Liebe Väter, bitte sorgt dafür, dass eure Söhne keine engen Hosen, enge Oberteile oder andere körperbetonte Kleidung tragen. Damit provozieren sie Frauen! Bei soviel offen gezeigter Männlichkeit ist es dann doch kein Wunder, wenn die Frauen dann mal an den Schritt packen.
Liebe Männer, kleidet Euch dezent, seit nicht zu freizügig, nicht zu freundlich und lächelt keine Fremden an. Haltet Euch von fremden Frauen immer eine Armlänge entfernt! Und am Abend bitte eh nicht ohne Begleitung raus, ok?
(Danke an Silke R. Plagge für die Idee)
Was mich an der Debatte um die schrecklichen sexualisierten Gewalt-Übergriffe in der Silvesternacht von Köln gerade wahnsinnig frustriert, wütend und traurig zugleich macht, ist vorallem eins: Es geht kaum um die Opfer, die Frauen. Vielmehr geht es um die Täter, es geht um die Männer, woher sie kommen, wie sie aussahen und dass sich daraus (die Frage ist ja gar nicht mehr „ob“) eine pauschale Kausalität ableiten lasse. Die Hetze ist in vollem Gange und Rassisten benutzen sexualisierte Gewalt an Frauen dafür, ihr menschenfeindliches, ausgrenzendes Weltbild zu propagieren.
Wenn es um die Frauen geht, dann um ihnen Verhaltensempfehlungen zu geben (Eine Armlänge) oder ihnen gar das Leben und Aufhalten im öffentlichen Raum abzuerkennen. Das ist victim blaming par excellence!
Vielmehr sollten doch Männer Verhaltensregeln bekommen und zwar jedes Mal, wenn eine Frau sexuell genötigt wird. Was für ein ekelhaftes Denken das ist, hintenrum die Männer doch zu entschuldigen. Denn die Frau war ja keine Armlänge entfernt, sie war im Dunkeln unterwegs, hatte gar einen (kurzen) Rock an oder der Täter war halt alkoholisiert.
These are great- send to all the men in ur life RT @texpatriate 10 Rape Prevention Tips. @lizzwinstead pic.twitter.com/IPfWsaz9zz
— Sarah Silverman (@SarahKSilverman) March 21, 2015
Aber zurück zu den Frauen, zurück zu sexualisierter Gewalt, zurück zu der Gesellschaft in der das stattgefunden hat, zurück zur Polizei, die offensichtlich unfähig war, angemessen, beschützend und deeskalierend tätig zu werden. Und, das ist ein ganz besonderer Punkt für mich: Eine Polizei, die offenbar nicht gelernt hat, sexualisierte Übergriffe zu erkennen, geschweige denn eine Situation vorab einschätzen zu können, in der sexuelle Übergriffe möglich werden.
Es gibt so viele Dinge, die mich an der Debatte rund um diese Silvesternacht stören, dass ich kaum weiß, wo ich beginnen sollte.
Mich stört, dass es nicht um das Sexismusproblem geht, das wir in Deutschland (und in anderen Ländern natürlich) haben.
Mich stört, dass nicht erkannt wird, dass es sich hier um ein Sexismus-Problem und um ein patriarchal geprägtes Problem handelt.
Mich stört, dass nicht erkannt wird, dass Deutschland ein Rassismusproblem hat. Mich stört, dass die Politiker, die Medien und die Gesellschaft nur allzu bereitwillig auf den Narrativ aufspringen, „der Ausländer“ dürften keine Boni genießen, sondern sofort abgeschoben werden.
Mich stören unfassbar rassistische und dumme Kommentare, beispielsweise dass das Totschweigen von muslimisch geprägtem Frauenhass endlich vorbei sein solle. Da frage ich mich: Seit wann gab es in Deutschland einen Vorteil, Ausländer*in zu sein und woher genau ziehen diese Leute die Gewissheit, dass es sich alles um Asylbewerber und Muslime handelte, nur weil sie nicht blond und „deutsch“ aussahen? Es gibt ja auch dunkelhäutige und schwarzhaarige Deutsche, by the way.
Liebe Väter, schützt Eure Söhne vor den Übergriffen von Frauen mit Kleidung und Armlängen!
https://www.facebook.com/MamaNotes.de/posts/443451369185761?fref=nf
Was mich auch wundert: Den Text oben habe ich gestern auf Facebook gepostet und er wurde sehr oft geliked und geteilt. Darüber freue ich mich zwar, aber es wundert mich auch, wie viele das lustig (im ironisch-sarkastischen Sinne, nehme ich an) finden. Es ist immer noch die Umkehrung der Geschlechterrollen, die überrascht, belustigt und die Perversität von Schuldzuschreibung und Verantwortung offen legt. Dass das so ist, zeigt für mich, wie tief verankert die Gender Rollen und das dazu gehörende Weltbild in uns allen ist und wie viel Arbeit noch vor uns liegt. Daher machen mich solche wunderbaren Geschichte wie von Frau Nessy, das Nuf oder dieser treffende und gut zu lesende Roman, „Die Töchter Egalias“(Affiliate Link), den ich mit 14 in den 80ern las, eher traurig und wütend. Aber jeder*m ihre eigene Empfindung, Hauptsache, wir merken was!
Texte über sexualisierte Gewalt und Rassismus zu den Ereignissen in Köln
Da ich mittlerweile so viele wunderbar formulierte und gute Texte gelesen habe folgen nun meine Lieblinks für eine echte Debatte über Sexismus, für eine Debatte über Rassismus und für eine offene, freiheitliche und wahrhaft tolerante Gesellschaft:
- Furios guter Artikel darüber, was ich leid bin, was Sexismus in der Gesellschaft bedeutet und was Derailing und patriarchaler Narrativ bedeuten: „Ich bin es leid“: „Ich bin es leid, dass jede öffentliche Diskussion über sexualisierte Gewalt – falls überhaupt mal eine geführt wird – so schnell vor den Karren unzähliger anderer politischen Agenden gespannt wird, dass sie eigentlich schon keine Diskussion über sexualisierte Gewalt mehr ist.“ Ich will jedes Wort laut schreien.
- Meine beiden Lieblinkstexte zum Thema sexualisierte Gewalt, Rassismus und die Debatte um Köln sind „Die Rape Culture wurde nicht nach Deutschland importiert – sie war schon immer da“ von Stefanie Lohaus und Anne Wizorek:
„Und nun fragen unter anderem Jens „Frauen essen die ‚Pille Danach‘ wie Smarties“ Spahn, der Chef der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt und Birgit „Mach doch die Bluse zu“ Kelle doch tatsächlich, warum es denn keinen „Aufschrei“ wegen der Ereignisse in Köln gegeben hätte. Dabei muss die Frage vielmehr lauten: Wo gucken diese Menschen eigentlich mit ihrem beschränkten Weltbild hin? Die öffentliche Debatte ist dominiert von den Ereignissen, unzählige Menschen drücken ihr Mitgefühl für die Betroffenen aus und wünschen eine angemessene Bestrafung der Täter.“
- … sowie „Die Gewalt von Köln und was jetzt zu tun ist“ von Antje Schrupp, den ich gestern ebenfalls über Facebook verlinkte. Ein Interview mit ihr über den Rassismus in dieser Debatte (und ihre Frustration deswegen).
- Das Interview mit Anne Wizorek im heutigen ZDF Morgenmagazin sowie ein Interview mit ihr über Sexismus in der Gesellschaft in der Frankfurter Rundschau.
- Sonia Seymour Mikichs Kommentar in der Tagesschau „Hirn statt Hetze“.
- Der Titel beschreibt den Text ziemlich gut: Über Sexuelle Gewalt sprechen ohne Rassismus. Das sind genau die beiden Polen, um die es in dieser Debatte und vorallem leider auch in der Aufarbeitung der Gewalt geht. „Diese Ausländer wieder, das war ja klar! Wo bleibt jetzt der Aufschrei? Dass die Diskussion über die Gewalt von Köln so läuft, ist fatal. „
- Edition F: Gewalt in Köln – Welche Frage wir uns jetzt stellen sollten
- Haltungsturnen und ein Text von einem Mann für Männer: „Es geht um dich“.
- „Wo war die Polizei?“ ist genau auch meine Frage der Empörung, dass es in einem Rechtsstaat nicht möglich war, solche Taten in dem Ausmaß zu verhinden, zumindest erfolgreich zu unterbrechen – und vermutlich sogar, sie zu erkennen.
- Eine Liste von Tipps für Journalisten und Medienvertreter gibt der Text „Silvester in Köln – einige Anmerkungen“, der klar den Unterschied zwischen echtem an Fakten und Aufklärung orientierten Journalismus und Clickbait und reine Verkaufe darlegt. „Schlagzeilen werden nicht ungeschrieben gemacht. Der Eindruck, dass 1000 Flüchtlinge Frauen belästigten, bleibt.“
- Sehr schön dazu auch Patrick Breitenback in einem Facebook-Post:
https://www.facebook.com/breitenbach2/posts/10153913693159052?fref=nf
Wer noch weitere Texte empfehlen möchte, kann das gern in den Kommentaren tun. Bitte versteht, dass ich ab sofort Anmeldungen für Kommentare verlange und diese vorher prüfe. Rassistische Parolen lösche ich sofort und kommentarlos. Ebenso so geprägte Linkempfehlungen.
Und jetzt?
Es sollte klar sein – und der Öffentlichkeit werden – dass sexualisierte Gewalt und Rassismus ein strukturelles, historisches und kulturelles Problem unserer Gesellschaft sind.
Frauen müssen immer ernst genommen werden, wenn sie angegriffen werden oder sich belästigt fühlten.
Die Täter müssen immer konsequent verfolgt werden, egal wie sie aussehen, woher sie kommen, ob sie auf dem Oktoberfest, im Karneval oder zu Silvester in Köln Täter wurden.
Männer, die Frauen angrapschen, sie Schlampe nennen oder gar vergewaltigen sind Arschlöcher, keine Ethnien. Köln zeigt, dass es auch unter nordafrikanisch aussehenden Männern Arschlöcher gibt.
Flüchtlingen nicht zu helfen ist keine Option, auch wenn das Geld kostet, der Gesellschaft kulturelle Auseinandersetzung abringt und der Polizei neue Strategien, Lehrgänge und sonstwas abfordert.
Apropos Weiterbildung für die Polizei: Lehrgänge, „Wie erkenne ich sexualisierte Belästigung von selbst“ oder „Wie kann ich eine aggressiv aufgeheizte Stimmung dahingehend sichern, dass Frauen nicht sexuell belästigt werden“ scheinen notwendig.
Reform des §177, dem Paragrafen zu sexueller Nötigung und Vergewaltigung. Am 1. August 2014 trat das Übereinkommen des Europarats Istanbul-Konvention in Kraft, die Deutschland nicht ratifizieren konnte. In Deutschland gilt das „Nein“ einer von sexueller Gewalt betroffenen Person bisher nicht als Grundlage dafür, eine Vergewaltigung auch als solche anzuerkennen. Unfuckingfassbar.
Männer und Frauen! Schreiten wir ein bei anzüglichen Witzen und sexistischen Sprüchen, machen wir den Mund auf und helfen oder organisieren wir Hilfe.
Wertschätzen und unterstüzten wir feministische Arbeit, Frauenhäuser sowie Beratungsstellen und Therapieplätze.
Stärken wir unsere KINDER!
Und bitte nicht nur die Mädchen stärken und die Jungs sollen schön lernen, wie sie Mädchen beschützen können! Nein. (Kenne Deine patriarchal geprägten Denkmuster!)
Stärken wir die Kinder für Selbständigkeit, Freiheit und Selbstbestimmung. Stärken wir ihr Selbstwertgefühl. Und stärken (bzw. erhalten, das hier könnte so einfach sein) wir ihre Lust auf Lernen und Bildung.
Fördern wir einen respektvollen Umgang von Kindern miteinander, von Erwachsenen und Kindern, von Erwachsenen miteinander. Lehren wir die Kinder, das kein Mensch über einem anderen steht, egal welchen Geschlechts, äußerlichen Merkmalen, Herkunft, Religion, Behinderung oder sonst etwas. Lehren wir sie, je älter sie werden, solche Machtstrukturen zu erkennen und sich anders zu verhalten.
Und damit endet dieser Linklisten-Rant dabei, warum ich gern einen Mamablog führe: Weil unsere Kinder die Zukunft sind, weil sie die Hoffnung sind. Weil jedes Kind die Möglichkeit birgt auf eine freiere Gesellschaft, auf eine tatsächliche Gleichwertigkeit der Geschlechter, der Ethnien und so weiter. Weil es an uns liegt, unser Verhalten zu überdenken, uns kritisch zu hinterfragen: Wann unterliege ich sexistische, wann rassistischen, wann anders diskriminierenden Strukturen. Es liegt an uns, wie wir unsere Kinder sich wahrhaft individuell entfalten lassen, wie erhalten (und nähren) wir als Eltern und wie „wir“ in der Gesellschaft den Wissensdrang der Kinder. Es liegt an uns, wie wir respektvoll miteinander umgehen können.
Lasst uns damit anfangen!
!
Ich möcht Dich grad ganz feste drücken und Dir dann nen veganen Schokoladenkuchen backen.
Danke! Danke als Frau, als Mutter, als Lehrerin. Meine Schülerinnen merken überhaupt nicht, was um sie herum abgeht und belächeln mich, wenn ich sie vor Sexismus und sexualisierter Gewalt warne. Und ich fürchte mich für sie.
http://scienceblogs.de/zoonpolitikon/2016/01/09/gestaendnisse-eines-arabisch-und-nordafrikanisch-aussehenden-menschen/
Ein durch und durch schlauer Text.
Ich muss zugeben, ich als deutsche Blondine bin sexuell mehrfach ziemlich hart angegangen und gedemütigt worden. Jedesmal von blonden Typen mit Hochschulabschluss, AkademikerEltern und viel Geld aufm Konto. Und das ist mir nicht nur einmal passiert.
Und an die Lehrer, die bessere Noten an Mädels verteilten, die zufällig zur Klausur fast nur Unterwäsche anhatten, will ich da noch gar nicht denken… Jedenfalls, meine Typen mit Migrationshintergrund waren keinesfalls schlimmer und meist einfach ganz normale nette Menschen. OMG!
Was mir so gut wie alle feministischen Texte vermissen lassen, ist der Aufruf an alle Männer und Frauen, Arschlöcher generell abzustrafen – egal ob männlich oder weiblich.
Hast Du den hier schon gesehen?
http://shehadistan.com/2016/01/08/arabisch-und-nordafrikanisch-aussehende-menschen/
Nein, bisher nicht. Lese ich mir später durch. Danke.
Wow, großartiger Beitrag. Ich unterschreibe total. Danke.
Hier noch ein toller Artikel von Krachbumm: http://www.krachbumm.com/2016/01/09/hochsexualisierte-begegnungen-gibt-es-hier-ja-sonst-nicht/