Kinners es wird Herbst! Ja, jetzt schon. Wie ich das finde hab ich schon verbloggt. (Doof!) Meine Freundin Mascha freut sich allerdings jedes Jahr auf ihre goldene Jahreszeit und gerät ins Schwärmen.
Das folgende Herbstgespräch haben wir übrigens bereits Ende August geführt. Was beweist, wie schlecht dieser Sommer und wie verfrüht dieser Herbst war. Mascha sieht das alles ganz anders und hat das nun für uns alle aufgeschrieben. Ich lese mir den Text jetzt mehrmals durch und dann freunde ich mich vielleicht doch noch an, mit dem Herbst. Lieben Dank, Mascha!
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Jedes Jahr skandiere ich aufs Neue „Der Herbst ist großartig“. Mama Notes aka Sonja und ich führen seit 7 Jahren das gleiche Gespräch. Kurzfassung? Sonja: „Der Sommer ist vorbei, das ist furchtbar!“ Ich:„Nein, denn jetzt kommt die beste Jahreszeit.“ Sonja:„Waaaas?“ Ich: „Jaaaa“.
Da diese Kurzfassung der Tiefgründigkeit unseres alljährlichen Herbstgespräches nicht gerecht wird und ich mir zuletzt sogar zugetraut habe einen Karnevalsvergleich aufzustellen, was die emotionale Bedeutung einer in vielen Köpfen negativ behafteten Zeit anbelangt, wurde es Zeit das Thema ein für alle Mal festzuhalten.
Langsam ist es wieder so weit. Morgens, also wirklich früh morgens, riecht die Luft jetzt anders. Sauberer, nicht so grün dabei, ein bisschen feuchter und ein bisschen wie Regen, aber nicht wie im Sommer. Wer jetzt erwartet, dass das derart diffus weitergeht, liegt vielleicht richtig. Ja, es gibt die klassischen „Indian-Summer“-Highlights, die im Zweifel wohl jeder abnicken kann: „ein schöner Spätsommer ist was Schönes!“ oder „wenn die Blätter fallen und die Farben so schön sind, ja das ist toll!“ und „Klamotten machen im Herbst am meisten Spaß!“, aber der Schmerz über den vergangenen Sommer ist doch präsent. Genau da wo es anfängt so komisch zu ziehen im Bauch, da beginnt die Besonderheit des Herbstes.
Mein erstes Kind wurde Anfang Oktober geboren und das Ende des Sommers fiel mit dem Ende der Schwangerschaft zusammen. Die großartige Vorfreude, die leise Panik und trotzdem die fast süffisante Gewissheit, dass ich das alles schon ganz cool machen werde kamen mit dem Sommer und mit dem Herbst kam dann die Geburt. Die orangen Bäume, die andere Farbe der Luft, die völlig veränderte Welt und der unbändige Schock über diese neue Welt brachen auf mich ein. Ich ahnte, was ich verloren hatte und wusste zeitgleich, dass etwas Neues, Unfassbares geschah. Keine Chance zurückzukehren in die Blase der Ungewissheit und Vorfreude, nie wieder das erste Mal schwanger sein. Stattdessen überwältigende Liebe und der Schreck der eigenen Verantwortlichkeit. Die Frage darauf, wie es jetzt so wäre mit Baby konnte ich immer nur mit „extrem! In alle Richtungen extrem!“ beantworten und ich hatte mich vorher als nicht besonders zart besaitet wahrgenommen.
Die Straße, die ich jetzt mit dem Kinderwagen (leerem Kinderwagen, denn das Baby trug ich schreiend auf dem Arm, als ich etwas schlauer wurde dann im Tragetuch) entlangschob war eine andere, als die, die ich noch vor zwei Wochen mit dickem Bauch und unzähligen unsinnigen Drogerieeinkäufen entlanggeschlendert war. Das Gefühl, dass nicht nur die Geburt, sondern auch der Wechsel der Jahreszeit, meine gesamte Wahrnehmung verändert hatte, hat sich bis heute eingebrannt. Eventuell bin ich also einer verrückten Prägung erlegen (Korrelation statt Kausalität?) oder aber der Zauber dieser Zeit hat sich mir in dem Moment des Abschiedes und Neubeginns besonders gut erschlossen.
Das Ende des Sommers, der während er passiert, nie so gut ist wie in der Erinnerung, und die Gewissheit, dass es lange dauern wird, bis er wieder kommt, fasziniert mich seitdem jedes Jahr aufs Neue. Der Herbst ist der Inbegriff von einem schön verpackten Ende, welches immer die Hintertür auf einen Neubeginn offen hält, auch wenn dieser noch ungewiss und weit weg ist.
Eine Analogie für so viele Themen des Lebens. Geburt, Freundschaften, Elternschaft, Liebesbeziehungen, tolle und schlimme Ereignisse wandeln sich im Laufe der Zeit und das dumpfe Gefühl, dass sich etwas verändert hat, hinkt der Gegenwart immer ein Stück hinterher. Wir wissen erst, wenn das Ende plötzlich da ist, was wir hatten und dass es jetzt anders weitergeht. Es gibt jedes Jahr eine neue Chance, alles kehrt immer wieder, auch wenn es anders aussieht. Die Traurigkeit und die Vergänglichkeit zu genießen und dabei den Neuanfang nicht zu vergessen ist eine große Kunst, glaube ich, und eine, die ich seitdem schon oft üben konnte. Und wenn dann noch rotgefärbte Blätter, morgendlicher Nebel, neue Stiefel und Kürbissuppe dazu gereicht werden, dann weiß ich wirklich nicht, was schöner sein soll.
Diesen einen ganz besonderen Herbst 2009 werde ich auch nie vergessen:
Mit meinem ersten Kind im Bauch ging ich Ende September ins Krankenhaus hinein, veratmete noch Wehen in einer lauen Sommernacht auf dem Parkplatz – 4 Tage später fuhr ich mit Baby im MaxiCosi heim und musste auf dem Weg zum Parkplatz leicht fröstelnd und überwältigt feststellen, dass sich in diesen 4 Tagen nicht nur die Jahreszeit in Herbst geändert hatte, sondern mein ganzes Leben.