Hausaufgaben, Balkon und Social Media
Tag 2 war eigentlich ein oker Tag. Eigentlich arbeiten die Kinder gut mit. Es gab ein Motivationstief, aber ich war Vormittags auch unterwegs und alleine in der Wohnung arbeitet es sich schlecht, so als Grundschülerin und Grundschüler. Ich kaufte ein paar Bücher in der Buchhandlung um die Ecke und erfreute mich an der milden Luft, dem Balkon und dem vergleichsweise wenigen Geschwisterstreit. Eigentlich.
Abends fühlte ich mich trotzdem allein, von der Welt abgeschnitten…. Mir fehlt menschliche, erwachsene Nähe …
Aber dann kam Twitter, Social Media und ein kleines Klavierkonzert von Igor Levit. Beethovens Mondscheinsonate. Diese Musik und einfach diese Geste. So ein großer Künstler, der sich jeden Abend vor eine einfache Kamera setzt und für all die Quarantäne-, Lockdown- und Flatten the Curve-Menschen Klavier spielt…! Aber mal von Anfang an.
Der Morgen
Morgens gegen 6.30 Uhr wache ich auf und checke Mails und Twitter auf meinem Telefon. Eigentlich keine kluge Art wach zu werden, schon gar nicht in der Coronakrise. Aber heute morgen las ich dann die Mail der Lehrerin, dass noch Hefte abgeholt und Gespräche mit ihr geführt werden könnten. Gestern Abend war ich ja um gefühlt 20 Uhr im Bett und hatte nichts mehr mitbekommen.
Wir frühstücken, dann räumte ich Küche auf und machte mich zurecht, während die Kinder schon zwei Pomodori-Einheiten an ihren Sachen arbeiteten. Wir vereinbarten, dass sie noch einmal 20 Minuten arbeiten sollten, dann Pause machen dürfen und ich dann auch bald wieder da bin.
Nach dem Besuch in der Schule kam ich an der Buchhandlung um die Ecke vorbei und kaufte ein paar Bücher für knapp 70 Euro….!
Der menschliche Körper für clevere Kids.
Millie in der Villa Kunterbunt.
Hab geschluckt aber doch bezahlt. Die müssen ja Lesefutter haben, die Kinder. Die Stadtbücherein sind schon zu. Ich befürchte nämlich einen Lockdown, weil alles in Cafes abhängt. Ich erwarte den für nächste Woche. Ich hoffe, ich werde kein Recht behalten.
Ich nehme es jedem persönlich übel, der*die sich in Cafes, Fußgängerzonen oder andere belebten Orte begibt. Euretwegen gibt es demnächst eine Ausgangssperre, Euretwegen werden sich Kinder gar nicht mehr draußen bewegen und austoben können. How dare you! #SocialDistancingNow
— Sonja (@Mama_notes) March 17, 2020
Unterwegs rief ich die Kinder an. Kind2 nahm das Telefonat an: „Mama, wir haben Löcher in die Luft gestarrt weil ich nicht wusste, was ich machen sollte. Und Kind1 auch!“ Er klang zerknirscht. Aber so ehrlich! Ich sagte, es sei nicht schlimm und ich käme jetzt und dann könnten wir mal gucken. „Okeee Mama“.
Mittag
Zu Hause gab es die Nudeln von gestern mit Spiegelei, Falafel gebraten und Gurkensalat. Resteessen.
Schulkram
Gearbeitet wurde auch noch, aber insgesamt nur 1.5 Stunden. Ich begleitete und beobachtete die Motivationsprobleme und versuche mir noch eine Meinung darüber zu bilden.
Bücher, Balkon und Pausen
Ich bin dankbar für den Balkon und das milde Wetter. Wir sitzen auf dem Balkon in Jacken und Stiefeln, Kind1 gießt Blumen. Nachmittags kaufe ich, weil ich sowieso Kekse und Schokolade vergessen hatte, noch ein paar Frühlingsblumen im Supermarkt. Die müssen aber noch aufgehen und wir können beim Wachsen zuschauen. Das ist immer so eine Wohltat.
Die Kinder haben keine Lust, raus und spazieren zu gehen. Ich zwinge niemanden und wir bleiben drin.
Vielleicht war das insgesamt keine gute Entscheidung, denn abends so gegen Abendbrotzeit fällt mir ganz schön die Decke auf den Kopf:
Einen weiteren Erwachsenen zu Hause zu haben, den man gerne um sich hat, miteinder reden, vom Tag erzählen, über sarkastische, schwarze Witze lachen, der sich nicht wundert über Ängste, Stärken, Pläne – und in den Arm nehmen und genommen zu werden. #wasfehlt
— Sonja (@Mama_notes) March 17, 2020
Das Netz als guter Ort
Wenn ich den ganzen Tag nicht schon über Social Media Austausch mit Menschen gehabt hätte, wäre es bestimmt noch schlimmer gewesen. Niemanden treffen zu können ist hart, insbesondere da ich weiß, dass das jetzt erstmal wochenlang so bleibt.
Darum zeige ich, was mich an Social Media heute erfreut und hoch gehalten hat. Es gibt wegen Corona einige spannende Dinge und Angebote im Netz, die zeigen, warum das Netz ein guter Ort ist.
Gedanken in einem Sturm, von dem School of Life Gründe Alain de Botton:
Igor Levit: Die Mondscheinsonate
Von der Mondscheinsonate, die Igor Levit in seinem heutigen Klavierkonzert gab, war ich besonders berührt. Ich fühlte mich in meiner Einsamkeit irgendwie begleitet, durch die Musik. Nicht verurteilt, sondern an die Hand genommen. „Ja, die Einsamkeit ist da, Sonja“. Your pain is real. Und obwohl die Musik immer energischer und verzweifelter wird, energetisiert sie mich auf eine gute Art. Ich fühlte mich seltsam aufgehoben. Vielleicht auch, weil das genau die Geste von Igor Levit ist: Den Menschen, die wegen Social Distancing und Corona zu Hause sitzen und Sorgen haben, sich einsam fühlen, überfordert von dem, was da an existenzbedrohlichen Dingen auf sie zukommt, Klavier vorzuspielen. Musik ist Katharsis. Dieses Twitter-Konzert höre ich seit ein paar Tagen jeden Abend. Mal ist die Musik schwierig und ich kenne sie noch nicht, finde sie sperrig, mal geht sie direkt ins Herz, so wie heute Abend. Aber immer bin ich froh für diesen Kunstgenuss. So ein großartiger Pianist und so eine bescheidene und Menschen zugewandte Geste. Sich an seinem Klavier vor eine einfache Kamera zu setzen und mit seiner Kunst Menschen auf Twitter zu beglücken. Ich spüre wirklich Dankbarkeit. Danke Igor!
— Igor Levit (@igorpianist) March 17, 2020
Unterschiedliche Lesungen und Streamingdienste im Angebot, auch für Kinder. Darunter ist auch Igor Levit aufgeführt:
Diese nützlichen Apps und Programme gibt es gerade kostenlos. Viele Online Lernprogramme gibt es kostenlos, auch ein paar andere Dinge.
Herr Grün kocht vegetarisch für Kinder
Der Podcast Tonspur Wissen mit einigen Folgen zum Thema Corona. Aktuell: Die Wirtschaft, Existenzen, Menschen.
Außerdem gibt es eine Lesung auf Instagram. „Desintegriert Euch“ von Max Czollek:
Die Staatsoper Berlin zeigt täglich eine Aufführung als kostenloses Video on Demand an: staatsoper-berlin.de/de/staatsoper/ Heute: MANON von Jules Massenet, Leitung: Daniel Barenboim.
#LeaveNoOneBehind-Kampagne für Geflüchtete in Griechenland!
Und während wir – vorallem ich – hier sitzen, herumjammern und das unfassbare Previleg haben uns mit Beethoven, lieben Twitterern, Whatsapp Nachrichten von Freunden und Snacks trösten zu können, geschieht (nicht erst seit jetzt) eine unfassbare Katatsrophe an den europäischen Grenzen, beispielsweise in Griechenland. Ich habe mich an der Petition beteiligt. Es ist unfassbar wichtig. Feuer haben in den dicht besiedelten und menschenunwürdig un-ausgestatteten Lagern bereits Menschenleben gekostet. Corona wird dort einfach nur eine Katastrophe sein. Wer hier Angst vor Corona, Ansteckung oder Einsamkeit hat, sollte wenigsten einen Funken lang mitspüren können, wie es diesen Menschen wohl gehen muss. Lasst sie rein, sage ich. Helft!
Dem #Corona-Virus ist egal, welche Hautfarbe, Herkunft oder Religion wir haben. Unsere Antwort darauf muss Solidarität sein – auch mit Menschen auf der Flucht.
— Erik Marquardt (@ErikMarquardt) March 17, 2020
Deswegen haben wir die #LeaveNoOneBehind-Kampagne gestartet. Tragt euch ein und sagt es weiter!https://t.co/u87Ijmxsah pic.twitter.com/znjz7KJWN4
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