Als mein erstes Kind geboren wurde, war ich eine Fremde in diesem neuen Land, genannt Mutterschaft. Ich kannte weder Regeln noch Gesetze, ich konnte die Sprache des Landes nicht sprechen, hatte keine Ahnung vom Wetter und seinen Umschwüngen, ich kannte dort keine Nachbarn oder Freunde, kannte keine Feinde. Ich wußte von nichts. Was ich über das Land gehört hatte, fühlte sich, als ich dann dort war, ganz anders an. Vieles stimmte auch nicht. So machte ich mich mit einem ersten Kind in das Land Mutterschaft auf. Ziemlich bald kam noch ein zweites Kind dazu aber leider war ich noch immer Fremde in dem Land. Erst sehr langsam, für mein Gefühl zu langsam, fasste ich Fuß in diesem Land, kam immer besser klar und habe anscheinend doch ein paar Grundregeln verinnerlicht. Die Sprache kann ich so leidlich, es reicht für das Verständigen, für den Restaurantgebrauch, wie man so sagt, und um im Alltag klar zu kommen. Es gibt viele Mütter, die sich deutlich schneller in dem neuen Land akklimatisiert haben als ich. Aber das macht nichts. Es wäre ja auch nicht zu ändern. Jetzt bin ich hier.
Gestern schenkte mein Sohn mir mal wieder einen seiner Wutanfälle
Ich holte die Kinder von der Kita ab und seine Wut ließ meinen Sohn tanzen und hampeln, rot anlaufen und vollkommen verzweifelt aussehen. Es war sehr bewölkt, das Wetter in diesem Land! Es war stressig, nervenraubend! Er tat mir leid und machte mich mit seinem Geschimpfe trotzdem wütend. Und es dauerte ewig. Die Leute kamen und gingen an uns vorbei und wir bewegten uns nur im Schneckentempo vorwärts. Aber ich blieb ruhig.
Vielleicht ist das Schöne an einer lang andauernden Trotzphase, dass das Kind irgendwann so alt ist, dass es einen nicht mehr so hin- und her reißt, dem kleinen Kindchen nun doch irgendwie helfen zu wollen aber nicht zu können. Das ist kein Galgenhumor, das meine ich ernst. Über so viele Jahre befürchtete ich, dass das Kind den Stress nicht aushält, dass ich eine Rabenmutter bin und ihm doch irgendwie helfen muß, das ich irgendwas anders machen muß, als es jetzt ist. Nur was?
Heute ist das aber anders. Die Landessprache der Mutterschaft und die paar Gesetze, die ich kennen gelernt haben, lassen mich ruhiger werden. Das Kind hält das aus, das Kind macht den Wutanfall ja schließlich selbst. Sobald ich eingreifen kann, zur Hilfe gebeten werde oder sich die Möglichkeit für (körperliche oder sprachliche) Kommunikation mit dem Kind auftut, werde ich sie wahrnehmen. Ich bin ja hier.
Ich bin ruhig geblieben und ich bin bei ihm geblieben. Und irgendwann hatten wir es dann. Er war erschöpft, ich auch. Er war immer noch grummelig, aber der Wutanfall war vorüber. Wir gingen los, Hand in Hand, mit beiden Kindern.
Eine Mama-Belohungsstation
Was sollten wir jetzt am Nachmittag machen? Es ist über den Wutanfall recht spät geworden. Ich wollte mein verspätetes Mittagessen essen, Zeit zum Kochen und draußen spielen war nicht mehr. Auf Brötchen vom Bäcker hatte ich keine Lust. Die Kinder sollten bei dem Sonnenschein draußen spielen können, aber was mache ich mit meinem Hunger? Mir fiel nichts vernünftiges ein. So entschied ich mich für das unvernünftige! Wir setzen wir uns in ein schönes Straßencafé. Ich bestellte mir Kaffee und Kuchen (geht immer runter, hält warm und eine Weile auch satt) und die Kinder bekamen Schorle und Kekse.
Irgendwie hatte ich mir das verdient, dachte ich. Ich bin so toll ruhig geblieben. Ich war zwar wütend aber ich habe es total von meinem Kind trennen können. Das gelingt mir nicht immer. „Haste gut gemacht“, dachte ich. Innere Stimmen, die plärren wollten, dass ich es schon vor Jahren hätte können müssen, warum ich nicht längst die Staatsbürgerschaft in dem neuen Land erworben hätte und überhaupt?! – fegte ich von der Schulter und suchte am Tresen den Kuchen aus.
Die Kinder waren happy! Mit Mama ins Café gehen lieben sie. Der Sohn kuschelte, die Tochter spazierte umher und knabberte dabei ihren Keks. Natürlich wurde auch über verschüttete Schorle geweint, da will ich nichts beschönigen, aber insgesamt war es wundervoll.
Das meine ich, wenn ich irgendwo tweete oder blogge, dass es wichtig ist, sich auch – nein vorallem – um sich selbst zu kümmern. Das muß nicht unbedingt Kaffee und Kuchen sein. Es geht vielmehr um den eigentlich winzigen Schritt raus aus dem Funktionieren. Wer nicht ungeduldig mit seinen Kindern sein möchte, darf auch nicht ungeduldig mit sich selber sein. Oder?
Kinder, lasst uns Kuchen essen. Mama hat da gerade was gut gemacht
Ich will diese Metapher mit dem neuen Land Mutterschaft nicht überstrapazieren, aber es geht nicht anders. Irgendwie ist es doch so, dass frau in diesem Land ihre Regeln selbst finden muß – und ihre Sprache auch. Und zwar gemeinsam mit den Kindern. Das dauert so lange, wie es eben dauert. Klappt witzigerweise besonders gut, wenn wir uns zwischendurch belohnen, Pause machen, nicht funktionieren und uns und den Kindern eine Freude machen. So fühlte sich der Cafébesuch gestern jedenfalls für mich an. Das wollte ich Euch kurz erzählen.
Toll geschrieben! Wir machen heute ausnahmsweise Pause vor dem Fernseher ;-) Mama braucht eine kurze Pause vom Alltag und der Zwerg ist glücklich…
„Wer nicht ungeduldig mit seinen Kindern sein möchte, darf auch nicht ungeduldig mit sich selber sein.“ Besser lässt sich das nicht auf den Punkt bringen. (Hätte auch der gute Juul nicht besser hingekriegt.) Finde ich. Passt gut zu meinem heutigen Tag.
Habe gerade vor einer halben Sunde mit meinem Großen besprochen, dass wir jetzt jeden Tag nach dem Nachhausekommen eine Pause machen, in der jeder was für sich macht. (Das habe ich übrigens von dir gelernt.) Und diese Pause ist gerade jetzt. In diesem Sinne: Prost Kaffee!
Proooost! :)
Toller Post! Sowohl vom Inhalt als auch deiner Art zu schreiben. „Mir fiel nichts vernünftiges ein. So entschied ich mich für das unvernünftige!“ Ich lese dich immer gerne.
Dankeschön! <3
Es ist doch gut. Warum unvernünftig? Auch wenn das Land einem wieder fremd erscheint, auch wenn es mal stürmt und in Eimern regnet und hagelt, ja gerade dann ist es doch gut sich mal bei Kuchen und Kaffee zu entspannen.
Wenn meine Kinder mich soweit bringen, dass ich weder Lust noch Energie habe, mich in das allabendliche Vorlesen zu stürzen… Ja gerade dann mache ich es. Erst Zähne knirschend, aber dann immer ruhiger. Die Kinder haben ihren sicheren Hafen. Auch nach Streit und Wut.
Hast du gut gemacht.