Der heutige Gastautor ist ein Garant für lauthalse Lacher, hintersinnigen Humor, vordergründigen Humor, wunderbar witzige Beobachtungen, Selbstironie, Selbstgespräche, Herzenswärme und vorallem für Käsekuchen. Eine Käsekuchenliebe die größer nicht sein könnte, möchte man glauben, wenn man Christians Familienbetrieb, sein famoses Blog, liest. (Alles natürlich Kokettiere vom Herrn Familienbetrieb, ich hab ihn mal in Life und Farbe gesehen.) Fast genauso so goß ist Christians Liebe auch zu den Weihnachtsplätzchen seiner Mutter, scheint es. Überhaupt diese Weihnachtsbräuche. Heute geht es um Kleinode der deutschen Fernsehkultur, weihnachtliches Backwerk und einen sich aufopfernden Sohn, der seinen Vater niemals alleine zurück lassen würde. Schon gar nicht mit diesem Plätzchenteller!
Viel Vergnügen mit dem Familienbetrieb und seinen Weihnachtsbräuchen aus der Kindheit!
Weihachten mit den Drombuschs
Inzwischen habe ich ein Alter erreicht, in dem man es vermeidet, die dazugehörige stigmatisierende Jahreszahl allzu laut zu erwähnen, sondern eher davon faselt, man sei doch immer nur so alt, wie man sich fühlt (Was häufig weniger Verheißung, denn Ausdruck der fatalistischen Resignation ist.). Daher habe ich bereits so viele Weihnachten erlebt, dass es mir allmählich schwer fällt, den Überblick über jedes einzelne Fest zu behalten (Möglicherweise ein Zeichen des fortschreitenden Alterns und dezenter Hinweis, zum Erhalt der Gedächtnisleistung mehr Vitamin-A-spendenden Fisch zu essen und regelmäßig Kreuzworträtsel zu lösen.). Tatsächlich erinnere ich mich weder an ein einzelnes sensationell herausragendes Weihnachtsfest – verbunden mit der Erfüllung eines sehnlich gehegten und endlich erfüllten Geschenkwunsches, wie ihn nur Kinder haben – noch an einen besonders grauenvollen Heiligabend, bei dem der Baum brannte (metaphorisch oder real).
Dafür gibt es jedoch eine Fernsehserie, die ich sehr stark mit Weihnachten verbinde. Und zwar nicht eine der legendären ZDF-Kinder-Serien wie ‚Timm Thaler‘ oder ‚Silas‘, sondern ‚Diese Drombuschs‘. Ja, Sie haben richtig gelesen. ‚Diese Drombuschs‘! Die ARD-Serie mit Witta Pohl und Hans Peter Korff, die ein Darmstädter Ehepaar spielten, deren Familie das Unglück anzog wie der Kuhdung die Fliegen und die mehr Schicksalsschläge ertragen mussten als der biblische Hiob. Ihr Leid wurde eigentlich nur von der Agonie der Zuschauerinnen und Zuschauer übertroffen, welche die Dialoge von fragwürdiger Qualität auf Poesiealbum-Niveau aushalten mussten. Immerhin zog die Serie in den 80er-Jahren aber regelmäßig mehr als 20 Millionen Menschen vor die Glotze. Und zwei davon waren mein Vater und ich.
Als ich ungefähr 13 oder 14 war, pflegten mein Vater und ich nämlich in den freien Tagen nach Weihnachten dieses gemeinschaftsstiftende Ritual des gemeinsamen ‚Diese Drombuschs‘-Schauen. Aus nicht ganz unverständlichen Gründen weigerten sich meine Mutter und mein Bruder, sich uns hierbei anzuschließen. Ebenso lehnten sie es ab, uns das große TV-Gerät im Wohnzimmer zu überlassen. Daher zogen mein Vater und ich mich immer auf mein Zimmer zurück, wo wir uns die Drombuschs auf meinem miniaturesken Fernseher zu Gemüte führten. Wahrscheinlich war das auch besser so, denn Günter Strack, einer der Hauptdarsteller, war ohnehin eine äußerst stattliche Erscheinung und wäre bei einer Bildschirmdiagonale von mehr als 40 Zentimetern nur schwer zu ertragen gewesen.
Essenzieller Teil unseres kollektiven Fernseherlebnisses war der Plätzchenteller, den wir während des Fernsehschauens verputzten (Also, wir aßen das weihnachtliche Gebäck, das auf dem Teller drapiert war, nicht den Teller selbst.). Mein Vater bevorzugte dabei das Berliner Brot, ich griff dagegen hauptsächlich bei Vanillekipferln und Spritzgebäck zu. So blieben Generationskonflikte und Plätzchenverteilungskämpfe glücklicherweise aus. Häufig musste der Teller während der 90 Minuten erneut aufgefüllt werden.
Dazu müssen Sie wissen, dass Mutters Weihnachtsplätzchen die besten der Welt waren und immer noch sind. Und dies schreibe ich nicht, weil der beschönigende Filter der Vergangenheit meine adoleszenten Erinnerungen verklärt, sondern weil es ein objektiver unumstößlicher Fakt ist. Gäbe es eine Weihnachtsplätzchen-Weltmeisterschaft, meine Mutter gewönne sie.
Aber zurück zum Thema. Ich weiß gar nicht mehr, warum wir uns überhaupt die Drombuschs anschauten. Sicherlich nicht wegen der spannenden Handlung, der spritzigen Dialogen oder der großartigen schauspielerischen Leistungen. Möglicherweise dachte mein Vater, er tut mir einen Gefallen, indem er mir Gesellschaft leistet. Dies wäre sehr bemerkenswert, da mein Vater außer Nachrichten nur sehr wenig fernsehschaut. Die meisten Sendungen genießt er dagegen im Schlaf. Bei den Drombuschs aber blieb er immer wach. Eventuell hatte er Angst in seinen Träumen von Vera Drombusch verfolgt und gemaßregelt zu werden.
Vielleicht hatte ich auch Mitleid mit meinem Vater und mochte den Gedanken nicht, dass mein Vater so einen miserablen Schund alleine ertragen muss. Ganz so altruistisch war ich jedoch nicht, denn ich fand Svenja Page, die die Freundin des Drombusch-Sohns Thomi spielte, wahnsinnig sexy. Was bei einem 14-jährigen Jungen allerdings nicht sonderlich außergewöhnlich ist, da die unablässige Testosteron-Ausschüttung in Niagarafallausmaßen einen selbst Inge Meysel als interessante reife Frau und potenzielle Sexualpartnerin erscheinen lässt.
Vermutlich wird das Drombusch-Mysterium meines Vaters und mir nie aufgeklärt werden. Aber eigentlich ist es auch egal, warum wir uns diese hessische Variante von ‚Dallas‘, ‚Denver-Clan‘ und ‚Falcon Crest‘ antaten. Es war unsere gemeinsam verbrachte Zeit, die wichtig war. Und darum geht es doch an Weihnachten: Mit denen zusammen sein, die man gern hat. Selbst, wenn man dabei die Anwesenheit von Witta Pohl, Hans-Peter Korff und Günter Strack hinnehmen muss.
Hier ein Foto mit Plätzchen-Content. Christian backt. O-Ton: Dort backe ich als kleiner Junge Weihnachtsplätzchen. Quasi die Fernseh-Ration. Das Problem: Auf dem Bild bin ich wesentlich jünger als in dem beschriebenen Text.
Titelfoto: „Wohnzimmer: Hier sitze ich mit meinem Vater auf dem Sofa (das tatsächlich gegenüber vom Fernseher stand) nebst Weihnachtsbaum. Hier passt nicht so richtig, dass in dem Text geschrieben wird, dass wir immer in meinem Kinderzimmer geschaut haben. Dafür haut es altersmäßig einigermaßen hin.“
Beim ersten Blick auf das Foto dachte ich: Ach guck- das sind bestimmt Christians Eltern. Pardon. Die Schulterpolster im Sakko und meine verlegte Brille sind betsimmt Schuld.
Bei uns lief übrigens immer Drei Nüsse für Aschenbrödel. Oder Sissi. Oder die Trapp Familie. Auf jeden Fall aber der Plattenspieler mit den Wiener Sängerknaben. Und ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich alles erwähnte immer noch liebe. Also auf eine schräge, weihnachtsvorfreudige und in Erinnerung schwelgende Art.
<3
Das ist auch meine Weihnachtsmischung, wobei der Rest der Familie meiner Mutter die Wiener Sängerknaben immer schnell wieder ausschalten wollte. Die Alternative bei uns war: Peter Alexander. Es war hart in den 80ern. :)