Für wen war die Geburt der eigenen Kinder eigentlich keine Zäsur im Berufsleben? Für all die Working Moms, die ich bisher interviewt habe, jedenfalls nicht. Sie alle haben aus pragmatischen sowie inhaltlichen Werteverschiebungen eine Unterbrechung im Berufsleben und Neuorientierung erfahren.
Ich finde das spannend, weil es mir ähnlich ging. Und ich finde es lehrreich zu erfahren, was andere Frauen mit ihrem Beruf und aus ihrem Arbeitsleben machen.
Heute stelle ich Euch Jessica Brägelmann vor. Sie ist Familienbegleiterin, Trageberaterin, Krabbel- und Spielgruppenleiterin, Elternvernetzerin – und übrigens auch Bloggerin, wie Ihr auf ihrer Webseite sehen könnt. Aber was sie genau macht, warum und mit welchem Fokus, das erzählt sie Euch am besten selbst. Viel Spaß!
Liebe Jessica, Du bist Mutter und hast Dich vor einiger Zeit selbständig gemacht als Familienbegleiterin. Was bietest Du Familien an?
Hallo Sonja, seit 2013 bin ich als Familienbegleiterin tätig. Ich berate und begleite Eltern und ihre Kinder in den ersten Lebensjahren.
Angefangen habe ich mit Beratungen rund ums Baby. Als Trageberaterin zeige ich Eltern, wie sie ihr Baby anatomisch korrekt und bequem im Tragetuch oder in einer Tragehilfe tragen. Ich lasse sie verschiedene Tücher und Tragen ausleihen und testen, damit sie wirklich Spaß am Tragen haben können.
Darüber hinaus biete ich Beratungen zum Wickeln mit Stoffwindeln, selbstbestimmtem Essen und breifreier Beikost, sowie zum Stillen an.
Meine andere “Sparte” sind Kurse. Ich biete ganzheitliche Babykurse (Babysteps) an, die unter anderem die wichtigen Babythemen, wie Stillen, Schlafen, Tragen und Bindung aufgreifen.
In der ersten Babyzeit habe ich bewußt keine Beratungskurse gewählt, sondern suchte Anschluss zu anderen jungen Eltern. Erlebst Du das auch so?
Ja, darum biete ich zusätzlich PlayLabs an, mein eigenes Kurskonzept für Babys und Kleinkinder ab 6 Monaten. Hier geht es ums freie Spielen für die Kinder und die Vernetzung der Eltern. Angelehnt an einen Spielraum nach Emmi Pikler, gibt es zudem Montessori-Elemente und das sogenannte freie Spiel mit unstrukturierten Materialien (also kein Spielzeug, sondern Material, das frei eingesetzt werden kann, z.B. Stöcke, Kastanien, Blätter, Flaschen, etc.). Im Vordergrund für die Eltern steht der Austausch und Informationen über die Kleinkindzeit. Dieser Kurs ist besonders, weil hier Babys und Kleinkinder zusammenkommen können, was in den meisten Fällen leider nicht möglich ist.
Wie unterscheidet sich Familienbegleitung vom Kursangebot?
Zusätzlich zu den Kursen und Beratungen gibt es auch Familien, die ich länger begleite und immer wieder besuche oder ihnen per Email schreibe zu den anfallenden Themen in ihrer Familienentwicklung. Dieses ganzheitliche Angebot möchte ich auf jeden Fall noch ausbauen, denn ich merke, wie gut es den Eltern oft tut, wenn sie noch eine feste Ansprechpartnerin haben, wenn die Hebammenbetreuung wegfällt.
Mein Motto ist, dass es gemeinsam einfacher ist, und Ziel ist es, sich immer zu vernetzen. Zusätzlich zur Familienbegleitung habe ich daher in Bremen die Hackermoms gegründet, eine Gruppe von Müttern, die selbstständig sind oder z.B. noch studieren und ihre Kinder dennoch (noch) selbst betreuen. Wir treffen uns zum arbeiten (co-working) mit Kindern, und veranstalten Treffen, wo wir einander beim Brainstorming helfen, Ideen vorstellen und und und.
Was hast Du eigentlich vorher gemacht? Was hast Du aus deinen bisherigen Jobs mitgenommen?
Bis zur Geburt war ich als Lehrerin und Pädagogin tätig. Die Arbeit mit Eltern kannte ich daher schon gut, und ich weiß, wie wichtig es ist, wenn Eltern sich gut aufgehoben und ernst genommen fühlen.
Konzepte, an denen ich vorher gearbeitet habe, kann ich nun auf Kleinkindebene neu entdecken, wie zum Beispiel bei meinem PlayLabs Kurs.
Du hast also auch die Geburt als „Zäsur“ im Berufsleben? Wie kam es dazu?
Mit dem ersten Baby hat sich unser Leben, wie bei den meisten, total verändert. Plötzlich eröffnet sich mir Themen, die ich mich vorher nicht interessierten: Wickeln mit Stoffwindeln, Tragen, Stillen, etc. Ich stellte schnell fest, dass die gängigen Ratgeber nichts für uns waren und schnell fanden wir uns im Attachment Parenting wieder. Stillen nach Bedarf, den Bedürfnissen unseres Babys nachkommen und Bindung.
Das es anderen Eltern genauso geht, habe ich sofort gemerkt und mich häufig in einer “beratenden Freundin”-Rolle wieder gefunden.
Da ich nicht mehr zurück an die Schule wollte (wir haben unter dessen das Bundesland gewechselt und mein Vertrag an der Schule lief 6 Monate nach der Geburt aus), habe ich mich schnell neu orientiert. Was erst ein bisschen Hobby war, entwickelt sich immer mehr zu einem soliden Beruf, den ich liebe.
Wie hast Du Deine Selbständigkeit anfangs finanziert? Wie läuft es heute?
Ich habe in der Elternzeit angefangen und meine Selbstständigkeit langsam aufgebaut. Noch arbeite ich wenig, denn meine kleine Tochter ist erst 9 Monate alt. Mein Mann unterstützt mich sehr. Im Januar steige ich wieder voll ein, d.h. für mich ich plane 20 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Dabei betreue ich die Kinder selbst. Da mein Mann auch freiberuflich tätig ist, teilen wir uns dies sozusagen.
Ich beziehe glücklicherweise auch den Gründungszuschuss von der Bundesagentur für Arbeit, was mir den Start besonders erleichtert hat.
Wie und wo arbeitest Du? Hast Du eigene Räume? Und wie viel arbeitest Du?
Meine Beratungen und Kurse laufen in meinen eigenen Räumen. Die Background-Arbeiten, wie Marketing, Buchhaltung, usw. finden zuhause statt.
Im Durchschnitt arbeite ich 20 Stunden wöchentlich. Davon sind ca. 10 Stunden für Kurse und Beratungen verplant.
Du sagst, Du bist glücklich in Deinem Job. Was ist das Tollste daran?
Mir macht es sehr viel Spaß, Menschen zu bestärken und zu vernetzen. Oft sind meine Kundinnen schon sehr vom Tragen, Stoffwickeln oder anderen Elementen überzeugt. Sie wollen etwas anders machen und suchen nach Informationen und Unterstützung.
Besonders toll ist es für mich, wenn frischgebackene Eltern ihr Baby das erste Mal ins Tuch binden und das Baby dabei einschläft. Das ist sehr oft ein wunderbarer Moment voller Glück.
Was würdest Du anderen Müttern raten, die sich auch selbständig machen wollen?
Finde dein “Ding”. Wenn du weißt, was es ist, dann hast du schon einen großen Vorteil! Denn wenn du weißt, was dich treibt, wo du gut drin bist und was du anderen bieten kannst, dann ist der erste Baustein schon gelegt und der Rest ist ein bisschen Knochenarbeit.
Sei ehrlich zu dir selbst und lass dich nicht entmutigen!
Stichwort Vereinbarkeit: Wie hast Du Dir mit Deinem Mann das Familien- und Job-Vereinbarkeitsthema geregelt? Wie macht Ihr was? Und wer?
Oft sind wir beide daheim und können uns um die Kinder gemeinsam kümmern. Ist mein Mann unterwegs, so habe ich den Vorteil, dass meine Schwiegermutter im Haus wohnt und sehr gerne hilft. Wir sind sehr dankbar für die Hilfe beider Omas, denn ohne sie, würden wir viel öfter Probleme mit der Vereinbarkeit haben.
Wie ich schon erwähnt habe, arbeite ich gerne gemeinsam mit anderen Müttern, die ihre Kinder auch selbst betreuen. Der Vorteil hierbei ist, dass die Kinder so miteinander beschäftigt sind und wir echt etwas schaffen. In den USA gibt es eine Hackermoms Gruppe, die eine eigene Kita hat. Zusätzlich unterstützt uns eine wundervolle Tagesmutter in unserem Haus für ein paar Stunden pro Woche.
Kannst Du uns bitte einen typischen Tagesablauf vom Aufstehen zum ins Bett-gehen schildern?
Mein Tag beginnt eigentlich immer früh um 6 Uhr. Wir wachen gemeinsam auf und frühstücken. Ich bin morgens sehr produktiv, daher arbeite ich an den “background”-Dingen morgens am liebsten.
Kurse finden vormittags statt, Beratungen und Workshops am Vor- oder Nachmittag.
Grundsätzlich sind viele Nachmittage für die Familie reserviert, wenn ich morgens arbeite. Abends ist Freizeit, da versuche ich nicht zu arbeiten.
Welche Pläne hast Du beruflich für Dich, wohin geht Deine Reise?
Ich möchte langsam die Stundenzahl erweitern und arbeite seit kurzem zusammen mit einer anderen Pädagogin, um das PlayLabs Konzept auszuarbeiten. Darauf werde ich mich konzentrieren. Zusätzlich bin ich ziemlich involviert mit dem Geburtshaus in Bremen Schwachhausen, wo ich regelmäßig Trageworkshops und Workshops zu breifreier Beikost gebe.
Wo findet man Dich überall im Netz?
Twitter: @familienbegleitung und @watchtheglow