Wie ich mit dem Kind kurz entschlosssen auf ein Barcamp gegangen bin, wie es gelaufen ist – Und was ich über digitale Veranstaltung ohne Kinderbetreuung denke.
„Moin!“, ruft die Kitaleiterin dem Sohn und mir burschikos zu. Wir stehen vor der verschlossenen Türe der Kita. „Es ist keiner da. Heute ist doch Konzeptionstag.“, sagt sie und zeigt auf das einzige erleuchtete Fenster, hinter dem alle Erzieher*innen sitzen. Ach Mist, stimmt. Da war doch was. Weder der Mann noch ich haben die zur Erinnerung ausgehängten Zettel in der Kita wahrgenommen und somit den Termin vergessen.
Ich bin zum BarcampDUS angemeldet und wollte eigentlich gleich los. Das große Kind ist bereits in der Schule, aber was mache ich mit dem Kleinen? Nette Nachbarinnen oder nicht arbeitende Freunde, die Zeit für mein Kind hätten, habe ich nicht. Der Mann ist bereits mit dem Auto nach Essen zur Arbeit unterwegs. Nehme ich das Kind mit? Erstmal nach Hause, Kaffee trinken.
Nach ein bisschen Überlegen war mir eigentlich schnell klar, dass ich ihn mitnehmen wollte. Nach Hause zurück können wir ja immer noch fahren. Das Kind hatte auch Lust, mit mir auf das Barcamp zu gehen, dort Brötchen zu essen und Sendung mit der Maus zu schauen. So hatte ich es ihm angeboten. Damit ich ihn zwischendurch beschäftigen kann, haben wir ein paar Duplosteine und ein Auto mitgenommen, das hat er sich so ausgesucht. Ich nahm noch mein Laptop und Kopfhörer für ihn mit.
Dann brach Ausflugsstimmung auf und der Sohn und ich machten uns auf den Weg. Er ist 5 Jahre alt, kann sich gut selbst beschäftigen und hält es vor einem Film auch schonmal eine Stunde lang aus. Mit einem beispielsweise dreijährigen Kind würde das nicht so ohne weiteres gehen. Meine Kinder konnten sich in mit drei oder jünger jedenfalls nicht lange vor einen Monitor setzen – oder sich selbst beschäftigen. Ein Tablet für interaktive, altersgerechte Spiele haben wir derzeit nicht. (Das alte ist kaputt).
Auf dem Barcamp angekommen waren wir erst einmal zu spät, alle waren schon im großen Saal versammelt, die Vorstellungsrunde hatte begonnen. Die sehr freundlichen Damen an der Kaffetheke begrüssten das Kind erstmal mit einer Haribo-Mischung und Colafläschchen (die aus Weingummi) und bereiteten uns Kaffee und Früchtetee zu. Der Sohn strahlte Süßigkeiten mampfend und kam sich bei all der Hofierung und dem Verwöhnen vor, wie ein kleiner König.
Meine Hashtags heute
Im Saal kam ich als Nachzüglerin ziemlich schnell dran und stellte mich vor. Bei der Vorstellungsrunde im BarcampDUS stellt man sich meistens mit Namen, dem Twitter-Handle und drei Hashtags vor. Meine Hashtags waren aus gegebenem Anlass: #Vereinbarkeit_von_Familie_Beruf_Kitaschließzeiten_und_der_eigenen_Verpeiltheit #Mamablogssindpolitisch #SocialMedia
Über meinen ersten Hashtag wurde sehr gelacht, als ich klar stellte, dass das ein Hashtag sei. Ich weiß gar nicht, warum ;)
Dann spielte der Sohn zu meinen Füßen mit Duplosteinen.
Kinderfotos auf einem Barcamp? Nur von mir
Nach meiner Vorstellung ergriff einer der Veranstalter, Stefan Evertz, das Wort und erinnerte alle daran, dass zwar die Barcamp-Teilnehmer bei der Anmeldung eingewilligt hätten, fotografiert zu werden, aber dies bei Kindern keinesfalls erlaubt sei. Diese Meinung teile ich ganz unbedingt. Fremde Kinder und Jugendliche zu fotografieren und zu veröffentlichen, geht gar nicht.
Meine Kinder zeige nur ich im Netz, wenn überhaupt. Ich bin Absenderin und habe die Rechte an den Bildern. Ich veröffentliche und wähle nach meinen Regeln aus.
Kinderbetreuung während der Sessions
Seitens des Veranstalters wurde auf allen drei Barcamps in Düsseldorf, auf denen ich bisher war, keine Kinderbetreuung angeboten. Bisher fanden sie am Wochenende statt, dann ist eine Betreuung über die Familie meistens einfacher zu organisieren. Diese Mal war der 1. Tag ein Freitag und prompt hatte unsere Kita zu – und wir hatten es verpeilt.
Hätte ich eine Kinderbetreuung gut gefunden? Natürlich! Dort hätte das Kind freier spielen können, wir hätten uns in den Pausen wieder gesehen, er wäre ggf. auch mal mit mir in einer Session gegangen. Insgesamt hätte das Kind vielleicht länger ausgehalten, als 3.5 Stunden. Ich kann verstehen, dass bei einer Veranstaltung von 200 Leuten nicht unbedingt ein Sponsorengeld für Kinderbetreuung übrig ist. Trotzdem wäre das eine Überlegung wert, gezielt genau nach solchen Sponsoren zu suchen, oder? Schließlich kann man Kinder nicht immer outsourcen und Eltern von kleineren Kindern können diese gar nicht für mehrere Stunden „verlassen“. Da kann eine Betreuung vor Ort helfen. Anderfalls können genau diese Menschen nicht zum Barcamp gehen.
Ich habe es dann so gelöst:
In der ca. einstündigen Begrüßungssession hielt sich das Kind mit Essen und Duplosteinen bei Laune. In den ersten beiden Sessions, die jeweils 45 Minuten lang waren, durfte er Sendung mit der Maus auf dem Laptop schauen. Natürlich gibt es auf dem Barcamp ein Wlan, somit war das kein Problem.
Zwischen den Sessions waren wir mit weiterer Brötchenbeschaffung, Limonade trinken, Pippimachen und später Mittagessen gut beschäftigt. In der Session nach dem Essen spielte er wieder mit Duplo oder saß auf meinem Schoß. Filme schauen wollte er dann nicht mehr.
Er wurde nach 3 Stunden zusehends unruhiger und langweilte sich. Somit lag er auf dem Boden herum, gerade in der winzigsten Session mit nur 8 Teilnehmern, und spielte mit seinem Auto zu „Tsch Tsch Tschschsch!“-Geräuschen. Auf meine Bitte, etwas leiser zu sein, fragte er ganz erstaunt: „WARUUUM?“ – Sprich, die Bereitschaft und das Vermögen, noch weiter so ruhig zu kooperieren, waren langsam erschöpft.
Der Mann konnte es einrichten, noch vor 15 Uhr in Düsseldorf zurück zu sein und holte den Sohn um 14.00 Uhr vom Barcamp ab. Ursprünglich war der Plan war gewesen, dass er um 15 Uhr das Schulkind und danach das Kindergartenkind abholen sollte, um mit ihnen den Nachmittag zu verbringen. Jetzt kam er noch eine Std eher. Wäre das nicht gegangen, hätte ich die nächste Session mit dem Kind draußen spielen gehen müssen, damit er sich mal auslaufen kann. Oder etwas malen oder lesen. Vielleicht hätte ich mit Ach und Krach noch eine weitere Session untergebracht, vielleicht aber auch nicht. Der Barcamp-Tag geht bis 18 Uhr, ich hätte also einiges verpasst.
Ist eine Kinderbetreuung wirklich notwendig?
Was können die Veranstalter dafür, dass ich den Konzeptionstag der Kita verpeilt und mich um keine Extra-Betreuung für mein Kind gekümmert habe? Warum sollen die eigentlich jetzt eine Kinderbetreuung anbieten? Dann können die Eltern mit kleinen Kindern halt mal nicht mitmachen, oder wechseln sich ab. Oder so. Oder???
Einerseits ja. Bei meiner spontanen Verpeiltheit kann kein Veranstalter einspringen, da muss ich mir schon selbst helfen, keine Frage. Je kleiner eine Veranstaltung ist und je allgemeiner sie inhaltlich gehalten ist, (sprich, es ist keine Familienblogger-Veranstaltung), ist es üblich, keine Kinderbetreuung mit anzubieten. Schließlich kostet das Raum und Geld.
Wie könnte eine Kinderbetreuung aussehen?
Je nach Größe der Veranstaltung sieht eine Betreuung und das begleitende Angebot natürlich anders aus. Bei kleineren Veranstaltungen könnte beispielsweise bei der Anmeldung der Bedarf an Kinderbetreuung und auch das Alter der Kinder abgefragt werden. Das Betreuungspersonal müsste meiner Meinung nach nicht zwingend eine ausgebildete Fachkraft sein. Erfahrene Babysitter / Kinderbetreuung einer Babysitterbörse, die zB vom Kinderschutzbund ausgebildet wird, würden mir reichen.
Bei den von mir besuchten Familienbloggerevents waren Sponsoren für Lego/Duplo, Malsachen, Bällebad oder ähnliches zugegen. Auch eine Kooperation mit einem Spielecafé der Stadt könnte ich mir gut vorstellen.
Die Kinderbetreuung auf den Familienblogger-Konferenzen bzw. Treffen wie Wubttika, denkst, oder Blogfamilia (oder auch von Events einzelner Unternehmen) waren zum Teil sehr großartig. Seit 2 Jahren bietet endlich auch das Konferenz-Monster republica einn winzigen Indoor-Spieplatz an, allerdings keine Betreuung. Angesichts der Größe der Veranstaltung ist das deutlich ausbaufähig. Unfassbar gut soll die Kinderbetreuung und insgesamt der Integration der Kinder in die Veranstaltung (!!!) beim Chaos Communication Congress sein.
Auf anderen Barcamps war ich noch nicht. Auf Twitter wurde mir erzählt, dass die Barcamps Stuttgart, Berlin, Rhein Neckar und zB das Literatur Camp Heidelberg seit Jahren Kinderbetreuung anbiete und es gut laufe. Das Barcamp Erfurt will gerade prüfen, ob und wie sie eine solche einrichten können. Wer kann noch von weiteren Barcamps berichten?
Es ist zwar richtig, Kinderbetreuung kostet Raum, Personal und Geld. Ein Raum wäre auf dem BarcampDUS übrigens vorhanden gewesen, zumindest war der eine Raum hinten links immer leer, wenn ich das richtig beobachtet habe. Ich denke schon, dass es möglich gewesen wäre, ein paar Sponsoren für Spielsachen und für 1-2 Betreuungspersonen zu organisieren. Ob sich das für die Veranstalter rechnet, ist sicherlich eine berechtigte Frage.
Deswegen ist meine weitere Überlegung angesichts der Größe des BarcampsDUS kein wirklicher Kritikpunkt, aber eine Anregung:
Keine Kinderbetreuung schließt meistens Frauen aus, die nicht in der Lage sind, eine outgesourcte Betreuung zu finden. In Zeiten von gleichverantwortlicher Elternschaft betrifft das auch immer mehr Männer. (Zum Glück!) Kinder sind zwar ein privates Vergnügen, wenn man so will, aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Kinder existieren nicht nur in Kitas, abgesperrten Spielplätzen oder zu Hause, sondern – haltet Euch fest – überall in dieser Welt. Dass deshalb nicht jede Veranstaltung das Geld sofort für Kinderbetreuung parat hat, ist das eine Thema. Das andere Thema ist, wieso wird eigentlich angekommen, dass eine Kinderbetreuung weder benötigt wird oder nicht Besucher auf die Veranstaltung bringt? Ich glaube ganz klar, dass das so wäre.
Und ist es nicht auch ein bisschen befremdlich, dass eine Veranstaltung wie ein Barcamp gar keine Kinderbetreuung anbietet, obwohl es sich inhaltlich mit Themen wie zeitgenössischen Wirtschafts- und Kulturtechniken, mit Transparenz, Demokratie, Gesellschaftspolitik und Gleichwürdigkeit im weitesten (und oft auch engeren) Sinne beschäftigt? Immerhin muss für das Interesse an diesen Dingen doch eine gewisse Offenheit und Flexibilität im Denken mitgebracht werden, was zumindest die Möglichkeit von Gleichberechtigung und somit auch von einer gleichverantwortlichen Elternschaft mit einschließt. Sprich: die Zielgruppe, die eine Kinderbetreuung benötigen würde, ist da.
Was meint Ihr dazu?
(Das BarcampDUS war ansonsten von der Organisation, der Atmosphäre und den anwesenden Menschen her wieder sehr großartig. Vielen Dank an die Sponsoren und an die Veranstalter, die das ermöglicht haben!)
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Hallo, ich bin selbst Mama und musste grade auf ein Jobangebot verzichten, weil ich eine „Reisetätigkeit“ nicht leisten kann. Ich muss meine Tochter zur Kita bringen und sie abholen, da mein Mann es zeitlich aufgrund langer Autostrecke nicht schafft. Aber ich bin der Meinung, dass das nicht Aufgabe des Arbeitgebers oder in dem Fall hier Organisators ist – sondern Aufgabe der Eltern sich zu organisieren. Es geht halt nicht alles.
Sehe ich auch so, Nina.
Ich verstehe auch den Artikel nicht ganz, alles wird zehnmal wiederholt und eigentlich geht es nur um die Frage, ob ein Barcamp Kinderbetreuung anbieten soll oder nicht *gäääähhhnnnnn*.