Ich habe heute fremdgebloggt bei Rike auf ihrem wundervollen Blog Nieselpriem. Es geht um „Das Weihnachtsgulasch“ und es ist nicht nur ein Rezept. Ich erzähle meine Geschichte zum Rezept. Sie ist bittersüß und handelt von Liebe, Kindheitsweihnachten und einem besonderen Menschen, mit dem ich das alles verbinde und der leider nicht mehr lebt. Meine Tante Rita, ihr rauchiges Lachen, ihr kindliches Gemüt. Ich hoffe, Ihr habt viel Spaß beim Lesen!
Weiterlesen bei Nieselpriem.
Da diese Geschichte ein Teil von mir ist, habe ich mich entschlossen, sie auch auf meinem Blog zu veröffentlichen. Viel Spaß!
Das Weihnachtsgulasch
Für jeden von uns ist Weihnachten etwas anderes, möglicherweise. Mich zum Beispiel beschleicht in jedem Jahr „der Geist der vergangenen Weihnacht“, und ich denke an so viele Weihnachtsfeste meiner Kindheit, an die Menschen, die damit verbunden sind. Und ich habe dann ein lebhaftes Bild vor Augen, bittersüß, von Abschieden durchzeichnet. Sonja trifft mit ihren Worten exakt meinen Weihnachtsnerv und ich freue mich über die Maßen über ihre Geschichte und bin gleichzeitig geehrt und gerührt, dass sie sie hier mit uns teilt.
Die Rike hat mich eingeladen hier mitzumachen und ich freue mich wirklich sehr darüber. Es ist keine lustige Geschichte, obwohl ich leise lächeln muß, wenn ich an die Geschichte denke.
Gulasch und Weihnachten
Gulasch und Weihnachten sind für mich untrennbar miteinander verbunden.
Obwohl es zwischendurch auch etwas anderes bei uns zu Hause gab, wie Pute, Lachs oder Rinderbraten. Nichts kompliziertes, eher so deftige und leicht zuzubereitende Hausmannskost machte meine Mutter Heilig Abend. Kartoffelsalat mit Würstchen war ihr selbst zu langweilig, ewig in der Küche stehen wollte sie auch nicht. Also Braten mit Klößen und Rotkohl. Ich liebe es noch heute, ein Mal im Jahr.
Denke ich aber an die Kombination von Weihnachten und Gulasch, muß ich an meine Tante Rita denken. Sie war die ältere Schwester meiner Mutter. War, denn sie lebt schon lange nicht mehr. Ich habe sie sehr geliebt, als Kind, als Teenager, als Zwanzigjährige. Eigentlich liebe ich sie heute noch. Das Lieben hört ja nicht auf, nur weil jemand nicht mehr lebt.
Rita war für mich eine Bilderbuchtante
Rita war eine Bilderbuchtante: lustig, rau, verletzlich. Sie konnte laut lachen und rauchig singen und hatte trotz oder vermutlich wegen ihres schweren Lebens ein kindliches Gemüt. Rita liebte das sich-freuen und Feiern und das Beisammen sein. Dazu kam ihr besonderer sarkastischer Humor, der nicht schwarz ist, sondern beinhart ehrlich und so witzig, dass es mich jedes Mal aus dem Sessel riss vor Lachen.
Rita hatte diese besondere Gabe, mit uns Kindern nicht beschönigt süßlich zu sprechen, sondern eher so, wie sie es selber lustig und unterhaltsam fand. Ich glaube, die erste Erinnerung an ihren besonderen Humor war, wie ich als kleineres Mädchen mit ihr und meiner Mutter eine Zeitschrift anschaute. Beim Foto eines älteren Mannes sagte ich laut: Der sieht aber beschissen aus!“ „NA!“ machte meine Mutter mahnend. Vor Empörung über meine Ausdrucksweise blieb meiner Mutter erstmal die Luft weg. So sprachen wir zu Hause nicht, auch nicht als Witz! Zumindest nicht in diesem Kinderalter. Rita schaute sich das Foto an, schüttelte den Kopf und sagte ruhig und sehr ernst: „Nee, der sieht nicht beschissen aus. Dann wäre er braun.“ – Stille. – Schreiendes Lachen von uns Dreien!
Mit Rita war immer ein besonderer Glanz in der Hütte
Wenn ich heute an sie denke oder jetzt von ihr schreibe, ist da diese besondere Wärme in meinem Herz.
Wir feierten Weihnachten immer mit Rita und ihrem Sohn gemeinsam. Mein Cousin befand sich altersmäßig genau zwischen meinem Bruder und mir. Wir spielten viel und ausgelassen. Zu Weihnachten wurde laut gesungen und gelacht. Rita war einer dieser Erwachsenen, die auch zu Weihnachten eine kindliche Aufregung und Freude befällt und die sich bei jedem Geschenk, besonders bei denen Geschenken der Kinder, anhaltend mitfreuen kann.
In einem Jahr wollte Rita mit ihrem neuen Mann und ihrem Sohn alleine zu Hause feiern. Ich war schon etwas älter, so ungefähr 14 oder 15 Jahre alt. Ich wusste, dass ich das zu akzeptieren hatte, aber ich fand es blöd. Tags zuvor trafen wir uns noch zum Weihnachtskaffee. Wir aßen Kuchen zusammen, lachten und spielten. Mein Bruder und Cousin spielten ein Flötenstück vor, sagten ein Gedicht auf. Gegen frühen Abend machten sich Rita und ihre kleine Familie auf. Vorher noch haben meine Mutter und ich ihr von dem gemeinsam gekochten Hirschgulasch etwas in einen kleineren Topf abgefüllt. Es würde für die Drei locker reichen und auch wir hatten so viel Gulasch, dass wir davon gut und gerne satt werden konnten. Zu Weihnachten haben die Töpfe nicht so schnell leer zu werden. Dafür hat man dann bis Silvester etwas davon. So gehört das.
Dann kam Heiligabend und wir würden wieder zu viert Weihnachten feiern. Das letzte Mal zu viert waren wir, als ich so 4 oder 5 Jahre alt gewesen sein muß. Wir hatten es schön zu Hause, meine Mutter ist eine Meisterin im Schmücken und Dekorieren. Ein Talent, dass ich nur im Anflug mitbekommen habe, wenn überhaupt. Wenn meine Mutter es weihnachtlich macht, dann kracht es, so weihnachtlich ist es. Ich kann also nicht behaupten, dass ich komplett untröstlich gewesen wäre, mit meiner Kernfamilie den Heilig Abend zu verbringen. Wir vier waren gerne zusammen. Wir lasen Weihnachtsgeschichten und aßen Kuchen. Plätzchen buk auch meine Mutter nie gerne.
Irgendwann, als es an diesem Heilig Abend dunkel geworden war, schickten meine Eltern meinen Bruder und mich ins Zimmer, „damit das Christkind“ kommen kann. Den Brauch haben wir tatsächlich noch lange aufrecht erhalten, egal wie alt wir waren und ob mein Bruder und ich noch an das Christkind glaubten oder nicht. Das ins Zimmer geschickt werden und waaaaaaarten müssen gehörte zu den unumstößlichen Weihnachtsbräuchen meiner Kindheit und Jugend. Ich glaube, wirklich aufgehört haben meine Eltern damit erst, als mein Bruder und ich ausgezogen waren und zu Weihnachten zu Besuch nach Hause kamen. Ich erinnere mich gar nicht mehr so genau.
Egal. Jedenfalls, mein Bruder und ich hockten in unseren Zimmern und warteten. Plötzlich klingelte es an der Tür. Ihr ahnt es vermutlich, da standen Rita, ihr Mann und unser Cousin. In ihren Händen hielt sie den Topf Gulasch. Rita strahlte über das ganze Gesicht. „Wir wollten Euch das Gulasch zurück bringen,“ sagte sie sachlich und ging schnurstracks in die Küche. Meiner Mutter und mir blieb erstmal der Mund offen stehen. Die drei kamen herein, zogen sich die Mäntel aus, Rita stellte das Gulasch in die Küche und sie setzten sich. Und dann war Weihnachten.
Nie wieder in den darauf folgenden Jahren kamen wir auf die Idee, dass eine der beiden Familien unter sich Weihnachten feiern wollen würde. Auch nicht, als Rita überraschend und viel zu jung in einem November gestorben war. Das ist jetzt 23 Jahre her. So viele Jahre habe ich nicht mit ihr Weihnachten feiern dürfen, so lange ist das schon her.
Mittlerweile hat es viele Wendungen in der Familie gegeben und wir feiern nicht mehr mit meinem Cousin und seinem Vater. Aber Gulasch und Weihnachten haben seitdem eine besondere Verbindung. Übrigens auch das Hüttenglanz-Gefühl, das ich habe, sobald ich an Rita denke. Und an ihr rauchiges Lachen. Wenn ich die Augen schließe, kann ich es noch hören. Das hört ja nicht einfach auf, so ein Lachen, nur weil jemand gestorben ist.
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Hirschgulasch – Das Rezept
Nein, es ist leider nicht das Originalrezept meiner Mutter, sie hat es nicht. Meine Mutter kocht so etwas „natürlich“ nicht nach Rezept sondern frei Schnauze und daher hat sie auch keine Aufzeichnungen darüber. Dieses Rezept habe ich mir mit ihr „erarbeitet“, als ich vor mehreren Jahren selbst mal Hirschgulasch zu Heiligabend kochen wollte.
1 Kilogramm Hirschfleisch
250 gr Schalotten
2 Knoblauchzehen
2-3 Möhren
2 Zweige Thymian
2 Zweige Rosmarin
Öl
1-2 EL Tomatenmark
1 EL Mehl
Salz
frisch gemahlener Pfeffer
1 Flasche Rotwein (ersatzweise Gemüsebrühe)
400 gr passierte Tomaten
2 Lorbeerblätter
5 Wacholderbeeren
Fleisch abspülen und trocken tupfen. Schalotten und Möhren würfeln, Knoblauch fein schneiden. Zitrone abspülen, trocknen und die Schale dünn abziehen.
Das Fleisch rundum golden anbraten, aus dem Topf/Pfanne nehmen und beiseite stellen. Jetzt darin Schalotten, Möhren und Knoblauch andünsten. Tomatenmark hinzu und mit Mehl bestäuben. Dann kommt das Fleisch wieder hinzu; mit Salz und Pfeffer würzen.
Rotwein und die passierten Tomaten hinzugeben. Das Fleisch sollte von Flüssigkeit bedeckt sein, ggf. noch etwas Brühe nachgießen. Alles aufkochen und dann auf niedriger Flamme köcheln lassen. Nach dem Aufkochen die Wacholderbeeren, das Lorbeerblatt und die Gewürze hinzu geben. Mindestens 50 Minuten köcheln bis das Fleisch zart ist.
Fleisch herausnehmen, Sauce sämig einkochen lassen und mit Salz und Pfeffer abschmecken.