Kennt Ihr das? Manchmal bin ich zu überwältigt von Ereignissen und Gefühlen. Und obwohl sie mir wahnsinnig wichtig sind, kann ich sie nicht in Worte fassen. Die letzten 10 Tage sind für mich persönlich von den Nachrichten rund um die Flüchtlinge und Asylbewerber geprägt. Und das in zwei Extremen. Zum einen die widerwärtigen Nazi-Attentate auf Asybewerberheime, Polizisten und Gegendemonstranten. Und zum anderen das berührende und mich bis in die Knochen erwärmende Engagement und die Liebe der vielen Helfer*innen und Ehrenamtliche. Egal ob am #LaGeso, in Hamburger Karoviertel oder im Internet. Dazu kommen private Erlebnisse, die mich sehr berühren und die mir wichtig sind. Mixed Emotions. Berg- und Talfahrt.
Kindergeburtstag – Lebensfreude pur
Meine Woche war wirr, herausfordernd, schockierend traurig und wundervoll fröhlich. Lebensbejahend, nachdenklich und voller Termine. Ich habe ein Basisseminar für das Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe besucht, mein lieber Sohn feierte seinen vierten Geburtstag am Sonntag, am Montag war Kindergeburtstag bei uns zu Hause. Und, reader, ich war entspannt dabei. Richtig echt entspannt. Es war ein zauberhaft niedliches Fest mit 5 kleinen Jungs und der zwei Jahre älteren Schwester. Kind2 kam aus dem Geburtstagsfeiern gar nicht mehr heraus – und er liebte es. Mittwoch feierte er in der Kita mit seinen Freunden. Diese Freude! Wie er aufblüht, weil er im Mittelpunkt steht, auch wenn es ihn verschüchtert. Das gefeiert werden, die Dekoration, die Krone, der Geburtstagsorden, all die vielen schönen Dinge, die sich die Erzieherinnen in der Kita für die Geburtstagskinder einfallen lassen, haben ihn euphorisiert. Und mich mit. Ich habe so viele Beobachtungen an ihm gemacht. Wie sehr er exklusive Aufmerksamkeit genießt und in sich aufsaugt, wie sehr ihn das auch überfordert. Und sobald die Feier (und seine Wutanfälle wegen Überforderung vorbei) fragt er, „Wann kommen meine Freunde wieder?“. Hach! Wie sehr er sich freuen kann, feiern kann, leidenschaftlich sein. Wie sehr er mich noch braucht, weil er gerade so wächst, älter wird und neues begreift. Wie er Geschichten erzählt und sich Sachen ausdenkt, wie er versucht, mir von seinen Träumen zu erzählen.
Refugees Welcome!
Meine Woche war herausfordernd und schockierend traurig, weil ich unentwegt die Nachrichtenlage rund um die Flüchtlinge in Europa und insbesondere in Deutschland verfolge. Ich kann meine Wut und meine Verzweifung durch die gewalttätigen Nazis gar nicht in Worte fassen. Da urinieren Nazis auf Kinder, Flüchtlingsheime werden in Brand gesteckt, Nazis bedrohen Flüchtlinge und attackieren Polizisten. So traurig, die Karte der Gewalt. Polizisten greifen beim braunen Mob jedoch nicht wirklich durch, sind zu wenig aufgestellt. Als an den darauffolgenden Tagen Gegendemonstranten aus den umliegenden Orten und Städten kommen, werden die dann aber fachmännisch eingekreist, geschlagen, mit Tränengas attackiert. Die Gegendemonstranten, wohlgemerkt, nicht die Nazis. Kalte, unbändige Wut auf die Polizei. Diese Nachrichten mußte ich schon bei den Düsseldorder Anti-Dügida-Demonstrationen ständig lesen.
Es reisten Sigmar Gabriel und die Kanzlerin zeitversetzt nach Heidenau und trafen die Nazis. Merkel winkte ihnen. Sie haben beide jeweils zwei Sätze gesagt, irgendwas mit Schande, Menschenwürde und Deutschland. Klare Worte, klare Kante ist was anderes und „die volle Härte des Gesetzes“ kam auch nicht darin vor. Stattdessen: Dank an den Bürgermeister von Heidenau. Für was?! FÜR NICHTS! Warum danken sie nicht den Gegendemonstranten für ihre Arbeit, für die Aufmerksamkeit, für die symbolische Handlung für Demokratie?! Das meine ich ernst. Irgendwas läuft sehr schief in den Köpfen unserer Regierung. „Treating refugees as the problem, IS the problem“.
Dachau-Preis für Zivilcourage 2015 im Interview
Ich habe mit der Preisträgerin des Dachaupreises für Zivilcourage gesprochen, Gülşen Çelebi. Ich bin noch tagelang danach geflasht von ihrem Kämpfergeist, von dem, was sie mir erählte. Von dem Schrecklichen, was sie sieht und erlebt. Aber auch von ihrer ehrenamtlichen Arbeit. Und ich bin geflasht, wie sehr ich mich durch die bestätigt und motiviert fühle. Ihre Beobachtungen über das Verhalten der Polizei, der Staatsmacht…. Und sie ist Juristin. Ich bearbeite gerade das Interview und freue mich unbändig darauf, es Euch hier in hoffentlich wenigen Tagen präsentieren zu können. Freut Euch darauf, sie ist großartig.
Me-Time, Mompreneurs und Coaching
Ich war auf dem Treffen der Mompreneurs Düsseldorf und habe wirklich spannenden Frauen kennengelernt. Prompt wurde ich von Maureen auf eine Ideenparty eingeladen! Brainstorming goes social goes emotional. Mehr als ganz großes Kino, ich überlege noch, wie ich das in Worte fassen und in Text gießen kann. Sehr viel Input, sehr viel Selbstreflexion. Habt Ihr Interesse an einem Bericht über Coaching nach Barbara Sher? Wollt Ihr von Ideenparties hören? Dann frage ich sie mal, ob wir etwas zusammen machen wollen.
Mein Herz macht: —–
Zwischendruch immer wieder Twittermeldungen, Nachrichten über Flüchtlinge, Atemstocken. Trauer, Wut. Der Wunsch in Lethargie und Trauer zu verfallen. Mein Gehirn macht bei Gedankenspielen nicht mit, obwohl es selbst damit angefangen hat. Was es für die Eltern bedeuten muß, auf der Flucht gewaltsam von ihren Kindern entrissen zu werden, wenn Schlepper den Rucksack mit Medizin ins Meer werfen und das Kind daraufhin stirbt, wenn Schlepper weinende Kinder und Babys ins Meer werfen. Wie es sich für die Kinder anfühlen muß, ihre Eltern zu verlieren. Wie es sich für Kinder anfühlen muß, alleine nur mit anderen Kindern zu reisen. Und die dann auch zu verlieren. Und dann merke ich, wie mein Gehirn nicht weiterdenken will, selbst wenn ich es versuche. Wie mein Herz zu macht und ich gar nichts mehr fühle. Noch nichtmal mehr die Kälte oder die Trauer, auch keine Wut. Wie mich das in Erstaunen versetzt und dann aber auch mit Erleichterung.
Flüchtlingshilfe: Dann muß ich es wohl selbst machen, aber Schüchternheit. Arschtritt!
Wie ich zu schüchtern bin, mit den alten, aber gut erhaltenen Gummistiefeln der Kinder zum Flüchtlingsheim zu fahren. Die Sammelstellen nehmen schon seit Monaten nichts mehr an. Ich sitze auf einem Berg Kinderklamotten, den ich bereits im Frühjahr gerne abgeben wollte. Wie ich den Berg Klamotten, den die Flüchtlingshilfe „derzeit“ nicht annehmen kann, weil sie schlicht keinen Platz zum Lagern mehr hat. Hier in Düsseldorf gibt es noch keine zentrale Anlaufstelle, man muß sich einzeln durchfragen. In den Fairshops haben sie auch schon keinen Platz mehr. Warum gehen die Spenden nicht weiter? Wer macht was in den Asylbewerberheimen? Wie ich nicht glauben kann, dass die Flüchtlinge nicht dankbar Kinder- und Erwachsenenkleidung annehmen würden. Weil, ganz ehrlich, auch Flüchtlinge niemals genug Klamotten für die Kinder haben können. (Und für Eltern, die von den Kindern dreckig gemacht werden. Und die ohne Kinder haben auch gern frische Kleidung. Ok., ihr habt’s jetzt. :)) Alles täglich waschen und trocknen geht gar nicht. Das wird doch auf der Leine gar nicht trocken. Wie auch Gülsen Celebi deshalb von der Intransparenz der Düsseldorder Flüchtlingshilfe verwirrt ist und sagte, „Egal, dann muß ich es eben selbst machen.“ Wie ich weiß, wie sehr recht sie damit hat. Ob ich endlich einfach zum Asylbewerberheim fahre? Ich sollte einfach endlich meine neuen Nachbarn besuchen gehen und fragen, wer etwas braucht.
Meine Motiviation, mein Mut, meine Freude: Danke #BloggerFuerFluechtlinge
Und dann, last aber gar nicht least, wie sehr #BloggerFuerFluechtlinge mir Mut macht, mich begeistert. Mich dankbar macht für das Internet und die großartigen Menschen, die ich darüber kennen lernen darf. Blogger für Flüchtlinge hat insgesamt knapp 30.000 Euro eingenommen! Gestern hat ein anonymer Spender 10.000 Euro gespendet. Wahnsinn. Wie toll alle in der Gruppe zusammen arbeiten, wie engagiert alle sind, welch Knochenjob einige dort machen und mit wieviel Herzblut das Logo, die Webseite, die Buttons für die Avatare, das Plakat, die Texte – ALLES dort entsteht. Ich bin dankbar dafür und hoffe, wir können noch viel mehr Geld für Flüchtlinge sammeln. Ich hoffe, wir können noch mehr Menschen erreichen und sie auch motivieren zu helfen, egal ob mit Sachspenden, Geld oder mit ihrer Aufmerksamkeit und mit ihrer Stimme. Ich hoffe, wir können noch viel mehr Menschen bewegen, laut zu werden und der Menschenfreundlichkeit und Willkommenskultur in unserem Land ein Gesicht und eine Stimme geben.
Wie sagte gestern ein Kommentator im Deutschlandfunk so schön: „Die Anderen sind lauter, aber sie sind wichtiger.“
Linkliste
- Linkliste mit Texten der Blogger von #BloggerFuerFluechtlinge
- Deutschlandfunk: Den Helfern gebührt mehr Aufmerksamkeit
- 3 pakistanische Jungs bei uns #refugeeswelcome – Ein schockierender und zugleich auch berührender Text von Lucie Marshall – Auch die anderen Texte von Tanya zum Thema Lageso und Flüchtlinge sind sehr lesenswert
- Ein ganz wundervolles und bezauberndes Video von Carline Mohr und ihrem Papa, der erklärt, warum wir Flüchtlingen helfen sollten, dass sie willkommen sind und warum wir sie brauchen.
- Vorboten einer neuzeitlichen Völkerwanderung: Völkerwanderungen gibt es seit Beginn der Menschheitsgeschichte. Die gegenwärtige Form der Migration hat jedoch Besonderheiten. Erstens gab es noch nie gleichzeitig so viel Bedrohliches für so viele Menschen. Zweitens hatten die Bedrohten noch nie so viel Kenntnis über die ungerechte Verteilung der Güter auf dieser Erde: bittere Armut auf der einen und überbordenden Reichtum auf der anderen Seite. Und drittens war es noch nie so einfach, von einem Erdteil in einen anderen zu gelangen. Kommt all das zusammen, dann sind Massenwanderungen die logische Folge.
- Wie und wo kann ich helfen? Übersichtskarte für ehrenamtliches Engagement für Flüchtlinge
Weitere gute Artikel zum Thema „Gesicht zeigen“ und „Flüchtlingshilfe“ könnt Ihr sehr gerne hier in den Kommentaren verlinken.