Zeit ist eine merkwürdige Sache. Manchmal wird der Moment und die Gegenwart besonders intensiv, wenn ich daran denke, was nicht mehr ist. Oder wenn ich mir vorstelle, was sein könnte. Wenn sich dann Wehmut, Ziehen im Herz und Sehnsucht einstellt, spüre ich, wie wichtig es für mich ist, den Augenblick mit den Lieben, die ich habe, zu feiern. Wahrzunehmen. Achtsam zu sein. Und dankbar.
Das alles fiel mir gestern auf. Denn irgendwie bin ich schon eine komische Mutter. Dachte ich gestern, mitten im Getümmel nach dem Sankt Martinszug auf dem Hof der Kita. Meine Kinder sind keine Kleinkinder mehr. Das bedeutet: sie sind beim Sankt Martinszug nicht überfordert, sie knatschen nicht, sie laufen nicht Gefahr aus Versehen zu entkommen und auf die Straße zu laufen. Sie wollen nicht gleichzeitig auf den Arm, aus dem Kinderwagen raus oder wieder rein, während der Kinderwagen mir den Weg versperrt, mich zum anderen Kind zu bücken, das deswegen Reißaus nehmen kann. Keine Laternen wurden den Weg lang weinend hinter sich her geschliffen um dann festzusstellen, dass die geliebte Laterne dabei kaputt gegangen ist. Und bei all dem allein, ohne Mann, Freundin, oder Oma. Nein, heute im Gegenteil: Die Kinder liefen super mit, sangen, hielten ihre Laterne hoch, wollten nicht auf den Arm und der Mann war sogar auch dabei. Jetzt, mitten im Getümmel spielten sie Fangen mit ihren Freundinnen und Freunden, es war ein Kreischen und Jauchzen in der Luft. Alle Kinder futterten vergnügt den Kuchen und die Plätzchen derer sie habhaft werden konnten, tranken Kakao. Alles_war_gut.
Ich aber stehe da und freue mich nicht darüber. Ich genieße nicht, sondern ich bin wehmütig. Ich nehme Abschied von genau der Zeit, die jeden Sankt Martinszug zum ultimativen Stressfaktor werden ließ.
Mitten im Fest nehme ich innerlich Abschied
Da habe ich endlich mehr Freiheit, mehr Unabhängigkeit und Entlastung und was ist mit mir? Ich nehme wahr, was nicht mehr ist. Ich nehme Abschied von der Innigkeit, der Nähe, dem gebraucht-werden und der Geborgenheit und Sicherheit, die man mit Kleinkindern so teilt.
Ich denke an die Zeit, die nicht wieder kommt. Anstatt zu feiern, was ist, nehme ich Abschied von dem Stück Muttersein, das für mich vorbei ist. Ich beobachte meine Tochter und ihre Freundinnen. Hinten im Hof haben sie eine Ecke gefunden. Sie necken sich mit den Jungs, rennen herum und spielen. Wie die Mädchen da stehen, lässig in der Ecke an die Wand gelehnt! Die Jungs unschlüssig über den Platz laufend. Ich sehe meine Tochter dastehen, lächeln, sich umblicken, das Haar mit einer kessen Kopfbewegung aus den Augen werfen, kichern und sich mit den Freundinnen augenaufschlagende Blicke zuwerfen. Das alles noch ganz kindlich, befreit, unbedarft.
Aber vor meinen Augen ist eine Brille, sie heißt Pubertät. Ich denke: „Noch ein paar Jahre und sie ist 14! Oh mein Gott! Drogen! Sex! Falsche Freunde!“ Genauso wird sie dann da stehen und schäkern, denke ich. Genauso wird sie die anderen beobachten. Wird sie glücklich dabei sein? Wird sie selbstbewußt und selbstsicher sein oder unsicher und manipulierbar? Fast parallel rüge ich mich für diesen Gedanken. Erstens dauert es noch 8 Jahre bis sie 14 ist und zweitens weiß ich ja gar nicht, wie das sein wird, versuche ich mich zu beruhigen und die Gedanken abzuschütteln.
Trotzdem sehe ich ein junges Mädchen mit ihrer Clique und frage mich, welche Erfahrungen sie wohl machen wird. Wird sie die richtigen Freunde finden, Menschen, die ihr gut tun? Oder wird sie sich blenden lassen von irgendetwas, sich bemühen so zu sein, wie sie nicht ist, wie sie nicht sein kann? Wird sie glücklich und selbstbewußt sein? Und was für eine Mutter werde ich sein? Werde ich loslassen können? Heißen diese Gedanken, die ich jetzt habe, dass ich gar nicht loslassen kann? Bin ich am Ende gar ein Kontroll-Freak, dem die Objekte der Kontrollsucht aus den Fängen gleiten? Vertraue ich meiner Tochter, ihren Weg zu gehen? Misstraue ich mir, die wichtigsten Dinge als Mutter richtig zu machen?
Wenn ich Wehmut dabei verspüre, die Tochter da drüben bei ihren Freundinnen zu sehen und nicht bei mir, dann rührt das nicht daher, dass ich ein Kontrollfreak bin, der das Kind in seinen Klauen wissen will. Denn nichts macht mich glücklicher, als über mein selbständiges Kind zu staunen, das plötzlich gar nicht mehr so klein ist und mit kessen Kopfbewegungen Haare aus den Augen schütteln kann. Ich sehe meine Tochter mit anderen Augen und bemerke, dass sie wächst und gedeiht, dass sie wird und sich entwickelt. „Ihr Kind wächst“, war kurz nach der Geburt mit all den Still- und Zunehmsorgen das Schönste, was ich gehört habe. Sie wächst. Und mich freut das noch immer, ganz tief. Eine Freude, die auch Dankbarkeit ist, Liebe, Stolz, Wundern.
Der Sohn reißt mich aus diesen Gedanken. Er kommt irgendwann im Getümmel auf mich zu. Er ist müde, zufrieden, satt von Plätzchen und glücklich. Er schlingt seine Arme um mich, will auf den Arm, drückt mich so fest und küßt mich herzlich und etwas schmerzhaft für meine Nase ab. Genau das ist es: Ungestüme Liebe, egal wie alt die Kinder sind. Natürlich werde ich noch gebraucht, nur anders, in neuen Momenten und mit anderen Gesten.
Wir sind zusammen, wir sind eine Familie und wir sind auf unserem Weg. Dinge verändern sich, wir verändern uns und genau das ist es, was Familie ist. Sich gemeinsam verändern, dabei zuschauen, beobachten und begleiten.
Manchmal brauche ich nur etwas länger, bis ich verstehe, was ich wirklich meine: „Oh Augenblick, verweile doch! Du bist so schön!“
Au manno, Mamanotes, *schnief*. Mir geht’s genauso, ganz genau SO! Meine beiden sind ein klitzekleines bisschen jünger als Deine, und doch kann ich das, was Du schreibst, sowas von nachvollziehen.
Gestern hier: selber Anlass,gleiche Story!Erst noch Sorgen gemacht wie ich mit beiden Kindern alleine nicht nur das Laternenfest sondern auch noch den Aufbau, für den ich eingeteilt bin, wuppen soll und dann?Der Sohn sammelt selbstvergessen Steine während ich Ballons drapiere und hält später im Dunkeln meine Hand, während die große Schwester mit ihren Freunden tobt und außer fröhlichem Schreien und Qietschen ist nichts von ihr zu sehen. Bis ich irgendwann doch einen Blick erhasche und sehe, wie sie mit ihren Rehaugen zum großen Bruder des Kitafreunds aufblickt und sich beim Fangen spielen die größte Mühe gibt, immer IHN zu erwischen. Da habe ich auch geschluckt und gedacht, sie ist erst vier und das ist alles noch so unbedarft und TROTZDEM sieht man schon zum ersten Mal diese besondere Faszination für einen bestimmten Jungen durchscheinen, die ihr…und mir!… In einigen Jahren schlaflose Nächte bereiten wird!;)
*Snief* sie werden irgendwie viel zu schnell groß. Gestern waren sie noch in unserem Bauch und morgen fahren sie mit dem Auto….