Gestern saß ich in einer Runde von Frauen, die alle etwas spannendes machen. Es war ein Mama-Blogger Beauty Talk. Wir waren alle Mütter, alle Bloggerinnen, die meisten (noch zusätzlich) berufstätig. Es ging im Auszeiten für Mütter, um „Me-Time“, um erholsame Augenblicke im Alltag und um Beauty, was auch immer das für die Einzelne heißt. Was ist Me Time und was machen wir dann? Stören die Kinder dabei und was hat der Partner damit zu tun? Spoiler: Für die meisten hatte Me-Time mit Körperpflege, Kosmetik, Kaffee oder Tee zu tun, gerne mit Partner, geht aber auch ohne. Das ist bei mir nicht anders. Auch Meditation kam zur Sprache, Sport wurde am Rande erwähnt. Bis uns auffiel: Ach nee, für uns alle vorallem auch Bloggen.
Für mich ist das Bloggen Besinnung und Struktur, Denken und Abschweifen, Fiktion und Wirklichkeit, Abreagieren und Selbstentwicklung, Kommunikation, Austausch und meine persönliche Netzkultur. Vor allem ist es einfach nur meins. My room of my own.
A room of one’s own
Eine Auszeit ist das, was mir Zeit für mich gibt. Ob das ein Ort ist, wie ein eigenes Zimmer, in dem ich arbeiten und produktiv sein kann oder ein geistiger Ort, in dem ich mich ausdrücken und ausprobieren kann.
Me-Time ist ein Ausdruck, den (unter anderem) ein Twitter Account ziemlich pointiert aufs Korn nimmt. Ein Ausdruck, der diese ganzen Empfehlungen an Frauen und Mütter entlarvt. Empfehlungen, was und wie Frau alles wuppen kann: Familie, Beruf, Körperpflege, sexy aussehen und lässig sein. Die Tweets haben einen rhetorischen Twist: sie sind an Männer gerichtet. Denn genau für Väter gibt es wenig bis keine Me-Time, Beauty- Mode oder Wellness-Empfehlungen. (Widerspruch gerne unten im Kommentar. Danke!)
WAKEY WAKEY BUSY DADS! Wife & kids asleep? Now is the time to luminate dull skin, worry about Christmas & get started on Halloween hair.
— manwhohasitall (@manwhohasitall) October 26, 2015
Working husband? How do you juggle kids, job, hair & dry elbows? Luke, age 30, „I never put myself first.“ Inspirational. — manwhohasitall (@manwhohasitall) October 25, 2015
Wife back on the playstation? Kids asleep? Time to celebrate your flaws in a candlelit bath with a mouthful of dry feathers. Enjoy.
— manwhohasitall (@manwhohasitall) October 25, 2015
Me Time ist trotzdem ein Konzept, das ich gut finde und empfehle – geschlechtsunabhängig. Sich um sich selbst kümmern, pflegen, hegen und schön machen ist für mich – für viele – so etwas wie Self-Care in metaphorischen Handlungen. Es ist egal, was es ist. Ob Meditation, Kaffee oder Smokey-Eye-Experimente: Kleine Auszeiten, die mir gut tun, die mich entspannen, die mir Freude bereiten und die mir helfen, mich danach besser, fröhlicher und ausgeglichener zu fühlen als vorher. Die Frage ist nur, ob ich diese kleine Auszeit für etwas nutze, das mir wirkliche Entspannung und Freude bereitet. Etwas, dass Tempo runternimmt. Etwas, das eben nicht doch der Selbstoptimierung, dem schönen und besseren Schein genutzt wird. Das macht den Unterschied. Also, was auch immer ich tue, wenn ich es mag, taugt es zur Entspannung und zur Auszeit. Ob das die Steuererklärung oder ein Rosenblätterbad ist, gut tut, was gefällt und quasi ziellos und zum reinen Selbstgefallen eingesetzt wird. Zumindest ist das meine Definition von Auszeit.
Me Time vor den Kindern und heute
Vor den Kindern war Me Time im Prinzip das, was außerhalb der Arbeit stattfand. Wobei selbst die Arbeit oder damit Verwandtes in den guten Zeiten meines Arbeitslebens mit Me Time zu tun hatte. Zu meiner Me-Time gehörte Ausschlafen, gutes Essen, Kunstausstellungen, Theater und Tanz, Radtouren, Freunde treffen, Freunde bekochen und bekocht werden, Reisen, Shopping- und Bummeltouren, Stricken, Filme, Bücher, gute Gespräche, tanzen gehen, Blödsinn machen, Mußestunden, Nachdenken bis ich damit fertig bin, Löcher in die Luft gucken und so weiter.
Nach den Kindern waren Kunst und Museum keine gute Idee. Theater und Tanz, Essen oder Film, Ausschlafen, Mußestunden, Löcher in der Luft und Freunde treffen wurden zu den Dingen, für die ich meine wenige freie Zeit aufteilen mußte.
Was mir ganz besonders fehlt, sind diese Ruhepausen ohne alles. Die mit Löchern in der Luft, Stille, Ruhe, Atmen, Gedanken abschweifen lassen und rebooten. Das geht mit Kindern nicht und wenn ich mal frei habe, gibt es etwas in mir, was die freie Zeit möglichst effizient für die Entspannung nutzen will. Ein Absurdum.
Ich hatte schon immer einen mir natürlich eingewebten Egoismus. Ich funktioniere nicht besonders lange, wenn ich zu wenig Zeit für mich habe. Ich werde unleidlich, streitsüchtig und innerlich leer und traurig. Alles bereits mehrfach getestet. Die Babyzeit war da nicht anders, trotz der gleichzeitigen großen Liebe, des Glücks und dem Verliebtsein. Das war zwar gefühlsmäßig eher verwirrend, aber als ich heraus bekommen hatte, dass die Leere in mir der zu wenigen Zeit für mich geschuldet war, wurde es langsam besser. Also fing ich an, mir auch in jungen Jahren der Kinder schon Auszeiten zu gönnen. Nicht nur, wenn mal der Mann oder die Großeltern da waren, sondern auch, wenn ich mit den Kindern alleine war. Diese Tasse Kaffee muß jetzt sein. Und darf sie auch. Darüber habe ich mal gebloggt.
Nein! – Aus Liebe zu mir
Manchmal, wenn andere Frauen über ihre Me Time erzählen, frage ich mich, ob sie diese Zeit für sich jemals einfordern oder ob sie warten, bis sie ihnen gewährt wird. Ich frage mich auch, ob sie vorher und nachher unermüdlich tun, machen, organisieren, managen und andere amüsieren. Oder ob sie auch mal im Alltag einfach nur ihr langweiliges, müdes Selbst sind. Ob sie auch mal die Frau sind, die keine Lust auf Tempo und Extrawürste hat sondern auf Schmalspur und Pause.
Vielleicht sind auch die wenigsten so faul und ruhebedürftig wie ich – oder so alt und langsam. Denn so schön ich Auszeiten finde und so wichtig sie sind, genauso sehr besteht ein Zusammenhang zwischen Me-Time auf der einen und Tempo, Dauerorganisieren und für alles Soziale, Familäre und Haushalterische da sein müssen auf der anderen Seite.
Wenn ich Tempo rausnehme und weniger schaffe, muss es halt jemand anderes machen. Oder es bleibt liegen und alles ist ein bisschen weniger Katalog-perfekt.
Wenn ich Tempo rausnehme und bewußt eine Pause mache, schaffe ich stattdessen etwas anderes mehr. Mehr Nervenstärke, mehr Selbstwertgefühl, mehr Self-Care und mehr Akzeptanz für meine Belange bei anderen.
Wenn ich Tempo rausnehme und damit klare Prioritäten setze, was ich machen will und was nicht, könnte das, was ich tue, mehr Me-Time sein. Weil es mir dann im Zweifel mehr Spaß macht, weil ich es dann bewußt mache, achtsam, selbstbestimmter und mit mehr innerer Ruhe.
Letztendlich ist alles einfach nur Mathe.* Es gibt keine 150 Prozent. Es gibt nur 100. Wenn ich glaube für die Arbeit 100% geben zu müssen, gibt es keine Freizeit und keine Erholung mehr. Egal wie effizient ich glaube, Me-Time nutzen zu können. Wenn die 100% aufgebraucht sind, nutzt kein Multitasking und keine Effizienz.
Ich bin nicht gegen Schminken, Föhnen und Nägel lackieren. Im Gegenteil, mir macht das auch Spaß. (Manchmal.) Wenn ich ansonsten in meinem Leben nur rödele wie irre, hetze und optimiere, dann ist das bisschen Zeit nicht genug. Dann brauche ich mehr Nein zu anderen und Ja zu mir selbst. Nein zum Schein und Ja zum Sein.
Und mit dieser ernstgemeinten Floskel endet dieser Text.
*Das ist ein Zitat von dem enorm inspierenden und mir Augen öffnenden republica Vortrag von Gunther Dueck – Schwarmdumm: „Mit Überstunden kriegt man Wunder nicht hin.“ Er ist Mathematiker und hat etwas sehr kluges und erfrischend einfaches über Energie, Effizienz, Burn Out und Mathe gesagt. Unbeding ansehen. Jetzt. Ist Me-Time, versprochen!
Und jetzt Ihr? Was ist Me-Time für Euch? Wie und womit verbringt Ihr sie? Hattet oder habt Ihr Zeiten im Leben, an denen Ihr Euch fühlt, wie eine Kerze, die von beiden Seiten brennt? Wie seid Ihr daraus wieder herausgekommen, was macht Ihr jetzt anders?
Toller Text! Mir geht es wie dir. Ich brauche auch regelmäßig Zeit für mich, da sonst mein dunkles Ich zum Vorschein kommt ;-)
Me-Time heißt bei mir gemütlich auf der Couch vor dem Fernseher liegen und nichts anderes erledigen zu müssen, Zeit zum Laufen und dabei Träumen zu finden oder mit meinem Mann oder meinen Mädels in Ruhe einen Kaffee zu trinken und dabei zu philosophieren, ohne gegen die ENORME Lautstärke der Kinder ankämpfen zu müssen.
Mir geht es genauso! Sehr guter Text und passt super zu meinem Motto „Entspannt ist besser als perfekt“ ;-). Aber mal im ernst. Mir fehlt sie auch oft, die Freiheit einfach mal das zu machen, was man will! Klar, nach ca, 20 Uhr geht das oft auch, wenn die Kinder schlafen. Doch meist ist man dann einfach zu müde und/oder hat noch viele andere Dinge zu erledigen… Oder eben, wie du schreibst, einfach mal das Tempo rausnehmen und bewusst weniger schaffen!
Viele Grüße
Nadja
„…a mouthful of dry feathers“ – Großartig! Ich muss gerade so lachen.
Generell geht es mir wie Dir. Arbeiten muss ich dringend an der Durchsetzung meiner Ich-Zeit. Denn während der Mann sich die ganz selbstverständlich nimmt, lasse ich sie zum familiären Wohl ganz schnell hintenüber kippen. Und lande dann mit einem Fuß im Burn-Out. Nicht sehr schlau.