Meine Reihe mit berufstätigen Müttern geht weiter. Und ich freue mich, heute mit Kerstin Biesdorf eine Unternehmerin der Handwerkszunft und des Designs vorstellen zu dürfen. Kerstin Biesdorf hat Goldschmiedin gelernt, Design studiert und sich dann, wie das in ihrer Branche üblich ist, selbständig gemacht. Was mir aber besonders imponiert: Sie ist auch in der Schwangerschaft und nach der Geburt dabei geblieben und hat ihre Familie und das Unternehmen miteinander vereinbart. Tatsächlich hat ihre Mutterschaft sie auf neue – und sehr erfolgreiche Ideen für ihre Schmuckkollektion gebracht.
Da wollte ich natürlich gerne mehr wissen: Was treibt sie an? Wie spielt der Mann mit und was hat ihr in der ersten Babyzeit die Stärke gegeben, durchzuhalten? Kerstin sagt, „Wenn Du liebst, was Du tust, bist Du auch gut darin und wenn Du glücklich bist, dann sind es Deine Kinder auch!“ Dieser Satz gefällt mir außerordentlich gut und deckt sich inhaltlich sehr mit dem, was mir auch die anderen berufstätigen Mütter erzählt haben. Aber lest erstmal selbst das Interview mit Kerstin.
Liebe Kerstin, vielen Dank für Deine Bereitschaft für dieses Interview. Du bist Goldschmiedin und Unternehmerin. Kannst Du uns etwas über Deinen beruflichen Werdegang erzählen?
Ich habe nach meinem Abitur mit der Goldschmiedelehre angefangen. In 2 Praktika habe ich den Beruf kennengelernt und fand es toll handwerklich zu arbeiten und gleichzeitig kreativ sein zu können, beides lag mir schon immer mehr als am Schreibtisch zu sitzen…Nach der Lehre habe ich eine Zeit als Gesellin gearbeitet und dann ein Studium für Schmuck- Produktdesign in Düsseldorf absolviert. Nach meinem Diplom habe ich mich dann 2002 in meiner Heimatstadt Trier selbständig gemacht, mit kleinem Laden und Werkstatt.
Wie eigentlich bei allen Handwerksberufen liebe ich am Goldschmieden am Ende des Tages etwas in der Hand zu halten was ich geschaffen habe und womit ich die Menschen erfreue, das ist sehr befriedigend. Es macht Spaß neue Inspirationen und Ideen auszuprobieren, zu tüfteln und in ein greifbares Objekt umzusetzen.
Wann hast Du Dich selbständig gemacht – und was war die Motiviation zu diesem Entschluss?
Für diplomierte Schmuckdesigner gibt es eigentlich kaum Festanstellungen, die meisten boxen sich irgendwie selbständig durch und so habe auch ich relativ schnell den Entschluß gefasst mich selbständig zu machen. Man hat im Studium ja auch so viel ausprobiert was man dann endlich zeigen und in die Tat umsetzen will, das kann man eigentlich nur wenn man sein eigener Herr ist. Mein Lehrmeister hat damals zeitgleich seine Werkstatt aufgegeben und so konnte ich viele seiner Werkzeuge übernehmen und einige Kunden weiter betreuen, einige Projekte haben wir noch gemeinsam bearbeitet.
Du entwickelst Deinen Schmuck und die Kollektionen selbst. Magst Du ein bisschen erzählen, wo Du Inspiration für Deine Kreativität findest? Hast Du bestimmte Techniken?
Ich habe ja eigentlich mehrere Schmucklinien. Auf der einen Seite fertigen wir Schmuck für den Laden an, machen kleine Serien und Unikate. Hier sind es oft schöne Edelsteine die im Vordergrund stehen oder aber bestimmte Techniken die wir ausprobieren und kleine Serien daraus entwickeln. Die Ideen kommen oft beim machen, oder man hat ein Bild im Kopf und möchte es umsetzen, da probiert man die verschiedensten Dinge aus. So haben wir eine Zeit lang viel mit dem Sandguß experimentiert, eine ganz alte Gusstechnik die uns fasziniert hat weil sie tolle Oberflächen hervorbringt. Inspiration findet man ja eigentlich überall wenn man nur mit offenen Augen durch die Welt geht, manchmal findet man ein Material, ein Fundstück was einen inspiriert, oder eine Form oder Oberfläche aus der Natur, alter Schmuck, die aktuelle Mode, man hat ja einen Pool an Eindrücken im Kopf aus dem immer wieder neue Ideen entstehen indem man sie manchmal einfach nur neu kombiniert und interpretiert.
Daneben habe ich die „Goldstück-Kollektion“ die ich seit 2012 online und auch hier im Laden verkaufe, hier ist man natürlich etwas gebundener an das Thema Kinder, Geburt, Taufe, wobei auch hier das Angebot wächst und mittlerweile Verlobungs – und Trauringe mit im Programm sind. Hier entwickeln wir momentan vorhandene Designs weiter, ergänzen, erweitern, die Ideen gehen auch hier nicht aus, leider fehlt mir im Moment ein bisschen die Zeit neue Entwürfe und Ideen umzusetzen aber wir arbeiten daran!
Du bietest Deine Goldstücke insbesondere für Mütter an. Wie kommt es zu dieser besonderen Schmuck-Idee?
Eigentlich waren es auch meine Kunden die mich dazu inspiriert haben, weil immer wieder nach schönem, individuellem Schmuck zur Taufe und auch als Geschenk zur Geburt gefragt wurde. Nachdem ich dann selbst Mutter geworden bin dachte ich es sollte wirklich etwas geben was an diesen Moment erinnert und natürlich die Mama für die Mühen der Geburt belohnt! In anderen Ländern hat das ja eine ganz andere Tradition, in England und USA ist ein „push-present“ nach der Geburt ein absolutes Muß!
Das war aber nicht meine eigentliche Motivation, sondern vor allem das Festhalten und Erinnern an diesen einmaligen Moment. So begann ich mir Gedanken über eine Schmuckkollektion zu diesem Thema zu machen.
Mein Ziel war es etwas zu entwerfen, was absolut einmalig ist, so einmalig wie unsere Kinder. Daneben sollte es, als Symbol für “unser Hochwertigstes“, aus dem hochwertigsten Material gefertigt sein. So wurde die Idee der „Goldstücke“ geboren, jedes absolut einzigartig, nicht reproduzierbar und unverwechselbar durch sein Gewicht. Die „Goldstücke“ sind kleine Nuggets aus Feingold, die exakt ein Tausendstel des Geburtsgewichts des Neugeborenen haben. Wenn das Baby bei der Geburt 3850 Gramm wog, dann schmelzen wir ein Nugget aus exakt 3,85 g Feingold und prägen das Gewicht auf die Vorderseite. Das exakte Gewicht wird mit einer Präzisionswaage aus dem medizinischen Bereich ermittelt, jedes Schmuckstück bekommt ein Zertifikat mit Foto und der exakten Gewichtsangabe dazu.
Weitere Ideen liefern mir teilweise meine Jungs, so wie die „Glückskleeherzen“ zu denen mein Sohn Paul mich inspirierte, als er mir im Sommer ein Herz von einem Kleeblatt aus unserem Garten schenkte. Ich habe in diesem Klee immer nur Unkraut gesehen und erst die Schönheit erkannt als er mir dieses Herz schenkte. Aus diesen einzelnen Blättchen fertigen wir zarte Anhänger aus Gold oder Silber an, die jeweils ein Kleeblatt als Vorlage haben und somit auch absolut einzigartig sind. Das Original-Kleeblatt wird mit dem Anhänger mitgeliefert.
Es ist wunderbar zu sehen wie diese kleinen, persönlichen Schmuckstücke die Leute erfreuen, in meinem Laden kann man sich sein Lieblingsherz aussuchen und wir fertigen es dann an, so kann jeder sein ganz eigenes kleines „Glückskleeherz“ bekommen. Und für jedes verkaufte Herzchen bekommt Paul 1 € in seine Spardose…;-)
Du hast zwei Kinder von 7 und 9 Jahren. War die Mutterschaft eine Zäsur in Deinem Berufsleben?
Bis zum errechneten Geburtstermin habe ich bei beiden im Laden gestanden, ich hatte aber auch Glück immer unkompliziert schwanger gewesen zu sein! Danach sind die beiden in der Wiege und im Tragetuch mit in den Laden gekommen. Natürlich ging das nur weil ich immer ein tolles Team an Mitarbeiterinnen um mich hatte, ich konnte mich zum stillen und wickeln immer zurückziehen, auch meine Kunden haben nur positiv darauf reagiert. Später waren beide dann in der Krippe und die Omas haben uns toll unterstützt und tun das auch heute noch! Daß das anstrengend war brauche ich wohl nicht zu betonen, gerne wäre ich manchmal einfach auch mal nach einer kurzen Nacht im Bett liegen geblieben, aber man kann als Selbständige halt nicht einfach auf die „Stop-Taste“ drücken und ein Jahr später erst wieder weiterarbeiten. Natürlich schraubt man die Stunden runter aber letzten Endes hat man die Verantwortung dass alles irgendwie weiter läuft, vor allem wenn Mitarbeiter bezahlt werden müssen, das ist schon ein Spagat der viel Kraft kostet. Ohne die Unterstützung der Großeltern, die immer und jederzeit parat standen wenn ein Kind krank war, hätte das alles überhaupt nicht funktioniert! Aber trotz aller Hilfe hatte auch ich meine Krisen und habe immer wieder mit dem Gedanken gespielt den Laden abzugeben um nur noch von zu Hause für Privatkunden zu arbeiten.
Ich hatte ich immer Angst davor, zuhause alleine zu versauern und es fällt eben auch schwer so einen Laden den man alleine aufgepäppelt hat wieder aufzugeben, das ist ja auch wie ein Baby von mir. Auch diese Zweifel waren ein Grund „Mein Goldstück“ aufzubauen, momentan fahre ich zweigleisig mit klassischem Laden und Onlinehandel. Dank der gestiegenen Umsätze durch „Mein Goldstück“ kann ich mir Personal leisten was mir wiederum Freiheiten und Zeit für meine Kinder gibt. Ob ich es auf Dauer schaffe Online- und Offlinehandel mit 2 Kindern zu meistern weiß ich nicht, es ist ein andauerndes überlegen, umstrukturieren und „offen bleiben im Kopf“ für neue Wege, mal sehen wo die Zukunft mich hinführt!
Welche Herausforderungen siehst Du insbesondere für Mütter im Berufsleben? Was sind die Herausforderungen für Dich gewesen?
Jeder Tag ist doch irgendwie eine Herausforderung – mit Kindern passieren andauernd unvorhergesehene Dinge die man spontan in den Alltag packen muß. Das ist natürlich einfacher zu bewältigen, wenn man nicht arbeitet. Aber wir leben heute nun mal mit dieser Doppelbelastung, ich kenne kaum eine Frau die nicht arbeitet und Kinder hat, das hat die Emanzipation der Frau nun mal mitgebracht.
Wir studieren, arbeiten, möchten Kinder bekommen, dann eine gute Mutter sein, weiter im Job am Ball bleiben und dann auch noch eine gute Beziehung zum Partner haben. Das ist alles viel und manchmal schwierig unter einen Hut zu bringen, manchmal ist man einfach nur noch müde und gestresst.
Die Herausforderung ist eine gute Balance zu finden, das ist die Kunst aber es gelingt mir bis heute auch nicht immer.
Zeit für die Familie, für Freunde, den Job und natürlich für sich selbst, das ist eine Waage die irgendwie im Lot sein muß, wenn etwas davon zu kurz kommt oder zu sehr ins Gewicht fällt, macht es irgendwann keinen Spaß mehr und man wird unzufrieden.
Mir ging das im letzten Jahr so als ich im Weihnachtsgeschäft wegen einer Kündigung einmal allein im Laden stand. Ich musste im Dezember so viel arbeiten dass ich meine Kinder kaum gesehen habe…und das in der besinnlichen Vorweihnachtszeit…nach Weihnachten bin ich fast umgekippt und wusste daß es so nicht weitergehen kann. Im Januar habe ich dann endlich eine neue Mitarbeiterin gefunden und momentan ist die „work – life – balance“ wieder besser! Ich finde dieses Wort trifft das was wir als berufstätige Mutter anstreben sollten wirklich gut!
Kannst Du uns erzählen, wie bei Euch zu Hause die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelebt wird? Wer hat welche Jobs?
Zum Glück habe ich einen Mann der im Haushalt mit anpackt, der wäscht, putzt und seine Hemden selber bügelt, da bin ich wirklich sehr froh darüber!!!
Morgens steht mein Mann als erster auf, er muß früh im Büro sein, deshalb kann ich es genießen dass der Kaffee schon auf dem Tisch steht wenn die Kinder und ich aufstehen. Um 20 vor 8 geht der Große aus dem Haus, dann habe ich eine Stunde um mich, den Kleinen und die Küche zu säubern. Um 9 liefere ich Tom im Kindergarten ab und dann drehe ich jeden morgen meine Runde mit dem Hund. Die Zeit von 9.00-9.45h genieße ich sehr, bei Wind und Wetter an der Luft zu sein, von der morgendlichen Hektik runterzukommen und in den Arbeitstag zu starten. Manchmal kommen mir hier beim spazieren Ideen und Bilder in den Kopf geflogen, die Goldstücke waren auch auf einmal morgens während der Gassirunde in meinem Kopf. Um 10 Uhr schließe ich den Laden auf und arbeite, bediene, entwerfe, kalkuliere, dekoriere, zeichne, telefoniere, verpacke und sitze immer mehr auch am Rechner…An 2 Nachmittagen hole ich den Großen um 14 Uhr von der Schule ab, wir machen Hausaufgaben und dann wird der Kleine eingesammelt. An den anderen Tagen bin ich bis 18 Uhr im Geschäft, danach wird gekocht und der Abend mit den Kindern verbracht.
Das Abendprogramm verläuft im Wechsel, jeder bringt abwechselnd einen der Jungs ins Bett, liest vor und kuschelt noch…
Gibt es noch etwas, das ich nicht gefragt habe, Du aber gerne erzählen möchtest?
Wenn Du liebst, was Du tust, bist Du auch gut darin und wenn Du glücklich bist, dann sind es Deine Kinder auch!
…und jetzt geht’s erstmal in Urlaub!!!