Seit Johannes zur Mut-machen-Blogparade aufgerufen hat, denke ich darüber nach, was Mut ist und wie „Mut machen“ geht. Ich bin nicht grundsätzlich gegen das Lamentieren und kann daher kein Plädoyer für mehr beherztes Handeln anstimmen, wie Johannes sich das wünscht. Lieber lasse ich meinen Gedanken freien Lauf, die sich mir aufdrängen.
Was ist Mut eigentlich? Wikipedia sagt unter anderem, dass Mut aus dem indogermanischen mo- stammt, das für „sich mühen, starken Willens sein, heftig nach etwas streben“ steht und im althochdeutschen muot für „Sinn, Seele, Geist, Gemüt, Kraft des Denkens, Empfindens, Wollens“.
Mut und Angst
Mut ist für mich eine Mischung aus „sich mühen und starken Willens sein“ sowie „Kraft des Denkens, Empfindens, Wollens“. Wer mutig ist, hat sich ein Herz gefasst und macht weiter mit dem, von dem er glaubt, dass es richtig ist; trotz Angst, Gefahr oder Hindernissen.
Genau, trotz Angst! Mut entsteht aus der Angst. Sie ist seine Triebfeder. Ein Mensch mit großer Höhenangst ist mutig, wenn er auf den Kölner Dom klettert. Ich hingegen habe keine Höhenangst und mache das zu meiner Belustigung. Dann bin ich also nicht mutig. Oder wenn ein Kind sich traut, auf ein hohes Gerüst zu klettern und trotz Angst, auch langsam wieder herunterkommt, hat das etwas mit Mut zu tun. Mut, weil es vorher Angst verspürte.
Insofern ist Mut relativ, oder? Etwas, das für den einen keiner Rede wert ist, macht für den anderen ein Riesending aus.
War ich schon mal mutig?
Ein Schwank aus meiner Jugend: Als ich 15 war, verreiste ich mit einer Jugendgruppe und wir erhielten die Gelegenheit, an einer wahrscheinlich sehr niedrigen Kletterwand zu klettern. Was heute ziemlich häufig in Indoorspielplätzen zu finden ist, hat mir damals (wir hatten ja nüscht!) große Angst gemacht. So richtig mit Herzklopfen und verzagen. Hier kommt ein erfolgreiches Beispiel für Mut machen: Eine Freundin und der Gruppenleiter kamen zu mir. Die Freundin nahm mich in den Arm und sagte, „Du schaffst das.“ Ich glaubte ihr aber nicht und meine Angst blieb. Dann kam der Gruppenleiter und meinte: „Du musst es nicht tun, wenn Du Angst hast. Das ist ok. VIELLEICHT aber ist das eine Situation, an die Du noch lange zurück denkst. Wenn Du es nicht versuchst, bereust Du es vielleicht.“ Und dann: „Wenn Du Deine Angst jetzt überwindest, wird es Dir vielleicht immer ein Beispiel dafür sein können, dass Du mutig sein kannst.“
Damit hatte er mich. Ich schöpfte Mut daraus, es mir selber zu beweisen und um mir selber für die Zukunft Mut zuzusprechen. Natürlich kletterte ich erbärmlich, man musste mir helfen und ich fühlte mich schrecklich dabei. Aber ich kam heil nach oben und wieder nach unten. Tatsächlich habe ich die Sache nicht vergessen und weiß, welch großen Mut ich mir damals gefasst hatte.
Ich wurde schon ein paar Mal in meinem Leben mutig genannt, empfand es selber in den Momenten aber nie so. Ich glaube, weil mein Beweggrund nicht Angst war, sondern jeweils etwas anderes.
Beispielsweise, als ich direkt nach dem Studium einen Job annahm, der für mich eine große Herausforderung darstellte. Ich war definitiv noch nicht erfahren genug dafür, man kann fast sagen, noch nicht fertig ausgebildet. Aber Herausforderungen reizen mich und machen mir Spaß. Ich hatte Lampenfieber vor dem Job und seinen Schwierigkeiten, aber ich freute mich darauf. Es war so ein mittleres mutig sein, Lampenfieber zwar, aber ich wollte es. Und ich hatte keine Angst davor, zu scheitern. Mut war das also nicht wirklich.
Oder als ich mich vor einigen Jahren selbständig machte mit einem wahrlich spannenden aber – nennen wir es – herausfordernden Projekt. Für mich war es an lang gehegter Herzenswunsch und ein inneres Bedürfnis. Ich hatte noch keine Kinder und empfand nur Abenteuer und Selbstversuch dabei, keine Angst, keinen Mut. Das Ganze funktionierte übrigens nicht, aber verbunden mit dem Projekt bin ich an anderer Stelle wieder auf die Füße gefallen.
Bevor ich Kinder hatte, fand ich alle Mütter mutig. Ich hatte Respekt vor der Geburt, vor den Schmerzen und auch vor der Verantwortung Kinder zu haben. Als ich dann selber schwanger war und die Geburt sich näherte, verspürte ich zwar Angst, aber die Hormone, das Walfischgefühl (Ihr wisst was ich meine!), die Unausweichlichkeit der Situation und ein wie auch immer geartetes Grundvertrauen halfen. Ich erwartete die Geburt regelrecht; außerdem wollte ich doch sowieso mal wissen, wie das so ist mit dem Wehenschmerz. (Haha!) Aber Mut ist da doch irgendwie etwas anderes.
Mut, Tapferkeit und Heldentum
Ganz anders und eindeutiger wird die Sache mit dem Mut für mich aber, wenn es um schwere Krankheiten oder Schicksalsschläge geht. Ich erinnere mich, als ein von Krebs genesener Freund mir erzählte, er habe sich nicht als mutig empfunden. Er wollte ja leben, also musste er da durch. Das sei doch nicht Mut, das sei Notwendigkeit, fand er. Das wiederum, finde ich nicht. Ich weiß nämlich, welche existenziellen Ängste er durchgemacht hat. Wie die Lebensangst ihn im Griff hatte, wie er nächtelang schlecht schlafen konnte und schlimme Träume hatte.
Mut ist auch, sich all dem Schweren zu stellen und eben nicht zu verzagen, weiter zu machen. Manchmal ist es der pure, simple, nackte Lebenswille und die Lebenslust, die mutig machen. Das ist die essentiellste Form von Mut, finde ich. Sich der schlimmsten Angst zu stellen, die wir haben können: Lebensangst. Und dann da durch gehen. Das ist heldenhaft. Und wahrscheinlich eine der wenigen Situationen, für die ich das Wort „Held“ wirklich benutzen möchte.
Beim Thema Krankheit, Mut und Lebensangst kommt noch etwas hinzu: die Tapferkeit. Auch hier ist nehme ich Wikipedia für eine kleine Begriffserklärung:
Während „Mut“ (audacia) durch das Charaktermerkmal Wagnisbereitschaft bestimmt wird, kennzeichnet sich die Kardinaltugend „Tapferkeit“ (fortitudo) nach Josef Pieper als Durchhaltevermögen, als Standhaftigkeit in schwierigen Situationen. (…) Mut (= Wagemut) beweist der Extremsportler, Grenzgänger, Kämpfer, Soldat, wenn er bereit ist, sich in eine gefährliche Situation hineinzubegeben. Tapferkeit beweist er, wenn er bereit ist, die Situation trotz Fehlschläge, Verletzung, Niederlagen mit Leidensbereitschaft und Siegeswillen bis zum erhofften Erfolg auch durchzustehen.
Was hier fehlt ist „Schwerkranke, die kämpfen“. Sie brauchen Mut, um in die gefährliche Situation hineinzugehen und Tapferkeit, um sie trotz Fehlschläge und mit Siegeswillen durchzustehen. Das wünsche ich, aus gegebenen Anlass von Herzen, Chris und Frau Schnips und so vielen anderen!
Eigentlich wünsche ich niemanden, so mutig und tapfer sein zu MÜSSEN. Weil, ganz ehrlich, Krebs ist ein Arschloch. Das sei abschließend gesagt.
Wunderbar geschrieben. Dankesehr!
„Ich wurde schon ein paar Mal in meinem Leben mutig genannt, empfand es selber in den Momenten aber nie so…“
Ich denke, das ist der Kernpunkt.
Ich glaube auch, je mehr ich darüber nachdenke, das Mut kein willentlicher Prozess ist. Das meine ich, ist gut so, weil es entsteht aus einem eigenen „Nicht anders können/wollen“.
Und wenn ich weiter darüber sinniere, das dieses eigene „Nicht-anders-können“ aus unserer eigenen Sozialisierung entsteht, wo und wie wir aufgewachsen sind, so wird unser handeln von der Gesellschaft, in der wir leben, geformt.
Und das alles, geht im „Koppe“ los. Und deswegen erscheint es mir für wichtig, üns über diese Themen auszutauschen, quasi, als großer Zukunftsprojekt.
„Mut ist auch, sich all dem Schweren zu stellen und eben nicht zu verzagen, weiter zu machen. Manchmal ist es der pure, simple, nackte Lebenswille und die Lebenslust, die mutig machen. Das ist die essentiellste Form von Mut, finde ich. Sich der schlimmsten Angst zu stellen, die wir haben können: Lebensangst. Und dann da durch gehen. Das ist heldenhaft.“
Danke für den Beitrag und besonders für diese Worte!
Endlich komme, nein nehme ich mir mal die Zeit dazu eine Runde durch die vielen mutmachparade Beiträge zu machen. Ist sie doch durch Johannes auch mir gewidmet :)
Einen tollen Beitrag hast du da geschrieben. Mit den unterschiedlichen Antriebsfedern für Mut. Wie ich lese, kennst du es wie es in einem Krebskranken Menschen vorgeht. Eines muss ich dazu noch schreiben. Angst war von Anfang an nicht meine Triebfeder. Es war vielmehr mein Lebenswille und keine positive Einstellung die ich zum Glück habe.
Die Angst kam im zweiten Schritt dazu, aber nicht die Angst um mich selbst, sondern die Angst um meine Familie, die Versorgung und allem was sonst noch dazu gehört.
Ich bin zu Jung für diese Scheisse, war und ist mein geflügeltes Wort die ganze Zeit seit ich weiß das ich Krebs habe.
Erst kurz vor der Diagnose traf ich mich mit vielen Kollegen zu eine. Internationalen Workshop in Donaustauf.
Ein langjähriger Kollege den ich sehr schätze meinte zu seinem Job den er jetzt noch kurz vor der Rente machen soll „ich bin zu alt für diese Scheisse“. So kanns gehen ;)
Danke für die Erwähnung von mir und Frau Schnips die ich seit ich mitbekommen habe was sie durchlebt sehr bewundere. Ich drücke ihr die Daumen das alles so klappt wie sie es sich wünscht.
Allen anderen wünsche ich das sie niemals das durchleben müssen was ich oder die vielen anderen Krebspatiente durchleben müssen.
Klar es gibt noch viele andere Krankheiten oder Situationen die genauso unangenehm sind, aber ich hab den Fokus gerade hauptsächlich auf mein Schicksal.
Ganz lieben Gruß und danke für deinen Beistand
Chris
Wenn Du Zeit und Lust hast schau doch mal auf diesen Link. Unser Kunde die ERGO startet einen Award. Vielleicht ist es ja was für Dich, oder Du kennst jemanden der sich mal mit Mut selbst Verwirklicht hat. Jeder kann teilnehmen. Der Award belohnt Menschen die auch Mut bewiesen haben. Mut etwas Neues zu tun, Mut etwas ganz besonders anzufangen oder Personen die mutig waren oder sind Ihr Leben komplett auf den Kopf zu stellen. Wir kennen vielleicht den ein oder anderen der dies getan hat. Vielleicht haben diese Leute ja Lust Ihre Geschichte zu erzählen und an der Aktion teilzunehmen.
Ich würde mich freuen davon zu lesen.
Hier der Link: https://blog.ergo.de/de/Mut-Machen/Dein-Weg-ein-Award-von-ERGO.aspx
Lieben Gruß – Rouven