich es auf dem Bauch oder auf dem Rücken zur Ruhe bette – kein Thema, bei dem sich nicht Hinz und Kunz dazu genötigt fühlen, einen sachdienlichen Ratschlag oder gar eine todbringende Verwarnung auszusprechen.
Ein Bild von einer Mutter
Das Bild einer Mutter ist für einen Teil der Gesellschaft mit einem hohen Anspruch verbunden: die Pflichten der Mutterschaft mit einem gütigen Lächeln ausführend, sich niemals beklagend und die eigenen Bedürfnisse zurücknehmend. Sie opfert sich selbst für die Kinder, sie ist immer da und betreut ihre Schar mit Engelsgeduld. Der gelernte Beruf hat ihr mit dem Zeitpunkt der Geburt egal zu werden und der Anblick eines maunzenden Babys lässt ihr Bedürfnis nach Anerkennung, finanzieller Absicherung und einem vernünftigen Gehalt dahinschmelzen wie Eis in der Sonne.
Frauen, die sich das Muttersein anders vorgestellt haben, sich erst an den Schlafmangel gewöhnen müssen und sich im Elternzeitjahr mit Baby auch mal furchtbar langweilen, ernten beizeiten Unverständnis. Kein Wunder, dass sie denken, mit ihnen stimmt etwas nicht, wenn sie mit dem Zeitpunkt der Geburt keine ausufernde Glückseligkeit empfinden. Dass die, die ihren Beruf vermissen, sich selbst für eine schlechte Mutter halten. Eine gute Mutter sehnt sich nicht nach dem Schreibtisch, oder?
Mütter unter sich
Nun müsste man meinen, wir Mütter würden wenigstens untereinander zusammenhalten. Unsere unterschiedlichen Auffassungen von Erziehung akzeptieren, gemeinsam für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz kämpfen und uns darin bestärken, entweder an den Arbeitsplatz zurückzukehren oder zuhause zu bleiben, je nach Wunsch und Möglichkeit. Pustekuchen! Die Mutter ist der Mutter ein Wolf, um einen alten römischen Komödiendichter zu zitieren.
Auf meinem Blog berichte ich, wie das Leben mit Kindern ist: wunderbar, vielfältig, glückselig. Aber es ist auch anstrengend und nervenaufreibend, vor allem dann, wenn ich den ganzen Tag für Haushalt und Betreuung alleine zuständig sind. Darüber zu schreiben und die Tatsache zu benennen, dass die Erziehung und die Fürsorge drei kleiner Kinder kräftezehrend ist, veranlasst Leserinnen zu Kommentaren, in denen sie sich maßlos empört zeigen. Kinder als anstrengend zu bezeichnen ist ein Tatbestand, für den eine Mutter im Netz mehr als nur eine Ladung böser Tweets kassiert. Ich ernte auch Kritik dafür, dass ich mich nach meinem Job als selbstständige Journalistin sehne und traurig bin, umständehalber statt in die Tastatur zu hauen täglich bergeweise Wäsche verarbeite. Mütter sollten bitte den ganzen Tag für ihre Kinder da sein und die Hausarbeit akzeptieren, so lautet der Vorwurf. Hintergründig wird mir unterstellt, deshalb keine gute Mutter zu sein. Dieser schlimmste aller Vorwürfe ist ein K.O.-Kriterium, den sich berufstätige Mütter oft anhören müssen – wohlwissend, dass der unberechtigte Vorwurf immer mitten ins Herz trifft.
Kritikerinnen im Netz
Eine Mutter als einen ganz durchschnittlichen Menschen mit ganz durchschnittlichen Nerven zu akzeptieren muss doch eigentlich selbstverständlich sein. Das Bild von einer allzeit geduldigen und ewig liebevollen Mama, die niemals schreit und schimpft, ist so hartnäckig, dass Ottonormal-Frauen nur scheitern können. Im Internet, in dem sich Frauen gegenseitig anonym kritisieren dürfen, ist der Anspruch besonders groß. Auf ein paar Elternblogs beginnt mancher Text auf folgende Weise: „Neulich auf dem Spielplatz habe ich eine Mutter beobachtet, die ….“ Ohne Skrupel werden Anekdoten beschrieben, in denen andere grandios scheitern. Anschließend hagelt es dann in der Community kräftig Schelte für diese Mama, die dem Bild der bindungsorientiert erziehenden so gar nicht entsprach. Manchmal frage ich mich, was diese Autorinnen sagen würden, wenn sie mich an manchen Tagen auf dem Spielplatz sehen. Ob sie, wenn ich mich mal genervt von meinem Sohn abwende und meine Tochter mit Schokoriegeln versorge, einen Artikel über mich schreiben?
Eine zauberhafte und wahnsinnig humorvolle Frau namens Marlene Hellene hat ein Buch mit dem Titel „Man bekommt ja so viel zurück“(Affiliate Link) geschrieben, in dem sie zum Totlachen komisch berichtet, dass sie ihre Kinder vor den Fernseher setzt, Schokomüsli serviert und manche Fragen eines Dreijährigen mit “eben darum“ beantwortet. Hunderte Mütter zeigten sich so begeistert wie erleichtert, weil auch sie diese sogenannten „Mama-Fails“ tagtäglich begehen und endlich lesen, dass es ok ist. Eigentlich traurig! Wie groß muss der Druck sein, wenn endlich eine ausspricht, was eigentlich völlig normal ist? Es müsste mehr Frauen wie Marlene Hellene geben, die das Bild wieder geraderücken.
Wir können nur verlieren
Ganz ehrlich: wir Mütter können nur verlieren, warum tun wir das nicht wenigstens gemeinsam? Ich habe hier gar nicht den Aspekt erwähnt, dass auch Mütter mit Engelsgeduld für eben diese kritisiert werden. Da faseln dann Mitmenschen was von „Grenzen setzen“. Wenn eben diese Mutter auch noch aus freien Stücken über Jahre zuhause bleibt, darf sie sich die Schelte von der berufstätigen Frauen-Front anhören.
Mein Wunsch für die Zukunft
Ich wünsche mir Menschen, die fremde Schwangere und Mütter mit unerbetenen Ratschlägen verschonen. Die sicher sind, dass Frauen selbst wissen, was gut für sie und ihre Kinder ist. Viele Mütter trauen sich nicht mehr, sich auf ihren eigenen Instinkt zu verlassen. Vielleicht liegt das auch an den vielen Meinungen, die auf sie herabprasseln.
Noch mehr wünsche ich mir aber, dass Mütter zusammenhalten. Dass sie sich gemeinsam gegen unrealistische Anforderungen und Ungleichberechtigung am Arbeitsplatz stellen. Wir sollten die Mütter bewundern, die für ihre Rückkehr in den Beruf kämpfen und uns freuen, wenn sie etwas erreichen. Und wir sollten denen, die zuhause bei den Kindern bleiben möchten zugestehen, ihre eigenen, für sie richtigen Entscheidungen treffen zu können. Lassen wir jede Frau die Mutter sein, die sie sein möchte!
Fangen wir doch bei uns selbst an und glauben, dass die Mutter auf dem Spielplatz, die gerade irgendwas pädagogisch wertloses getan oder gesagt hat, jetzt im Moment mit den Nerven am Ende ist. Klopfen wir ihr auf die Schulter oder holen wir ihr einen heißen Kaffee. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung!
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Ich finde dieses Mutter-Gedöns auch furchtbar. Emanzipation bedeutet ja nicht, irgendwelche Klischees zu bedienen, sondern für sich selbst zu entscheiden, was der richtige Weg ist.
Ich bin zum Beispiel ein sehr zart besaiteter Mensch und musste erst lernen, mich durchzusetzen. Sowohl als Frau als auch als Mutter.
So ähnlich tickt auch unser Kind. Dementsprechend war für sie die Nestwärme sehr wichtig. Natürlich schaut hier im Osten jeder skeptisch, wenn du nicht gleich wieder arbeiten gehst oder wenn du längere Zeit zuhause bleibst.
Dabei ist so eine (weibliche) Entscheidung total individuell. Es gibt kein Richtig oder Falsch.
Mütter sind immer schuldig, egal wie sie es machen. Vor allem bei Erkrankungen der Kinder fällt das extrem auf. Die Rolle des Vaters wird sogar oft ganz außen vorgelassen, obwohl diese Prägung genauso wichtig ist.
Frauen müssen viel mehr zu sich selbst stehen lernen, aber heutzutage wollen so viele in jedem Bereich perfekt sein und das funktioniert einfach nicht.
Wenn ich Sonntags ausschlafen will, darf unsere Siebenjährige früh auch Tablet spielen oder Fernsehen. Die macht das prima und ich sehe keine Probleme darin.
Mir fällt auf, dass Frauen, die ihre Mütter oder Schwiegermütter als Hilfe haben, oft glücklicher sind. Es macht viel aus, wenn die Kinder auch mal abgegeben werden können. Damit man ins Kino oder aufs Festival gehen kann.
Das stärkt auch gleichzeitig die Eltern-Beziehung. Klingt komisch, ist aber so.
Leider wohnen wir ein Stück weit weg von den Großeltern und waren in den letzten sieben Jahren nicht kinderfrei. Allerdings bin ich spät Mutter geworden, und habe mich vorher gut ausgetobt.
Doch um als Frau und Mutter bei sich zu bleiben, muss man auch einfach Erwachsenen-Zeit haben, soziale Kontakte pflegen, Hobbies nachgehen können und sich auf seine eigenen Bedürfnisse konzentrieren. Das ist nur psychische Pflege und davon profitiert auch das Kind. Es lernt so nämlich, dass Abgrenzung und individuelle Lebensweise sehr wichtig sind, um ein selbstbewusster und stärker Mensch zu werden. Das ist meine Meinung dazu.
Danke für diesen Artikel!
Danke für Deinen Kommentar. Ja, so ist es. Abgrenzung, eigene Bedürfnisse, individuelle Lösungen und Hilfe von mehreren. Es könnte so einfach sein ;)