Ich habe das Yeti getroffen, auf meinem Wäscheberg. Das glaubt mir eh keiner, darum schreibe ich die Begegnung mal auf.
„Immer sieht es hier aus wie Sau! Wäsche überall, Spielzeug auch überall. Ich war noch nie eine gute Hausfrau. Immer bin ich so müde. Und diese Wohnung sieht immer noch so furchtbar aus.“
Selbstzerfleischung auf dem Weg durch die Wohnung. All das vor mich hin motzend, schnalle ich mir meine Bergstiefel an, stelle den Kindern noch rasch Brote und Getränke auf den Küchentisch bereit und küsse sie zum Abschied. Ach, schon wieder vergessen, ein Sauerstoffgerät einzupacken. Achselzuckend mache ich mich im Badezimmer an den Aufstieg.
Schnell lasse ich Wanne und Toilette hinter mir. Weiße Punkte auf terracottafarbenen Fliesen. Vom Gipfel des Berges wird es nur noch wie ein Sahneklecks in heißer Schokolade aussehen. Mit ein bisschen Abstand gewinnt doch so vieles an Schönheit, denke ich. Bestimmt ist es das, was Reinhaed May meinte mit „die Freiheit über den Wolken sei so grenzenlos“ und so: Der ganze Dreck so weit weg und es sieht aus wie ein Besuch im Café. Ich seufze, schaue wieder nach oben und klettere weiter. Nur noch ein kleines Stück, dann bin ich oben angekommen.
Ich setze mich oben hin. Verdammt viel zu tun. „Kackmist, elender!“, fluche ich laut. Dann sortiere ich die dreckigen Unterbuxen der Kinder nach links, die Handtücher nach rechts. Erstmal die Basics abarbeiten: Kochwäsche. Ich sortiere, platziere und schichte Körbe voll.
Da! Etwas keucht und rasselt. Bedrohlich baut sich ein Schatten über meiner gebückten Gestalt auf. Ich spüre Kälte im Nacken. Das Tier schaut von oben auf mich herunter. Ich blinzele. Was man auf den ersten Blick für ein lustiges Lama mit Lockenschopf und verschmitzter Miene halten könnte, ist auf den zweiten Blick ein wohlfrisiertes Etwas mit einer Arroganz im Blick, die selbst jedem in der Wüste chillenden Kamel das Blut in der Adern gefrieren lassen würde.
„Ob ich doch besser das Sauerstoffgerät…?“, denke ich.
„Eloquenter fluchen ist ein schönes Ziel“, unterbricht das Tier meinen Gedanken.. „Deine Sache ist das offenbar nicht“, vervollständigt es gehässig seinen Satz.
Im Gegensatz zu einem müden Kamel fängt mein Blut augenblicklich an zu kochen. Blödes Vieh! Was fällt dem eigentlich ein und wer ist das überhaupt!
„Ich fluche doch nicht für Publikum!“ erbose ich mich. Ein Gefühl wie zu unrecht angehupt und die Vorfahrt genommen, macht sich breit. „Was fällt Ihnen eigentlich ein?!“ Meine Stimme wird ungewollt etwas schrill. Ein verächtliches Schnaufen und fieses Grinsen sind die Antwort.
Ich versuche es mit hoheitsvoller Ignoranz und kümmere mich weiter um Kinderunterhosen und Handtücher. Aufreizend nebensächlich kickt das Vieh einen einzelnen pinken Socken mit Glitzerfilly auf meinen weißen Handtücherstapel. Ich blicke wieder hoch. Verächtliches Gezwinker. Fast muss ich lachen. Scheiß Socken aber auch.
„Klappt nicht so mit dem Haushalt, was?“, versucht das Tier es verständnisvoll.
Ich bleibe vorsichtig. „Das ist nur eine Phase“, erwidere ich betont entspannt. „Der Mann hat den Fuß gebrochen, da bleibt alles an mir …“
„Na na na!“ macht das Frisurenvieh und schüttelt missbilligend den Kopf.
„Ich kenne noch die Tshirtwäsche von September, erzähl mir nichts. Ich kenne das blaue Blumenkleid der Tochter mit den rosa Blüten und das dunkelblaue Kleid mit dem weißen Muster von Dir“, seine Stimme scheint zu triumphieren.
Ich gebe vor, nicht hinzuhören.
„Haushalt ist Sisyphos-Arbeit. Mom’s rock. Kennst Du doch“, versucht das Vieh sich einzuschmeicheln. Das liest meinen Blog! Jetzt gefriert mir das Blut in den Adern. Nichts war mir jemals peinlicher. Warum eigentlich?
„Stimmt doch gar nicht!“ entgegne ich lahm.
Plötzlich geht die Sonne unter. Rot mit Gold, so muss das sein. Das Vieh wird längs vom roten Sonnenlicht gestreift und sein Fell glänzt wie karamellfarbenes Kaschmir. Stolz schaute es mich von der Seite unter einer glänzenden Strähne an.
„Wer bist Du überhaupt?!“
„Mein Name ist Yeti,“ sagt das Yeti salbungsvoll und neigt huldvoll sein Haupt.
„Ach komm!“, versuchte ich es spöttisch, aber das Yeti kann spöttischer schauen als ich klinge.
„Doch,“ sagte es.
„Kennst Du Reinhold Messner?“ frage ich und das Yeti lacht silberhell.
„Ja klar. Aber Reinhold mich nicht“, sagt es wichtig.
„Reinhold“, sagt es, als wäre es ein gemeinsamer Bekannter. So machen das wichtige Menschen, die von anderen wichtigen Menschen sprechen. Ich erinnere mich an diverse Jobs, die ich mal hatte, jenseits aller Unterbuxenverantwortung. „Der J.C. kommt später noch“, hieß es dann.
„Reinhold“, wiederholte das Kaschmir-Tier im gleichen Tonfall, und wirft mit einer kontrollierten Kopfbewegung die seidige Strähne aus dem Auge, „Reinhold wünschte, er hätte mich gesehen“. Die Strähne streicht stirnabwärts und bleibt an den langen Wimpern hängen. „Aber er kam nicht hoch genug“, fährt das Yeti fort. „Der Mount Everest ist ein Hügelchen gegen diesen Berg hier“, sagt es, kräuselt divenhaft die Nase und stakst in Richtung Waschlappen davon.
Mir wird etwas schwindelig. Die Kinder rufen „MAMAA!“ und verlangen nach einem Apfel. Ich mache mit den beiden Wäschekörben den Abstieg. Unten angekommen leere ich den Trockner, fülle den nassen Waschmaschineninhalt in den Trockner, befülle die Waschmaschine mit den Kinderunterhosen, schütte Waschmittel in die Schublade und schalte die Maschinen ein.
Das Gebrüll aus der Küche wird lauter. „MAMA!“
Ich drehe mich um, die Kinder stehen an der Tür zum Wäscheraum. Ich streiche mir die zotteligen Locken aus meinem Gesicht.
„Wir wollen einen Apfel!“
„Ok, moment“, sage ich. „Habt Ihr das Yeti gesehen?“
„Du meinst das Einhorn?“ fragt die Tochter. „Das mit den rosa Haaren?“
„Nein, keine rosa Haare.“
„Heute nicht“, sagt die Tochter achselzuckend und hüpft in die Küche.
Hach schön!! Da bekomme ich richtig Lust mich auf meinen nächsten Wäscheberg zu begeben!! :-)
Mal sehn wen ich treffe..
Lass es mich wissen! :)