Ich weiß noch, was ich über das Stillen dachte, bevor ich Kinder hatte: Niemals! Und ich erinnere mich an ein Streitgespräch mit meinem Freund, der wegen Babys im Freundeskreis anerkennend über das Stillen sprach. Meine Reaktion fiel ungefähr so aus: er solle sich bitteschön nicht einmischen, wie Frauen ihre Kinder versorgen und er habe schon mal gar keine Meinung dazu zu haben und ICH würde ja bestimmt nicht stillen. (Haha!)
Als dann mein Kinderwunsch kam und ich schwanger wurde, stellte sich die Frage, ob ich stillen wollte gar nicht mehr. Natürlich wollte ich! Das Stillen meiner Kinder war, bis auf anfängliche Schwierigkeiten bei Kind1, wirklich einfach, unkompliziert und schön. Damit habe ich wirklich Glück gehabt.
Stillen mit Kind1: Steter Tropfen bringt den Milchfluss
So einfach alles später war, ohne die Stillberaterinnen in meinem wirklich sehr wunderbaren (baby- und stillfreundlichen) Krankenhaus, hätte ich meine Erstgeborene keinen einzigen Tropfen stillen können. Bevor ich von meinem Stillen in der Öffentlichkeit erzählen kann, will ich kurz über meine Anfänge des Stillens berichten: Bei Kind1 Ich hatte in den ersten vier Tagen kein Kollostrum. Selbst beim Abpumpen blieben nur Tröpfchen in den Trichtern hängen. Es war weniger als 1 ml, wie die Pipette offenbarte. Mein erstes Kind war ein zartes kleines Baby von gerade mal 2500 Gramm. Sie schlief nur und saugte kaum, und wenn dann so schwach, dass nichts heraus kam. In jedem anderen Krankenhaus hätte meine Tochter einfach Fläschchen bekommen, ich hätte mehr schlecht als recht (weil keine gute Anleitung) gepumpt und das wäre es wohl gewesen. In meinem Krankenhaus standen mir einfühlsame und kompetente Stillberaterinnen rund um die Uhr zur Verfügung. Wirklich auch nachts, gerade nachts. Sie halfen beim Anlegen, erklärten wie ich Babys Stillfreudigkeit stimulieren konnte, sie beruhigten sowohl mich als auch mein Kind. So fühlte ich mich sicher, das Stillen zu versuchen und nicht einfach auf Fläschchen um- bzw. einzusteigen. Ohne Hilfe und Anleitung geht es halt nicht. Stillen ist ja nichts, was über den Instinkt läuft und einfach „von Natur aus“ klappt.
Yeah, ich kann es. Ich kann stillen!!
In meinem Krankenhaus (das übrigens auch beide Kaiserschnitte wunderbar harmonisch, baby- und bondingorientiert durchführte), haben wir Kind1 auch zugefüttert. Allerdings nicht mit Fläschchen sondern mit einem Breastfeedingset.
Die übrigen Stillempfehlungen an mich waren übrigens:
- Anlegen alle drei Stunden und danach Abpumpen
- ich sollte ausreichend essen
- 3-4 x täglich Stilltee oder Malzbier trinken
- mich tagsüber zum Schlafen hinlegen.
Als am vierten Tag der Milcheinschuss kam und ich peu a peu selber stillen konnte, machten wir zum ersten und letzten Mal eine Stillprobe: 30 Gramm Gewichtszunahme, also 30 Gramm Muttermilch. Ein riesiger Erfolg! Ich war so glücklich, so erleichtert! Nach 5 Tagen gingen wir nach Hause und Babylein trank, wenn ich sie beim Stillen an den Händchen oder Füßen massierte, damit sie nicht einschlief.
Hormone satt: Ich hab kaum Schlaf aber irgendwie fühlt es sich richtig an
Ich erinnere mich, wie ich meine Hebamme in den ersten Wochen vor rechnete, dass ich von 24 Stunden genau 18 Stunden stillte, weil das Baby so lange brauchte. Es war anstrengend, ich fühlte mich viel zu sehr beansprucht. Gleichzeitig war ich total auf das Versorgen und Ernähren ausgerichtet in diesen ersten Wochen. Es war das Einzige, was mich antrieb, neben der täglich wachsenden Liebe. Und natürlich wurde es besser. Ich mochte das Stillen. Dass ich es „geliebt“ hätte, kann ich nicht behaupten. Ich habe es halt gemacht. Ich fühlte, dass ich damit etwas richtig mache. Das Kind fühlte sich gut und entspannte sich und somit fühlte ich mich gut und entspannte mich. Ich mochte den Gedanken, mein Kind mit meinem Körper ernähren zu können, das fand ich olle Kopfgesteuerte total toll.
Stillen in der Öffentlichkeit: „Ich hab dann ja einfach irgendwann überall gestillt!“
Tja, erst war ich total unsicher. Stillen vor den Augen von Fremden? Obwohl ich mir von Anfang an im Klaren darüber war, dass mein Kind zu ernähren nicht auf die Toilette gehört, mußte ich das Stillen in der Öffentlichkeit erst üben. Ich hatte anfangs Sorge, dass die Leute gucken, ich es nicht dezent genug hinbekomme das Kind anzulegen oder, oder… Nachdem das Stillen aber verlässlich gut klappte, traf ich mich mit einer Freundin und Baby auch mal in einem Cafe. Es war ein eher alternatives Café und die Hemmschwelle war da besonders gering für mich. Stadtbesuche passte ich zunächst so ab, dass ich an einem bestimmten Geschäft vorbei kam, das ein schönes Stillzimmer hatte. Das war logistisch nicht immer wirklich machbar. Nach und nach siegte der Pragmatismus und ich stillte auch in der Öffentlichkeit, also auch in nicht-alternativen Cafés. Erst als ich eine gesunde Scheißegal-Haltung haben konnte, nach dem Motto, „Guck halt weg, wenn es Dich stört!“, wurde es besser. Je älter die Babys werden, desto aktiver nehmen sie sich die Brust, das machte das Stillen leichter, fand ich.
Ich weiß noch, wie ich so nach 4 Monaten eine der Ärztinnen traf, die mich im Krankenhaus nach der Geburt versorgt hatte. Natürlich saß ich stillend im Café und ihr 1jähriger Sohn schob lärmend mit einem Lauflernwagen durch die Räume. (Traumhaft kinderfreundliches Café, leider musste es schließen). Wir sprachen über das Stillen in der Öffentlichkeit und die anfängliche Unsicherheit, ob die Leute gucken, wie sie gucken, ob sie denken, was ich denke, dass sie denken könnten und so weiter. „Ich hab ja einfach irgendwann überall gestillt. Es war mir SO egal!“, sagte sie und ich staunte sie an über ihre Coolness und Selbstsicherheit. Gleichzeitig hat es mir Mut gemacht. Wenn sie das so selbstbewußt sagt, dann kann ich das doch auch. Schließlich will ich mein Baby füttern. Nicht mehr und nicht weniger. Das Kind hat Hunger und wird versorgt. Basta.
Ich muss mich doch nicht schämen, weil ich mein Kind stille!
Ich konnte nicht nachvollziehen, warum in aller Welt Menschen das irgendwie sexuell anstößig finden können. Es ist keine sexuelle Handlung, wie kommt „man“ nur darauf?! Ich habe ohne Tuch gestillt, das hat mich genervt, das war mir zu viel Gefummel und Hampelei. Außerdem sah ich es einfach nicht ein, warum ich mein Baby und meine Brust verstecken sollte. Ich muss mich doch nicht schämen, weil ich mein Kind stille! Und ich muss mich auch nicht schämen, weil man meinen Brustansatz sieht. Dabei sieht man in jeder Werbung mehr Brust. Ich empfand es nach einiger Zeit als respektlos von „der Welt“ und „den Leuten“, dass ein Kind zu ernähren eben nicht das normalste der Welt ist. Und dass es zwischen „anstößig“, „sexuell“ und „romantisch“ schwankt.
Ich hoffe, dass die nächsten Generationen wieder entspannter und vertrauter mit dem Anblick stillender Mütter umgehen können. Denn eigentlich haben bis vor dem 2. Weltkrieg noch die meisten Mütter gestillt, soweit ich weiß. Meine Oma 1946 übrigens schon nicht mehr. „Das hat man damals nicht gemacht. Die haben mir im Krankenhaus halt dat Fläschken gegeben“, erzählte sie mir mal. Meine Mutter stillte ebenfalls nicht und die einzige Stillende meiner Kindheit (da war ich gerade vier Jahre alt) war eine offenbar sehr schlecht beratene Frau, denn ich erinnere mich deutlich an ihre blau angelaufene Brust…
Meine Tochter hingegen spielt heute Stillen mit ihren Puppen und legt sie ganz selbstverständlich an ihre Brust. Das finde ich unheimlich schön und hoffe sie kann sich diese Natürlichkeit bewahren. Ich stelle aber fest, dass bei meiner weiteren Familie dieses Spiel noch als eher befremdlich wahrgenommen wird. Warum gibt sie der Puppe nicht die Flasche?!, scheinen die Blicke zu sagen. Ja, warum wohl. Leider wird darüber wohl nicht weiter nachgedacht…
Die Blicke der Leute gingen entweder dezent an mir vorbei – oder waren freundlich
Ich stillte also irgendwann auch überall: in Cafés, in Restaurants, in Parks, im Schwimmbad, auf dem Spielplatz, am Strand sowieso. Ich habe mir immer einen passenden Platz ausgesucht, der nicht zu exponiert war. Im ersten Babyjahr mit Kind1 traf ich mich öfter mit anderen Mamas und ihren gleichaltrigen Babys. Wir bevölkerten Cafes, Terrassen und Parkwiesen. Die meisten von uns stillten, die wenigsten mit Tuch. Es waren schöne Nachmittage bei Kaffee, Kuchen und Gesprächen rund um die Babys, unseren Erfahrungen, die Schlaflosigkeit und wie wir mit der Umstellung (24/7 die härteste Verantwortung überhaupt) klar kamen.
Meistens schauten die Leute dezent weg oder lächelten freundlich. Ich habe in der Öffentlichkeit nie etwas unfreundliches erlebt. Erst als die Kinder schon etwas größer waren, so ungefähr ab 10 Monaten, hatte ich das Gefühl die Blicke werden etwas starrer und ungläubiger, weil das Kind eben kein Neugeborenes mehr ist. Vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet, gesagt hat ja keiner etwas. Mir war beim Stillen in der Öffentlichkeit immer bewußt, dass die wenigsten Menschen wissen, was Stillen ist, wie Stillen geht und dass eine Stillbeziehung länger dauert als ein paar Wochen.
Einen großen Vorteil hat das Stillen in der Öffentlichkeit vor dem Stillen vor nicht ganz so guten, engen Freunden oder vor der Familie, finde ich: In der Öffentlichkeit gibt es immerhin keine Bemerkungen wie „Du stillst SCHON wieder?“, „Der ist ja NUR an der Brust!“, „Vielleicht braucht er doch ’nen Brei, wenn er so viel trinkt.“, etc. Kennt Ihr solche Bemerkungen auch? Meine GÜTE hat mich das genervt. Vorallem, wenn ich erklären wollte, warum und wieso, es aber niemanden interessiert, wie Stillen geht und was es bedeutet. Es wurde entweder nicht zugehört, nicht geglaubt oder schlicht sofort wieder vergessen. Diese Haltung wird mir einfach immer fremd bleiben.
Kind2 stillte ich irgendwann sogar mal in der Straßenbahn, weil er eben danach verlangte. Da haben die Leute dann schon etwas irritiert geguckt. Ich war aber auch sehr unentspannt in der Situation, weil ich hoffte, er würde rechtzeitig genug fertig. Denn ich hätte nicht gewußt wie ich mit Kinderwagen, Kind1 (gerade 2 Jahre alt) an der Hand und Kind2 an der Brust den Ausstieg geschafft hätte. ;)
Ich habe Kind1 übrigens 13 Monate gestillt und Kind2 14. Dabei hatte ich beide Male vor, eigentlich länger zu stillen, aber es hat sich dann so ergeben.
Stillen bei Kind2: Alles fließt
Bei Kind2 war das Stillen einfach nur wunderbar und easy. Als wüßte der Körper, wie es geht, verzichtete er auf die Anfangschwierigkeiten und produzierte wenige Minuten nach der Geburt Milch soviel mein Sohn wollte. Kind2, ebenfalls ein Fliegengewicht, stillte noch im Kreißsaal, in den wir nach dem Kaiserschnitt geschoben wurden. Meine Milch floss! Richtig tiefe Schlucke trank er. Was war ich glücklich! Und im Liegen klappte das Stillen endlich auch. Beim zweiten Kind fiel die meine anfängliche Phase der Unsicherheit weg. Ich stillte in der Öffentlichkeit einfach da weiter, wo ich aufgehört hatte.
Wenn ich heute Freundinnen mit kleinen Babys treffe, dann glaube ich schon, dass ich noch einen Milcheinschuss produzieren könnte, wenn ich plötzlich ein kleines Baby versorgen müsste. Ich brauche sie nur anzusehen, zu riechen und liebzuhaben. Dann fühlt es sich so an, als ob ich nur wollen müsste.
P.S. Inspiriert zu diesem Post wurde ich von Susanne Mierau von Geborgen Wachsen. Die hatte zu einer Blogparade zum Thema aufgerufen.
Erzählt mir doch von Eurer Stillgeschichte. Verlief sie gut, gab es Schwierigkeiten, wenn ja, welche? Was hat Euch an der Stillberatung, die ihr bekamt, geholfen, und was eher nicht?
Zum letzten Absatz – das geht mir auch so! Unbeschreiblich, dieses Gefühl, vor lauter Empathie und Hachz gleich einen Milcheinschuss zu haben… ;)
Viele Grüsse, gern gelesen,
Christine
Ein schöner Blog, meine Anmerkungen zum Thema Stillen:
Ich habe zwei Kinder, eines 6 Monate, das andere 17 Monate gestillt. Eine gewisse Lernkurve wird sichtbar.
Für mich war im Grunde immer klar, dass ich stillen möchte, ich hielt es einfach für die natürlichste Sache der Welt. Allerdings warf mich bei Kind1 ein fieser Milchstau mit 40 Grad Fieber und Antibiose eine Woche nach der Entbindung zurück. Stillen war ab diesem Zeitpunkt mehr Krampf und Kampf als alles andere (denn natürlich bekam das Kind die Flasche, da die abgepumpte Muttermilch wegen des Antibiotikums verworfen werden musste), ich war sehr unglücklich darüber.
Bei Kind2 war es anders, die anfänglichen Probleme konnte ich mit einem Stillhütchen (toller Tipp meiner Hebamme) überwinden, und ich habe das Stillen sehr genossen. Mal abgesehen von den vielen, hier schon beschriebenen Vorteilen: Mein Kind wechselte problemlos auf die Tasse/den Becher ohne Nuckel oder Schnabel drauf, hatte auch nie einen Schnuller. Das entspannte uns alle.
Für wichtig halte ich folgendes: Das Thema wird ähnlich wie die Impferei sehr kontrovers unter Müttern diskutiert. Entweder stillt man zu wenig oder zu lang, man macht es eigentlich immer falsch – je nachdem, an wen man so gerät und wessen Meinung man ertragen muss. Hier wünsche ich mir für alle Muttis etwas mehr Entspannung und Gelassenheit sowie Selbstbewusstsein.
Trotz aller (guten) Argumente bleibt für mich entscheidend: Jede Mutter sollte es für sich und ihr Kind so halten können, wie es sich für beide gut anfühlt. Mit Betonung auf „anfühlt“ – durchaus auch in der Öffentlichkeit in einer Weise, die für alle Beteiligten komfortabel ist. Eine Bewertung von außen steht aus meiner Sicht niemandem zu.
Sehr schöner Text! ich muss ja sagen, dass ich mich schon aufs Abstillen freue…die Lütte saugt mich aus, Stillen ist einfach körperlich auch anstrengend. Dass die Kilos dabei purzeln, ist zwar erfreulich, und das Stillen klappt auch gut, dennoch. Bin echt etwas groggy, Maus hat ja tagsüber auch alle zwei Stunden Hunger…