Erinnerungen. Manchmal denke ich an die Zeit mit Baby zurück. Einfach so. Manchmal weil ich ein anderes Baby sehe, manchmal weil die Kinder Baby spielen oder einfach, weil mir etwas ins Hirn geschossen kommt. Weißt Du noch, damals, als Du schwanger warst, frage ich mich. Weißt Du noch, als Du Dein Baby im Arm hattest, weißt Du noch, wie Du es stilltest? Und mein Herz erinnert sich.
„Weißt Du noch, früher, als Du ein kleines Baby warst?“ frage ich mein Kind und es strahlt mich an. „Jaaa, da hab ich immer Milch aus Deiner Brust getrunken und „Gaga“ gesagt“, meint es und kuschelt sich an. Wir schauen alte Fotos an und ich lasse die Kinder raten, welches Baby gerade zu sehen ist oder wie alt das Baby auf dem Foto ist. Die Kinder lieben die Geschichten ihrer Geburt, vom Babysein, vom Milchtrinken und dass sie sowohl bei mir und beim Papa auf der Brust lagen. Gleich am ersten Tag.
Remember: Das Stillen
Meistens ist die Baby- und Stillzeit für mich so weit weg. So weit im Nebel von Gestern, dass ich mich auch körperlich und gefühlsmäßig gar nicht mehr wirklich erinnern kann. Wie hat sich das nochmal angefühlt, das Stillen? Ich erinnere mich an die Selbstverständlichkeit mit der ich stillte, barbusig zu Hause herumsaß und einem kleinen Menschen meine Brust anbot. Ich weiß noch, wie ich mich damals fragte, ob ich es jetzt komisch fände, jemandem meine Nippel ins Gesicht zu halten und wie ich dann dachte: Nö. Kein Bisschen. Ich stille mein Kind, natürlich! Und ich erinnere mich, wie ich damals selbst sowohl über meine innere Frage und das so selbstverständliche Gefühl lächeln musste.
Ich erinnere mich, wie ich mein Baby im Halbschlaf stillte, mit und ohne Kopfschmerzen vor Erschöpfung. Ich erinnere mich an die erste Zeit der Stillbeziehung mit Kind1 und wie langsam die Milch kam und wie unerträglich meine Sorge um das kleine Wesen. Ich weiß noch, wie ich Kind2 im Trubel mit dem Kleinkind stillte, das um uns herum spielte und tobte. Aber vorallem erinnere ich mich an die Sensation wie es ist, ein hungriges Baby an die Brust zu nehmen. Da ist dann Stille und ich meine nicht nur die akustische! Plötzlich ist da dieser Friede auf Erden und Liebe ist, actually, all around. Ich weiß noch, wie ich beim Stillen an das große Ganze, an die Liebe in der Welt und den Frieden glaubte. Einfach weil Mutterliebe!, Prolaktin! und ein zufriedenes Baby das aufgrund meiner Milch wächst und gesund bleibt. Und dann erinnere ich mich an die Dankbarkeit und ich platze ein bisschen, innerlich, vor Liebe.
Ich weiß noch wie unverständlich, absolut bodenlos ich die Unterstellung fand, mein Baby zu stillen, könnte sexuelle Gefühle in mir wecken. Das verstehe ich bis heute nicht. Beim zweiten Kind habe ich jedoch beobachtet, dass ich noch in der Schwangerschaft unsicher war, wie wohl ich mich beim Stillen in der Öffentlichkeit fühlen würde. Wäre es mir unangenehm, wenn Fremde ein Fleckchen Haut meines Busen sehen könnten? Wäre es mir peinlich? Natürlich wusste ich, wie unbekümmert und selbstverständlich in Kind1 gestillt hatte und zwar so gut wie überall. Aber beim zweiten Kind war ich plötzlich wieder unsicher, ob es mir wieder so gehen würde.
Natürlich war es so. Vermutlich weil es schlicht und ergreifend natürlich ist, sein Baby zu stillen. Wie sonst hat die Menschheit wohl überlebt? Eine Mutter hat ihr Baby gestillt, wenn nicht sie selbst, dann eine andere. (Wer heute nicht stillen kann oder nicht möchte, gibt seinem Kind natürlich die Flasche. Basta. Keine Wertung von mir.)
Übrigens bin ich nie böse angemacht oder auch nur unangenehm angestarrt worden. Auch in eher konventionell-spießigen Cafés oder Bäckereien haben die Leute eher gerührt gelächelt und dann aber höflich weggeschaut. Ich weiß es noch, weil ich so erstaunt darüber war, dass niemals etwas negatives bei mir kam.
Das Stillen veränderte sich allerdings als die Kinder etwas größer wurden, schon krabbeln konnten und sich nach dem Trinken auf meinen Schoß aufsetzten. War das noch ein Stillbaby? Der Anblick von stillenden Kleinkindern ist immer noch unüblich. Ich bin aber zuversichtlich, dass je mehr Mütter ihre Kinder selbstverständlich so lange stillen, wie beide es wollen, es auch für Ungeübte bekannter und normaler wird.
Wenn ich ein kleines Baby sehe und man mir Gelegenheit gibt, es zu halten, zu spüren, zu bestaunen und zu riechen, bin ich jedesmal überzeugt, ich könnte auch anfangen es zu stillen. Gebt mir ein paar Tage und das Baby und die Milch fließt wieder. So fühlt es sich zumindest an.
Remember: die Geburt
Was beim Stillen bei mir so gut klappte, war bei den Geburten anders. Etwas länger habe ich schon gebraucht, um meine Enttäuschung und auch meine Selbstzweifel wegen meiner beiden Kaiserschnitte zu überwinden. Es ist wichtig, dass Mama und Kind gesund sind nach der Geburt. Es ist aber auch wichtig, wie Mama sich fühlt bei der Geburt, wie sie sich fühlt danach und wie sie behandelt und was ihr zugemutet wird.
Ich erinnere mich gern an meine Geburten. Beide waren so unsagbar besondere, glückliche, innigliche Momente. Und so widersprüchliche, leidenschaftliche, verwunderte, verunsicherte und stolze Empfindungen wie in den Momenten der Geburt, der Moment, wenn das Baby endlich auf Deiner Brust liegt, sind unvergleichlich. Keine Worte reichen dafür aus zu beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn Dein Baby endlich in Deinen Armen liegt. Dankbarkeit, Liebe, Verzweiflung, Angst, Lachen und Weinen sowie stilles, beinahe distanziertes Staunen – alles ist auf einmal da. Die Zeit steht sprichwörtlich still, weil sie so schwer ist vor lauter Gefühl.
Ich erinnere mich an die Aufregung und Nervosität beim geplanten Kaiserschnitt. Das Ausnahmegefühl und dass ich aus Mangel an vergleichbarem mich zum Aufbruch zu einer großen Reise wähnte. Ganz so als ob der Flieger früh geht und ich um 5.30 Uhr mit gepacktem Koffer, frisch gewaschenen Haaren, müde und gleichzeitig aufgeregt zum Taxi laufe. So wie in den Ferien, wenn morgens früh der Flieger in den Sommerurlaub startet. Das mit der großen Reise sollte sich als recht angemessen herausstellen, das mit dem Sommerurlaub – nun ja, Ihr wisst schon. :)
Natürlich erinnere ich mich auch an die Wehenschmerzen, die Angst und das Alleingelassen worden sein-Gefühl bei der Geburt von Kind2. Und an die Erleichterung, als er endlich auf meiner Brust lag und wenig später trank. An die Aufregung, die Vorfreude, die Sorge unter der Geburt. Vielleicht sollte ich mal darüber bloggen, was ich mir in Geburt und Schwangerschaft, in der ersten Babyzeit und Kleinkindphase anders gewünscht hätte. Was mir geholfen hätte und was ich meinen Kindern, wenn sie es jemals hören wollten, raten würde. Helft Ihr mir dabei? Woran erinnert Ihr Euch gern und was hätte Euch noch zusätzlich geholfen.
Ich erinnere mich an so viele weitere Momente. Das erste Mal im Tragetuch, das erste Lächeln, das erste Mal Mamamama, die ersten Schritte, das erste Mal Laufrad, dann Fahrrad fahren.
Ich erinnere mich an all diese Momente und noch viele mehr. Ich will sie behalten und wegschließen und nie wieder vergessen, nicht den Augenblick, nicht das Gefühl, nicht die Sensation. Gleichzeitig nehme ich doch Abschied von dieser Zeit, sage leise „Danke“ und winke innerlich ein bisschen. Wie weit weg alles doch ist und wie lange her und dennoch so nah im Gefühl, wenn ich mich erinnere.
Warum ich das Aufschreibe?
Zum einen schreibe ich das auf, weil ich mich gerne erinnere und mir das Spaß macht das schriftlich zu tun. Zum anderen, weil ich dachte, die eine oder der andere von Euch liest das vielleicht ganz gern. Und ich schreibe es auch auf, weil ich finde, dass solche mütterlichen, alltäglichen, leisen Gefühle ins Netz gehören. Oder in eine Zeitschrift oder auch in ein Buch. Sie gehören jedenfalls nicht weggeschlossen und ins Private. als ob sie lieber nicht stattfinden sollte in der lauten wichtigen Welt. Ich glaube, dass wenn es üblicher und normaler geworden ist, über Geburtserlebnisse, das Stillen, die Liebe und Babys zu sprechen, wie über andere Grenzerfahrungen, Extremsporterfahrungen und einschneidende Erlebnisse, wird diese Welt zu einem liebevolleren Ort.
Oder was meint Ihr?
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Hach ja, ich erinnere mich auch sehr gerne. Es ist gleichzeitig schon so weit weg und dann blitzen doch immer wieder Gedanken, Gefühle und Erinnerungen auf, als wäre es gerade gestern gewesen.
Wieder sehr schön geschrieben!
Vielen Dank für diesen stillen und wudnerschönen Text! Ja, der gehört ins Netz, und ich lese ihn und erinnere mich an die Stillzeit mit meinen Kindern. Wie ich geweint habe vor Rührung über mein Baby, wie ich schier geplatzt bin vor Stolz über mein Baby, und welche Ruhe und Besonnenheit die Stillzeit hatte. Das hat eine tiefe Beziehung zwischen mir und den Kindern geprägt, und ich bin mir sicher, daß es den Kindern eine geborgene Erdung in dieser Welt gegeben hat, von der sie ihr Leben lang zehren werden. Danke daß Du mich dran erinnert hast!
❤️