„Gemeinsam für starke Mädchen“ oder auch „Mehr Mut zum Ich“ ist das Thema der Blogparade, zu der Anna von Berlinmittemom aufgerufen hat. Ich habe sofort „Hurra“ geschrien. Weil das Thema wichtig ist und der Grundstein für selbstbewusste Mädchen meiner Meinung nach bereits im Kindergartenalter gesetzt wird. Da ich Kindergartenkinder habe, und von älteren Kindern noch nicht wirklich eine Ahnung, geht es bei mir um die ganz frühen Einflüsse. Und ich freue mich über den Anlass über dieses Themenfeld zu bloggen, weil ich sowieso ständig darüber anderen Mamas, meiner Mama, meinem Mann in den Ohren liege. Ich habe versucht, meine Gedanken auf ein paar Beispiele runterzudampfen. Ich könnte sonst ewig so weiter schreiben.
Aaaalso: Meine Theorie ist – eine meiner vielen Theorien, ich liebe Theorien! – dass ein Kind ein starkes Vorbild braucht. Nicht ein dominantes, ein starkes. Wenn Mama und Papa (!) stark sind, hat das Mädchen eine sehr gute Chance, auch stark zu werden, bzw. zu bleiben. Doch dazu später mehr.
Mein grundsätzlicher Gesamtauftrag an mich als Mutter ist der: Ich möchte meine Kinder zu selbstbewussten, aufgeschlossenen, handlungsfähigen und optimistischen Menschen „erziehen“. Ich möchte die richtigen Ermutigungen aussprechen und die guten Impulse setzen. Mir geht es dabei unter anderem auch um ein modernes, unvoreingenommes Weltbild, was die Geschlechter angeht. Möglichst gering konnotierte Rollenbilder, möglichst wenig Klischees, keine stark heteronormative Wertevermittlung. Nur, um das mal kurz und schwammig zu umreißen.
Geschlechter- und Rollenzuweisung schon im Kindergarten
Berlinmittemom zitiert eine Studie, „die besagt, dass 6 von 10 Mädchen in Deutschland während ihrer Teenagerzeit ihre Hobbys aufgeben und mit ihren Lieblingsbeschäftigungen aufhören, weil sie sich nicht wohl fühlen in ihrer Haut.“ Bis zum Teenager ist für uns noch eine lange Zeit. Was mich allerdings schon heute umtreibt, sind die vielen kleinen Dinge und Hinweise, die Kindern Rollen- und Geschlechterklischees nahelegen. Geschlechterklischees, die meiner Meinung nach nicht gerade dazu beitragen, dass Selbstbewußtsein von Mädchen langfristig zu stärken.
Ich glaube, dass es wichtig ist, schon früh darauf zu achten, mit welchen Konnotationen wir das Leben und Spielen unserer Kinder befrachten – und ob es nicht auch anders geht. Ich glaube, dass es Auswirkungen hat, wenn bereits kleinen Mädchen kommentarlos und wie selbstverständlich Barbies, Hello Kittis, in Rosa mit Glitzer, Kindernagellack und Schminke ausgehändigt werden.
Beispiel 1: Die Farbkonnotation
Ja, ich bin eine der Mütter, die eine starre Farb- und Geschlechterzuteilung nervt. Mädchen tragen Rosa und Flieder am häufigsten. Jungs dunkle, farblose Farben. In meiner Kindheit in den 70ern, und auch später in den frühen 80ern, gab es diese starke Farbkonnotation noch nicht. Wir Mädchen trugen Cordhosen in Gelb, Blau, Grün, Rot, Braun. Und in Hornhautumbra! Die Jungs ebenso.
Es ist nicht die Farbe Rosa an sich, es ist die Rollenzuteilung, das angebliche Niedlichkeitsargument, das mich stört. Dass Mädchen überhaupt niedlicher sein sollen als Jungs, finde ich schon bescheuert.
Beispiel 2: Die Spielzeug-Verteilung
Barbie & Co.? Lehne ich rundheraus ab und halte sie für die Entwicklung eines gesunden und positiven Körperbildes absolut hinderlich. Ja, ich finde es sehr wichtig und halte es für sehr prägend, womit schon kleine Mädchen spielen und wie Mama (und Papa!) darauf reagieren. Nein, ich werde Barbie & Co. nicht komplett verbieten, aber einschränken, mit ihr besprechen und sensibilisieren.
Ich erinnere mich auch an die Werbeanzeige von Lego aus den 70ern, in der ein in Blau gewandetes Mädchen sein Lego-Haus stolz in die Kamera hält. Ein komplett anderes Mädchenbild als die rosa gekleideten und versehenen Mädels von heute. Und nein, ich will gar nicht sagen, dass früher in meiner Kindheit alles besser war. Ich will nur aufzeigen, dass rosa Spielzeug nicht naturgegebener Mädchenkram ist, sondern Marketinggemacht. Ja, tschuldigung, war Euch eh klar.
Beispiel 3: Die Bemerkungen der Anderen
In meiner Familie, also Großeltern, Tanten, Onkel gibt es auffallende Klischees. Wie man über Kinder spricht und sie „bewertet“. So sei meine Tochter hübsch und süß, was sie auch ist. Mein Junge wird mit witzig, charmant und stur beschrieben. Beides stimmt aber für Beide. Ständig werden Verhaltensweisen meines Sohnes als „typisch Junge!“ abgestempelt. Beispielsweise seine Vorliebe für Autos oder dass er das Gartentor „untersuchte“. Das hätten die Mädels niemals gemacht, so die Überzeugung. Was Blödsinn ist, denn meine Tochter hatte mit Zwei eine ausgesprochene Vorliebe für Traktoren und Müllautos. Dass mein Kleiner seine Puppe liebt und Puppenwagen gerne schiebt, wird einfach ausgeblendet, damit die Rollenzuschreibung wieder passt.
Das alles scheinen erstmal nur Kinkerlitzchen zu sein, denen die Kinder noch spielerisch und mit Freunde begegnen. Kein Wässerchen getrübt, so scheint es. Ich denke aber, und so erinnere ich es auch aus meiner eigenen Kindheit, dies sind kleine Mosaiksteinchen, die sich ansammeln und den Kindern Richtungen vorgeben, wie die Geschlechter einzusortieren und zu bewerten sind. Ich bin davon überzeugt, dass ein positives Körpergefühl auch damit einhergeht, wie wohl ich mich in meiner Geschlechterrolle fühle, wie frei und gestaltbar sie ist und wie individuell ich mich darin entfalten, entwickeln und auch verändern kann.
Ausflug in die Teenagerjahre – This is a man’s world
Hier kommen wir zur Crux an der ganzen Sache. Ich habe zwar noch keine Ahnung wie ist es, Mutter von Teenagern zu sein, aber ich war selber mal einer. Und meiner Erinnerung nach – und hier kommt die Grundlage einer weiteren These von mir – beginnen die pubertierenden Mädchen mit 14/15 Jahren, zu erkennen, welch Geistes Kind diese Welt ist. This is a man’s world! Egal wie bewusst oder unbewußt, wie reflektiert oder unreflektiert die Mädchen in der Welt stehen, irgendwann wird klar: Frauen spielen eine marginale Rolle in der Wirtschaft, in der Politik, in der Bildung. Frauen werden immer noch mit 23% weniger Gehalt abgespeist, ihre Karrieren sind früher beendet, Teilzeitjobs für Mütter sind schwer zu finden. Die Werbung verobjektisiert den weiblichen Körper, klebt an alten Rollenzuteilungen (Frauen = Wäsche Haushalt, Kochen), es gibt TV Shows wie GNTM, die sich komplett auf den weiblichen Körper fokussieren. Kurz, mit der Freiheit für die Mädchen wird es eng.
Die Verunsicherung über das Aussehen ist nur ein Symptom, nicht das eigentliche Problem
Meine These ist es, dass die Verunsicherung der Mädchen daher rührt, dass sie in dem Alter beginnen zu verstehen und die Welt objektiver erleben. Dass sie als Frauen Menschen mit weniger guten Chancen sind. Trotz unseres Grundgesetzes und dem, was die meisten Menschen vordergründig sagen. Und ich glaube auch, dass die Aussehensfrage dabei das erste Symptom ist, in dem sich diese Verunsicherung äußert. Das Aussehen ist das erste Thema, das die Mädchen in die Frauenwelt begrüßt. Auf einmal wird interessant, ob das Mädchen schon Busen hat, oder Po, ob sie erstmal pummelig wird bevor die Frauenfigur kommt oder ob sie Pickel oder ihre Periode hat. Das Aussehen der Mädchen / Frauen und ihr Körper sind Thema – und zwar deutlich weniger stark als die Körper der Jungen. In allen Medien wird der Frauenkörper diskutiert und bewertet. Das ändert die eigene körperliche Selbstwahrnehmung und verunsichert. Aber es ist nur die Oberfläche, die Spitze des Eisbergs. Es sind vielmehr die Chancengleichheit und Gleichwertigkeit von Frauen und Männern, womit sich die Mädchen auseinander setzten müssen. Und das kann mitunter frustrierend sein.
Marketing und Moral
Und hier ist die Stelle, an der ich kritisieren muss, denn mir gefällt der Fokus der Aktion von Dove weniger gut. Das Thema „starke Mädchen“ und einengende Rollenklischees sind mir wichtig, die Marketingaktion ist mir allerdings suspekt. Ich kenne die Branche, den PR-Apparat und die Markenpsychologismen dahinter. Ich lehne das ab. Die Dove Aktion führt die Probleme für Mädchen auf das rein Äußerliche zurück. Schließlich verkaufen sie nur Beauty- und Pflegeprodukte. Das Thema würde ja sonst von der Marke und den Produkten ablenken. Wer Mädchenprobleme in den Teenagerjahren auf rein äußerliche Merkmale beschränkt, erweist ihnen einen Bärendienst. Was raten Psychologen den Eltern von Kindern, die mit ihrem Aussehen, ihrem Gewicht etc. hadern? – Gar nicht das Aussehen ansprechen, es spielt keine Rolle. Auch kein „Du bist hübsch. Du siehst toll aus. Das steht Dir gut.“ Einfach alle anderen Qualitäten und Merkmale des Kindes beachten und ins Gespräch bringen. Das Aussehen darf keinen so nennenswerten Stellenwert haben in der Familie (und grundsätzlich, wie ich finde). Die Aktion von Dove tut aber genau das. Daher zweifle ich daran, dass sie Mädchen wirklich hilft, egal wie viele echte Psychologen und Coaches in den Workshops sitzen. Der Absender ist klar und somit steht die eigentliche Message: Bist Du schön (dank unserer Produkte), dann kannst Du stark sein.
Hierbei möchte ich auf einen sehr erhellenden und mich inspirierenden Beitrag zu diesem Theme von Maike von Wegen linken, die ihn auf ihrem Blog mutterseelenalleinerziehend vor wenigen Tagen veröffentlicht hat: „Dove drängelt sich in unsere Schulen“.
Ich beteilige mich trotzdem gerne an dieser Blogparade, weil es mir ein Umfeld unter engagierten Menschen bietet, das für mich so wichtige Thema aufzugreifen und aus meiner Sicht zu beleuchten und zur Diskussion zu stellen. Das werde ich noch weitere Male, unabhängig von irgendwelchen Marketingaktionen tun. (Ich bin mir der Schizophrenie meiner Argumentation in diesem Punk bewußt, lasse das aber jetzt so stehen.)
Wie wir unseren Mädchen helfen können?
Ich glaube, es liegt in der Wachsamkeit und Stärke der Eltern. Hier sei ausdrücklich ‚der Eltern‘ gesagt. Denn ein Rollen-konservativer Vater irritiert und zerbricht so Einiges in einem Mädchen. Hier ist also auch die Wachheit und Stärke des Vaters bezüglich dieser Themen gefragt. Sehr sogar.
Die Mama hat für die meisten Mädchen eine besondere Vorbildrolle. An ihrer Person und ihrem Frausein arbeitet sich ein Mädchen ab. Zumindest war es bei mir so. Wenn die Mama stark und selbstbewusst ist, eine enge Beziehung zu den Kindern pflegt und gepflegt hat, zufrieden ist mit sich und ihrem Körper, ihren Weg in der Welt bewußt geht, dann ist die Mama ein stärkendes Vorbild. Wenn die Eltern ihren Kindern den Raum geben, sich selbst zu finden und individuell zu entwickeln – dann wird das die Kinder in ihrem Selbstbewusstsein stärken. Das ist meine Hoffnung, dafür arbeite ich als Mutter.
Stärken beginnt von Anfang an
Ich kann schon meinen kleinen Kindern vermitteln, dass Farben, Spiele oder bestimmte Spielzeuge nichts mit Mädchen oder Junge zu tun haben. Ich kann meinen Jungen Prinzessin oder Elfe spielen und meine Tochter sich unkommentiert einsauen und toben lassen. Das Spielzeug kann sehr wohl so ausgesucht werden, dass die so genannten „weiblichen“ und die „männlichen“ Interessen des Kindes berücksichtigt und gefördert werden.
Ich muss mein Mädchen nicht von jüngsten Kindergartentagen an mit Barbie & Co. überhäufen. Ich kann abwarten, bis der Wunsch so dringlich ist, dass es quasi nicht anders geht. Ich muss meinen Jungen nicht von Anfang an mit eher auf Aggression hin ausgerichteten Spielzeug beschenken (Pistolen, das Piraten-Thema, Polizei- und Machtkonnotationen, etc.). Es gibt Wahlmöglichkeiten, Spielangebote, die Kinder auf eigene und neue Ideen bringen.
Mitfreuen und Reden Reden Reden!
Meine Mutter hatte bezüglich Barbies einen tollen Trick, der bei mir zumindest, funktioniert hat. Meine Barbies, die ich mir heiß und innig wünschte (mit 8, übrigens!), bekam ich nicht von meinen Eltern. Die Oma musste her halten. So konnte sich meine Mutter mit mir freuen, sie sagte mir in ruhigen Gesprächen aber auch, was sie von Barbies hielt und warum. Ich hatte in dem Alter eine Mädchen-Prinzessinnen-Phase, die ich ausleben durfte. Sie ließ mich gewähren, und das war gut so. Sie zeigte mir aber auch immer wieder behutsam auf, welche Spiele und Interessenfelder es noch so gibt. Das ist mir ein Vorbild, das ich bei meinen Kindern ähnlich handhaben werde.
Vielen Dank für deinen kritischen Kommentar. Das Thema Körper- und Selbstbewußtsein von Kindern halte ich für ein sehr wichtiges Thema. Ich konnte mich dieser Aktion (bisher) aber nicht anschließen, gerade wegen der Verquickung mit Dove. Unilever ist nun nicht gerade ein Konzern, der sich jenseits vom eigenen Gewinnstreben für das Wohl unserer Kinder interessiert. Immerhin gehört auch Axe zu Unilever und da reiben sich Frauen bekanntlich willenlos an irgendwelchen Männer…
Stärke und Respekt – das ist hoffentlich das richtige Rezept, mit dem sich unsere Kinder zu selbstbewußten Heranwachsenden entwickeln. Nicht nur Mädchen übrigens, aber das ist natürlich ein anderes Thema. :-)
Du hast bei mir viel angestoßen. Ich denke weiter drüber nach und schaue mal, ob ich nicht doch noch was zu blogge. Liebe Grüße, momatka
Danke für Deine Zeilen. Sehe ich alles so wie Du. Ein Artikel zu dem Thema von Dir würde ich wirklich gerne lesen. :)
Nur eine kurze Anekdote aus dem Klamottenladen letzte Woche:
Muttter und Tochter, vll. 3 Jahre alt, vor uns uns an der Kasse. Die Verkäuferin hat Luftballons, das Mädchen darf sich eine Farbe aussuchen. Sie will grün. Verkäuferin: Schau, wir haben auch rosa, willst Du nicht lieber rosa? Mädchen: Nein, grün. Die Mutter (!!): Komm, nimm doch rosa, das magst Du doch so gern… Am Ende nahm sie rosa.
Irgendwann wird sie nicht mehr wissen, dass sie eigentlich grün mag.
LG
Die Toni
Puh. Heftig! Ich frage mich immer, warum das den beteiligten Erwachsen nicht selber auffällt?!
Und solche Überlegungen wie oben (die ich alle ALLE unterschreiben kann), gehen mir schon durch den Kopf, wenn ich meinen Mädels einfach nur sage, dass sie hübsch sind oder etwas Ähnliches (sind sie natürlich sehr, sie sind die hübschesten, süßesten… Du weißt schon.).
Dann meckert sofort mein Über-Ich: reduzier‘ Deine Töchter bloss nicht auf ihr Äußeres. Nicht dass Ihnen das irgendwann ZU wichtig wird usw.
Also sage ich Ihnen auch, dass sie klug sind, schnell, stark, lustig, je nach Situation.
Es ist, wie immer, kompliziert. :-)
LG
Die Toni
Tatsächlich genauso wie bei mir.
Kennst du diesen Artikel?
http://www.huffingtonpost.com/lisa-bloom/how-to-talk-to-little-gir_b_882510.html
Seit ich den vor ein paar Wochen las, bemerke ich wie oft ich Mädchen sage, wie süß sie sind und versuche mich zu bessern. :-)
Danke. Den kannte ich noch nicht.
Uups! Und ich muss selber noch viel lernen. Der Artikel ist toll, danke!
Ja, die Rollenklischees sind schrecklich und ich versuche auch, sie zu vermeiden. Leider fahren meine Mädels total auf Rosa, Hello Kitty, Barbie, den Kitschkram von Playmobil etc. ab. Einiges davon kommt von der lieben Verwandschaft (nicht meine, die meines Mannes), anderes aus dem Kindergarten.
Von uns hat unsere Tochter sicher kein „Blau ist eine Jungensfarbe“ gehört. Ich korrigiere sie dann immer, daß es sowas wie Jungsfarben und Mädchenfarben nicht gibt, aber es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Sehr schade, finde ich, denn eigentlich ist meine Große ein ungestümer Wirbelwind und gerade das fand/finde ich so bezaubernd.