Willkommen zu meinen Notizen über Jesper Juul. Heute geht es um Selbstwertgefühl und Vertrauen. Ich finde es zumeist großartig, was Juul sagt. Inspirierend. Ich nicke ich und dann kommt mir das Leben dazwischen.
„Das Allerwichtigste für das Selbstwertgefühl der Jugendlichen ist Vertrauen, Vertrauen und nochmals Vertrauen – das Vertrauen darauf, dass sie im Rahmen ihrer persönlichen Erfahrung bestmögliche Entscheidungen treffen.“
Das heutige Zitat stammt bereits vom 14. Juli, aber da hatte ich keine Zeit darüber zu bloggen. Ich finde es aber ganz besonders berührend. Für mich wird in dem Satz deutlich, wie klar und einfach Juuls Auffassung von Eltern-Kind-Beziehung ist, wie umfassend und wie schwierig umzusetzen. Ich empfinde diesen Satz als Antwort auf das letzte Zitat, in dem es um die Wichtigkeit von einem guten und starken Selbstwertgefühl ging. Wie stärke ich mein Kind in seinem Selbstwertgefühl? Hier sagt er es: mit Vertrauen. So einfach. So weitreichend.
In dem Satz oben geht es eindeutig um Jugendliche. Ich glaube, das ist die Kür der Elternschaft: Wenn sich mein jugendliches Kind in eine Richtung hin entwickelt, die mir nicht gefällt, oder die ich sogar fürchte, und ich trotzdem vertrauen kann. Wie geht das, wie KANN es gehen? Vielleicht gibt es sogar die Möglichkeit, mit dem Kind das Szenario und mögliche Konsequenzen zu besprechen. Aber dann, egal welche Entscheidung das Kind trifft oder auch nicht, es zu schaffen, dem Kind zu vermitteln, dass ich aufrichtiges Vertrauen in ihre/seine Entscheidungsfähigkeit habe. Und diese Entscheidung dann auch vollkommen mittragen, ohne DIESEN Blick, dieses Atmen, dieses Zögern, diese belegte Stimme, sondern diese Entscheidung akzeptieren und begleiten. Das ist etwas, dass ich können möchte, als Mutter, mir aber angesichts der vielen möglichen Irrungen in der Pubertät als sehr schwer erscheint.
Was, wenn meine Kinder Drogen nehmen, magersüchtig werden, falsche, im Sinne von schlechte Freunde haben oder meinetwegen in der Schule schlecht werden? Was mache ich dann? Wie kann ich dann vertrauen, ohne als Eltern etwas zu tun, etwas zu ändern? Aber dann fällt mir auf, dass ich diese Frage gerade in den luftleeren Raum stelle, weil ich vergesse, dass die Beziehung zu meinem Kind nicht erst als Jugendliche/r beginnt, sondern vorher. Als Baby, als Kleinkind, als Kindergartenkind, als Schulkind. Ich möchte meinen Kindern JETZT vermitteln, dass ich ihnen vertraue. Also muß ich ihnen jetzt vertrauen. Vertrauen haben in ihre Entwicklung, in ihren Launen, in ihrer Launigkeit. Vertrauen darin, dass es irgendwann anfängt zu laufen, zu sitzen, zu sprechen, zu essen, allein einzuschlafen und so weiter. Und eben nicht nachhelfen mit zig Programmen oder irgendwelchem Tun, sondern akzeptieren, was die Kinder gerade machen und wollen. Das ist mir bisher meistens geglückt, eigentlich.
Dem Kleinkind in seiner Launenhaftigkeit vertrauen
Und dann mache ich UUPS! Denn in ihrer Launigkeit ernst nehmen, das fällt mir schwer. Wenn mein Kind mich in der Kitagruppe freudig begrüßt und schon an der Garderobe zig Auas hat, laut rumnöhlt und knatscht, mich schlägt, Schimpfwörter benutzt und den ganzen Weg nach Hause und auch dort nicht damit aufhört, finde ich das sehr schwer zu ertragen. (Und in Punkto Schlagen und Schimfpwörter will ich das auch nicht.) Ja, ich bin mir sicher und vertraue darauf, dass es gerade sehr schlechte Laune hat, dass der Kitatag anstrengend war und es seinem Druck jetzt mit dem Geheule bei mir Luft macht. Ich weiß das alles und trotzdem wird es mir nach 30 Minuten irgendwann zu bunt. Und dann einen respektvollen und vertrauensvollen Weg finden, das Kind aus der Nöhlspirale zu holen, klappt eigentlich nie. Ich bin darin ganz schlecht. Aber ich finde, das wäre genau so ein Moment, in dem ich mehr Vertrauen darin haben sollte, dass mein Kind genau diese Laune jetzt haben muß und haben darf (ohne das Schlagen), dass es die Laune ausleben darf und es nicht tut, um mich zu ärgern. Rein vernunftmäßig weiß ich, dass mein knapp vierjähriges Kind nichts in dem Bewußtsein tut, mich ärgern zu wollen. Aber es fühlt sich irgendwann anders an. Klingt eigentlich unlogisch, wenn ich es so aufschreibe…. Die bisher beste Strategie ist übrigens bei uns, Kuscheln und Nähe anbieten. Das wird gern angenommen, die Laune stabilisiert sich damit gut und ich genieße es auch, aber es braucht sehr lange. Währenddessen wird das andere Kind eifersüchtig und es geht von vorne los. Aber ich schweife ab….
Die Kinder ihre Dinge tun lassen
Worin ich besser bin, ist meine Kinder ihre Sachen tun zu lassen. Egal ob es Türe öffnen ist, Schuhe zubinden, Hände waschen oder Gurke schneiden. Seit sie zwei Jahre alt sind (ok, die Erstgeborene wurde 3 darüber) erhalten meine Kinder in der Küche zum Schneiden und Schnibbeln von mir echte Messer, die auch ich benutze. Und es ist bisher – toi toi toi – auch noch nichts passiert. Ich bemühe mich die Kinder ihre Tätigkeiten tun zu lassen, die sie tun wollen. Und auch bei der Eingewöhnung in die Kita beispielsweise oder bei schweren Erfahrungen, wie Abschied nehmen, versuche ich mein Kind einerseits aufzufangen und gleichzeitig zu vermitteln, dass ich darin vertraue, dass sie oder er diese Erfahrung gut meistern wird. Dass sie zwar angespannt / traurig /etc. sein können, aber dass es besser wird und sie lernen damit zu leben. Weil sie es können.
Wie seht Ihr das? Wie äußert sich für Euch noch Vertrauen? Und wer hat schon Erfahrung mit Jugendlichen und mag davon berichten?
Ich habe auch gerade eine Motzkuh zu Hause. Und mit steigendem Alter wird´s nicht besser. Bei uns beiden nicht.
Ich danke dir für´s Teilen! Wenn sie heute motzt (sie wird es!), werde ich vertrauen…ich versuch´s zumindest..
Auch ich lese Juul und denke: Ja, genau so musst du es machen, wenn deine Kinder starke, selbstbestimmte Persönlichkeiten werden sollen, wenn deine Kinder sich wahrhaft geliebt und angenommen fühlen sollen und du bei dir selbst bleiben willst. Und es hört sich so logisch und einfach an und ich glaube dann immer, dass ich es auch nie wieder anders machen kann.
Aber dann kommt auch mir immer wieder das Leben dazwischen und es kommt doch wieder zu den hässlichen Szenen, in denen keiner mehr den anderen versteht und an deren Ende nur noch Wut und Tränen stehen und ich weiß, dass ich in jedem Moment versagt habe und ich mir Vorwürfe mache, dass die kleinen Menschen eigentlich jemanden verdient haben, der das alles besser kann als ich.
Deshalb: Wirklich tolle Idee deine Jesper-Juul-Notizen. Einerseits wegen der Zitate selbst, die einen daran erinnern, wie man eigentlich mit seinen Kindern umgehen möchte und was man sich für sie wünscht. Andererseits tut der Abgleich mit der Realität gut. Es tut gut, zu lesen, dass es nicht nur mir so geht. Das motiviert, es jeden Tag aufs neue zu versuchen. Und wie toll, wenn es dann wirklich klappt bzw. wenn man es dann wirklich hinkriegt. Und wenn es nicht klappt, dann kann man sich und sein Verhalten wenigstens reflektieren.
Ganz lieben Dank für deinen Kommentar. Genauso ist es gemeint.
P.S. Ich bin schon sehr gespannt auf die nächste Notiz.
Ich denke das mit dem Vertrauen bedeutet eigentlich das Gegenteil von Angst haben.
Wir sind doch meistens gestresst und blockiert, weil uns die Angst dominiert. Wir haben Angst, dass das Geschrei jetzt ewig weiter geht. Dass er nie lernen wird, dass man nicht schlägt und keine Schimpfwörter bewusst. Man hat Angst, dass die Leute schlecht von einem denken, weil sich das Kind gerade so daneben benimmt. Man hat Angst, dass das Kind vielleicht doch so ist, weil man in den vergangenen Wochen und Monaten irgendetwas grundsätzlich falsch gemacht hat. Und so weiter. Viele dieses Ängste sind natürlich unbewusst, aber sie führen doch dazu, dass wir unentspannt mit diesen Konflikten umgehen. Ganz anders können wir reagieren, wenn wir innerlich fühlen: Das ist völlig normal und wird in spätestens einer halben Stunde vorbei sein. Natürlich wird er mit 6 ein untrotziges Wesen sein und mit seinen Emotionen umgehen können. Dann kann man einfach viel besser drüber stehen. Das ist glaube ich die Idee mit dem Vertrauen…
Das hast Du sehr treffend beschrieben. Stimmt, das denke ich auch ;)