Wenn ich jetzt noch über die republica 2016 blogge, liest das dann noch jemand? Egal, was raus muss, muss raus. Denn ich habe ziemlich lange nicht gebloggt, 11 Tage. Ich weiß nicht warum, aber mir ging es komisch. Vielleicht war ich auch einfach nur fertig von diesen fünf Tagen Berlin, davon vier lange Konferenztage: republica und Blogfamlia. Letztere werde ich vermutlich auch noch verbloggen.
Inhaltlich fand ich die republica sehr gut. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass diesmal für mich mehr dabei war, obwohl ich letztendlich weniger besuchte.
Wie immer bei der republica, (hier 2014 und 2015) fühlte ich mich dort sofort zu Hause. Nicht nur, weil alle so freundlich, entspannt und un-businessmäßig wirken, sondern auch, weil die republica für mich immer so etwas wie das Bild eine besseren Gesellschaft entwirft. Eine offenere, internationalere, vielfältigere, inklusivere Gesellschaft, als die Welt, aus der ich komme. Mit einer gendergerechteren Sprache, mit 46% Rednerinnen… Es ist wie eine schöne Utopie, die dort entworfen wird und ich fühle mich so angekommen dort. Ich freue mich ein bisschen, als mein Handy sich ins Wlan einloggt, weil das Passwort vom letzten Jahr noch funktioniert. Ich sehe Menschen, die mit Smartphones, Tablets, Laptops herumlaufen, sich unterhalten und gleichzeitig selbstverständlich auch messages checken. Niemand versteht miss, keiner ist gestört, alles ist, wie es sein soll. Vielleicht verrät mein „Hach, endlich hier!“-Gefühl auch einfach nur die Sehnsucht nach dieser besseren, vielfältigeren, inklusiveren, moderneren Welt?
Wie eine über-euphorisierte Erstsemesterstudentin stellte ich mir im Vorfeld meine Sessions zusammen, oft gibt es mehrere spannende Talks gleichzeitig, und wünsche mir sehr durch Videoaufzeichnungen später nichts zu verpassen.
republica, Tag 1
Der erste Tag war gekennzeichnet vom Treffen mit vielen neuen und mit bekannten Gesichtern aus dem Internet, mit fröhlichen Wiedersehen, guten Gesprächen, lustigen Beisammenseins, von spannenden ersten Talks. So schön. Manche Menschen habe ich tatsächlich das letzte Mal auf der letzten Republica gesehen. Der Tag war auch geprägt von meiner großen Fehlentscheidung, mir noch einen Kaffee kaufen zu wollen, bevor ich in den Talk mit der Live-Schalte mit Snowden gehe. Der Saal war viel zu winzig gewählt für diesen großen Publikumsmagneten. Sehr schade. Eine Traube von locker 200 Leuten stand vor verschlossener Tür. Ich erinnere mich absolut nicht mehr, wohin ich stattdessen gegangen bin, aber verschlossene Türen und überfüllte Räume waren leider fast eines der Symbolbilder dieser republica. Leider habe ich den Talk mit Snowden noch nirgendwo auf Video gefunden. Wenn da jemand was hat, sagt mir bitte Bescheid. Danke!
Ich habe den Tag mit der Pressekonferenz der TTIP-Leaks begonnen. Um das mal ganz unqualifiziert zu sagen: TTIP muss verhindert werden, aber sowas von. Es geht nicht nur um Chlorhühnchen und welche Inhaltsstoffe in unseren Kosmetika zu finden sein werden. Es geht es auch um Demokratie, ums Prinzip. Ich bin ja so naiv und kann nicht verstehen und nicht akzeptieren, dass diese zutiefst undemokratische Geheimhaltung aller Informationen rund um das Handelsabkommen so einfach geschehen kann.
Keine Selfies, ich hab’s einfach vergessen! Ich kann mich nur noch an meine Gesprächtspartnerinnen und Begegnungen erinnern. Vielen Dank an Bea, Patricia, Silke, Jana, Bella, Bettina, Susanne, Julia und so viele andere! Ich habe mit niemanden ein Selfie gemacht oder sonstwelche Beweise unseres Offline-Zusammentreffens. Ich kann soviel Multitasking einfach nicht.
republica, Tag 2
Am zweiten Tag hörte ich mir Gunther Dück an, der mich mit seinen Cargo Kulten nachhaltig beschäftigte. Letztendlich ist schließlich auch die republica einer. Wir diskutieren und fühlen uns alle inspiriert und beseelt, dann gehen wir nach Hause und es bleibt wie es ist. Keine Innovation, keine Revolution, keine gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und betrieblichen Änderungen. Oder erwarte ich zu viel? Nach dem Dück-Vortrag hätte ich gerne diskutiert. Wirklich sehr gerne.
Letztendlich war es auch das vom Lobo-Vortrag „Age of Trotzdem“, den ich am Vorabend noch sah, der mich einerseits rührte, andererseits wieder ratlos zurückließ. Dieses „trotzdem“ weitermachen, auch wenn es hoffnungslos und schlimm aussieht, habe ich auch gedacht nach dem Wahlsieg der AFD, beispielsweise, nach dem Wahlsieg der Rechten in Österreich, denke ich jetzt nach den letzten rechtpopulistischen Absonderungen eines Seehofers. Es ist hilflos und kämpferisch zugleich, rührend und ratlos.
Da kann die republica nur ein Cargo-Kult sein, ein verschwörerisches Zusammenkommen? Ungleich Lobo sehe ich keine Erlösung im „geile kleine Start ups gründen“, die es dann so viel besser machen als alle Unternehmen bisher. Glaube ich nicht dran. Wirtschaftliche Macht macht mächtig, hat aber bisher noch nicht weiter geholfen. Wollte nicht Google auch nicht evil sein, bevor es so riesig wurde?
Ich glaube es war auch der zweite Tag, als ich zum Vortrag über inklusive Kinderbücher ging.
Seit meinem Artikel über diverse, inklusive und vielfältige Kinderbücher von vor einem Jahr, versuche ich Kinderbücher zu finden, die dieser Prämisse entsprechen. Es ist nicht einfach.
Friedemann Karig und seinen Vortrag über die pubertäre Gesellschaft sowie Kübras Plädoyer für die organisierte Liebe in Zeiten des Hasses und der Ausgrenzung. Ich bewundere Kübra für ihren Mut für so viel offen gezeigtes Gefühl und für die Klarheit, ihre Argumente, ihre Gründe, ihr Augen und Herzen öffnen und so präzise in Worte zu fassen. Schaut Euch bitte einfach diesen Vortrag an. Wir müssen die Liebe feiern und dem Hass etwas entgegen setzen.
Die abschließenden Worte und die message, dass es nicht nut die Hassenden sind, die Hass verbreiten, sondern auch die, die schweigen, hallte noch lange in mir nach. „In the end, we will not remember the words of our enemies but the silence of our friends“.
Überhaupt war das Thema Hass, Hate Speech etwas, das sich durch meine Themenauswahl schlich.
Danach Carolin Emcke mit „Raster des Hasses“, was leider nicht aufgezeichnet wurde. Vielleicht auf Bitten der Referentin? Schade, denn einen so tiefen, klugen, philosophischen und menschenfreundlichen Vortrag würde ich mir gern nochmal anschauen. Prägnant waren für mich ihre Worte, dass Hass diffus ist und ungenau. Dass Hass nicht genau hinschaut, nicht zweifelt. Es sind nicht nur die pöbelnden Rassisten vor dem Bus mit Geflüchteten, es sind auch die, die zuschauen. „Alle, die da stehen bleiben, dienen den Hassenden als Resonanz-verstärker.“ – Organsisierte Liebe ist, was wir brauchen.
Johannes Korten über das Netz als guten Ort habe ich mir noch angeschaut, ein Beispiel für hingebungsvoll organisierte Liebe. Und trotzdem spüre ich bei diesem Beispiel etwas wie Resignation. Wie aufwändig und zahlreich muss die Hilfe und die Liebe sein, um etwas zu bewegen, und wie einfach scheint es zu sein, zu hassen und Menschen damit nachhaltig zu treffen.
Abends die Netz-Publizisten im Gespräch. Ich fand alle Gespräche interessant und kurzweilig und bewundere Patricia Cammarata für ihre ruhige, selbstbewußte Art, am Ende aller Gespräche, als sie einen Konflikt – eine Unverschämtheit eigentlich – trotz großen Publikum nicht schmälerte und ihre Position nicht um des lieben Friedens willen verließ, auch wenn sie darum beinahe bedrängt wurde.
republica, Tag 3
Am dritten Tag habe ich Laurie Penny angehört, die ich zwar unterhaltsam fand aber insgesamt wenig aussagekräftig. Interessant fand ich, wie Fan Fiction eine diversere Gesellschaft kreiert und starre Rollenmuster aufbricht. Aber für einen einstündigen Vortrag hätte ich mir gewünscht, dass sie etwas mehr in die Tiefe geht und die empowernden Momente der Fan Fiction und ihren Lieblingsshows/novels/series deutlicher heraus gearbeitet hätte. Alle anderen, die ich hörte und bisher las, sind aber ganz begeistert und einverstanden mit dem Vortrag.
Bei Binge-Creating schnupperte ich kurz rein, fühlte mich aber komplett unfähig ein Huhn auf Stelzen zu zeichnen und ging rückwärts wieder raus. Leider, finde ich jetzt. Aber ich brauchte einfach eine Pause und trank einfach mal nur Kaffee und saß dödelig in der Sonne rum.
Auf der republica fing es an, ich war insgesamt mit allem leicht überfordert. So viele Menschen, so viel Input. so viele Gedanken, so viele Sessions gleichzeitig. Ich war allein unterwegs auf der republica und das macht es nicht immer einfacher. Natürlich habe ich ständig Menschen getroffen und Gespräche geführt, auch sehr nette und liebevolle, aber es blieb anstrengend.
Der Vortrag von Nein Quarterly (kein Video gefunden, bisher) war sehr humorvoll und lustig auf eine sehr selbstironische überspannt-intellektuelle-Adornoliebende Art, was mich ungefähr 20 Jahre jünge fühlen ließ. Ich dachte an meine Germanistik- und Kulturwissenschaftsseminare zurück und war wieder 23. :)
Auch wieder rückwärts raus ging ich aus dem Vortrag über Depression und Social Media. Puh, das fand ich ganz schwierig mit anzuhören und hatte in dem Moment keine Distanz zum Gehörten. Also wieder in der Sonne sitzen und Gedanken schweifen lassen.
Journelles Vortrag war wieder sehr kurzweilig, treffend und empowernd. „Das Internet hat mich dick gemacht“, ganz großartig und ihr Kleid ist wunderschön!
Die Aluhut-Monologe waren ein Kasperspiel an Meinungsfreiheit, Verschwörungstheorie und Humor als bestes Rezept.
Dann Closing Ceremony mit „is it real life – is it just fantasy“. Dann over and out.
Am Abend des dritten Tages ging ich mit Melanie spontan etwas essen, die war schon angereist, weil am nächsten Tag Blogfamilia war. Aber davon muß ich ein anderes Mal erzählen.
Fazit, wie war es jetzt?
Ich bin insgesamt sehr froh, dass ich wieder dabei war. Die Sessions haben mich nachhaltig beeindruckt und ich verbringe viele Abende damit, Sessions, die ich nicht mitbekommen konnte, nachzusehen oder zu hören. Jedes Mal nach der republica fühle ich mich angereichert mit Ideen und Begegnungen.
Mittlerweile habe ich schon ein paar gute Texte über die re:publica gelesen und was inhaltlich dort passierte. Zum Beispiel bei Julia, dasnuf, hier und hier. Ich kann nur raten, die Videos der Sessions (hier zu finden) anzusehen, Audiocasts zu hören, zu lesen.
Hier noch ein paar Empfehlungen, zumindest Sessions, die ich mir noch anschauen werde oder nachträglich angeschaut habe.
Hört sich toll an, ich muss unbedingt auch mal auf eine dieser Konferenzen gehen…