Kinderfotos im Netz – dazu hat eigentlich jeder eine Meinung. Vermutlich habt Eure Haltung dazu längst gefunden, Eltern oder nicht. Hier erkläre ich, warum und wie ich Kinderfotos zeige und warum ich das sogar wichtig finde.
Die Netzdebatte bisher
Auf der republica nächste Woche wird es eine eigene Session zum Thema geben, die von Anna von Berlinmittemom, Henriette von Supermom, Jessika von Herz und Liebe und Patricia von dasnuf gehalten werden wird. Die Positionen der Rednerinnen kann man sich anhand ihrer Blogs gut vorstellen und ich freue mich sehr auf die Diskussion dazu.
Henriette hat mit einem Text das Thema bereits im Vorfeld angestoßen und für Medienkompetenz und Vertrauen in die Eltern gesetzt, auch Steve plädiert dafür, Kinder aus dem Netz nicht verschwinden zu lassen. Patricia hat eine gründlich argumentierte Gegenrede dazu geschrieben und an das Recht des Kindes auf das eigene Bild erinnert. Leitmedium weist mit großen Recht daraufhin, dass es neben den Bildern auch Texte über Kinder gibt, die aber anscheinend niemand problematisch findet. Außerdem hat er das Thema populärkulturell betrachtet, gegensätzliche Medienaktionen gegenüberstellt (Kinder-Videos teilen, Reality-TV schauen) und, wie ich finde, entlarvt. Susanne nennt in ihrem Text im Tagesspiegel einen wichtigen Punkt: „Der Missbrauchsvorwurf zieht Schuld von Tätern ab“. Maximilians Statemtents auf Herzdamengeschichten dazu fand ich auch sehr gelungen: Nein, ich habe wirklich keine feste Meinung zu dem Thema, ich muss das immer wieder neu entscheiden. Die Onlinewelt ändert sich, die Kinder ändern sich – und im besten Fall bleibe ich auch flexibel“. Den diesen Texten zuvorgehenden, vollkommen unsachlichen und undifferenzierten Text aus dem Tagesspiegel, sowie einen anderen Blogtext von Ende letzten Jahres (oder war es Anfang dieses?) verlinke ich nicht. Denn eigentlich braucht sie kein Mensch.
Mama notes: Kinderfotos im Netz sind eine persönliche Einstellung
Ich selbst zeige meine Kinder, aber nur zumeist von hinten und maximal von der Seite. Ich finde, Kinder gehören in unsere Welt, in die Netzwelt sowie in die analoge. Mir gefällt es nicht, dass Kinder von öffentlichen Orten immer mehr verschwinden und fände diese Entwicklung im Netz ebenso traurig.
Ich finde aber auch, dass Kinderfotos nicht unbedingt full-front ins Netz gehören und ich finde, dass es zur Würde des Kindes ebenso gehört, wie sie gezeigt werden.
Insgesamt bewerte ich Kinderfotos auf einem Blog, auf dem das Bild im Falles eines selbstgehosteten Blogs, rechtlich der Autor*in gehört, anderes als auf Plattformen wie Facebook, flickr oder Instagram. Klar kenne ich den Mamastolz, wenn mein Kind auf einem Foto besonders süß aussieht und den Impus, das Bild zu posten. Tatsächlich habe ich auch schon Fotos von meiner privaten Facebookseite sowie von Instagram wieder gelöscht, weil ich noch einmal darüber nachgedacht habe und es mir zu viel war. Lernprozesse. Obwohl natürlich das Netz theoretisch nichts vergisst, gehe ich nicht davon aus, dass jemand (damals vor allem) meine Kinderfotos aus dem Netz kopiert hat.
Ob und wie Kinderfotos gezeigt werden, ist eine persönliche Einstellung
Ich finde vor allem, ob und wie man Kinderfotos zeigt, ist eine persönliche Einstellung, die jedes Elternteil sich selbst stellen und beantworten muß. Wenn jemand seine Kinder full-front auf Facebook zeigt, wird er oder sie sich mit den Privateinstellungen beschäftigt haben. Darin vertraue ich. Und selbst wenn sie dies nicht ausreichend, umfassend und fortwährend tun – ja, auch so etwas gehört zum Leben.
Das ständige Urteilen über Eltern, ihre Entscheidungen und ob all das auch der eigenen Meinung entspricht, ist respektlos. Meine Wahrheit ist niemals die Wahrheit des anderen, davon muß ich ausgehen und soviel Toleranz muß ich mitbringen.
Was ist daran so schwierig zu akzeptieren, dass auch das richtig sein könnte, was Andere machen? Was für mich stimmt, muß noch lange nicht bei Anderen passen. Die Frage nach Kinderbildern gehört für mich in die Reihe unsachlicher und stillos geführter Diskussionen, wie Stillen, Familienbett und Impfen.
Bitte mehr Medienkompetenz und virtuelle Aufklärung
Um gute Entscheidungen über das Verhalten im Internet fällen zu können, brauche ich Medienwissen, Medienkompetenz und eine gewisse Übung mit eben diesen Medien. Nun ist es ja so, dass die Sache mit „diesen Medien“ komplex ist. Wenn nicht gar kompliziert. Facebook ändert aus guten Gründen ständig seine Privateinstellungen und Hacks gibt es auch immer mal wieder. Es ist also wichtig, sich immer mal wieder mit den Einstellungen der einzelnen Plattformen zu beschäftigen. Zum Thema virtuelle Aufklärung habe ich hier schon mal etwas gebloggt, zu Kinderfotos im Netz, hier.
Übrigens denke ich nicht – und das ist für mich ein wichtiger Punkt – dass auch nur ein Foto eines Kindes oder Jugendlichen jemandem den Beruf vernageln oder Probleme mit zukünftigen Chefs verursachen kann. Es wird davon nämlich einfach zu viele geben. Wie war das Netz vor 10 Jahren, vor 15? Richtig. Komplett anders. Und so werden wir es auch in 10, 15 Jahren sehen, wenn unsere Kinder erwachsen geworden sind.
Warum ich meine Kinderfotos zeige
Ich zeige auf meinem Blog Kinderfotos und sogar meine neuen Visitenkarten zeigen Kinderbilder. Auf meiner privaten Facebookseite zeige ich kaum Kinderbilder und wenn dann nur für Freunde oder in einer geschlossenen Gruppe. Aber auch das habe ich schon lange nicht mehr getan. Tatsächlich mache ich einen Unterschied in privaten Accounts für Familie und Freunde und Elternblogs. Für Elternblogs gehören Bilder dazu, sofern der Blog grundsätzlich mit Bildern arbeitet.
Inhalt meines Blogs ist meine Mutterschaft, also unser Familienleben sowie meine eigenen Themen. Ich zeige meine Kinder, weil sie dazu gehören. Aber ich zeige meine Kinder von hinten und von der Seite. Ich finde, zum bebildern und illustrieren von Familiensituationen, Überlegungen und Themen bedarf es nicht unbedingt Gesichter, wohl aber Stimmungen, Situationen und Ideen. Dafür sind meine Fotos da und das hat für mich etwas mit dem Verständnis von Relevanz der Elternblogs zu tun.
Ja, es gibt ein „Recht des Kindes auf sein Bild“ und ja, ic fänd es ebenfalls seltsam, wenn die gesamte Kindheit eines Menschen verbloggt und im Netz bebildert wird. Aber das Meiste, was ich an Kinderfotos von Bloggern im Netz finde, egal auf welchem Kanal, sind Detailaufnahmen. Profilfotos sind schon das genaueste, was es von Kindergesichtern zu sehen gibt. Mir fallen auf anhieb nur eine Hand voll Bloggerinnen ein, die ihre Kinder komplett im Portrait zeigen. Die anderen zeigen ihre Kinder entweder gar nicht, oder nur Details wie Hände, Füße, Beine oder eben von hinten.
Ich mag verpixelte Gesichter nicht und auch Masken oder Herzchen auf Kindergesichtern gefallen mir nicht, aber das ist natürlich eine Geschmacksfrage.
Wenn ich finde, dieses Foto zeigt meine Gedanken, die beschriebene Situation am besten, warum dann nicht auch das Kind so zeigen, wie das Foto es zeigt?
Im übrigen sehe ich weder auf privaten Kanälen noch in Blogs „eine ganze Kindheit illustriert“, aber vermutlich ist auch das Auslegungssache.
Elternblogs haben das Recht, ihr Metier zu zeigen
Nein, meine Bilder sind weder Kunst noch Reportage und nein, nicht für jeden Menschen ist jeder Elternblog relevant. So wie nicht für jeden jede Tageszeitung oder Magazin relevant ist. Gesellschaftlich, politisch, meinungsbildend und -konstituierend sind Elternblogs jedoch sehr wohl relevant. Und somit sind auch die Situationen, die Familienleben heute zeigen, relevant.
Familienblogs kommen aus der Thematik, die sie beschreiben und liefern damit eine dichte, enge und authentischere Beschreibung, als eine Reportage das jemals könnte. Elternblogs zeigen einen Ausschnitt ihrer Wirklichkeit, und auch wenn man das, so wie jede Nachricht in Nachrichtenmedien auch, streng genommen als Konstruktion der Wirklichkeit verstehen muß, so haben auch Elternblogs die Aufgabe, ihr Metier zu zeigen.
Elternblogs sind in ihrem Habitus meist Tagebücher, Reisebeschreibungen und Seelenzustände, manchmal Ratgeber. Damit befinden sie sich im Bereich des Privaten, und Leisen und weniger in der Mainstream-Literatur, im Mainstream-Journalismus und -Bloggerei. Damit sind Eltern-Blogs der klassischen, anfängliche Frauenliteratur und dem Frauenjournalismus ähnlich, die in Tagebuchform, Ich-Form, als Brief- und Reisebericht geschrieben wurden.
Familienblogs sind gesellschaftspolitisch relevant – und ihre Bilder auch
Der Freitag beschreibt in junge Journalistinnen als „Susan Sonntags Töchter“, die ein Recht auf Ich-Sagen haben und journalistisch deshalb keineswegs irrelevant oder gar nutzlos sind.
Vergleichbar finde ich die Diskussion um Kinderbilder im Netz. Wenn wir Familienblogs als relevant begreifen, wenn wir tatsächlich verstehen, dass sie ein Gesellschaftsbild zeichnen, dann gilt das auch für ihre Bilder. Das gilt besonders für Blogs aber auch für manche private Fotos im Netz, je nachdem, wie der Absender sich positioniert und öffentlich darstellt. Kinderfotos, der private Raum, das Familäre, das Kochen, das Essen, das Chaos sind politisch. Sie sind relevant und weil sie sichtbar machen, wie Familie heute ist, was sie konstituiert und welche Fragen sich ihr stellen.
Das waren meine Notes dazu. Was sagt Ihr? Wie haltet Ihr es mit den Kinderbildern im Netz? Ich freue mich auf Eure Gedanken dazu.
Dein Satz “ Die Frage nach Kinderbildern gehört für mich in die Reihe unsachlicher und stillos geführter Diskussionen, wie Stillen, Familienbett und Impfen.“ gefällt mir sehr gut. Es in leider tatsächlich Themen bei denen man selten bis gar nicht seine persönliche Meinung äußern kann, ohne gleich angegriffen zu werden und das finde ich sehr unschön. Ich toleriere/akzeptiere Meinungen anderer, selbst wenn sie (erheblich) von meiner abweichen und im Gegenzug dafür erwarte ich nichts anderes.
Was Kinderfotos im Netz angeht, so zeigen wir unsere Kids durchaus auch mal full-front, wenn es zur Situation/zum Thema passt. Unsere 6-jährige gibt sogar manchmal „Anweisungen“ welches Bild sie von sic im Blog sehen möchte. Auf jeden Fall müssen die Kids bekleidet sein, Fotos vom nackig-durch-den-Garten-toben sind reine Privatsache. Auch gehören keine anderen/fremden Kids auf die Blog-Fotos, es sei denn wir haben die explizite Erlaubnis der Eltern/betreffenden Person. Sollte es doch mal sinnvoll sein um eine Gewisse Stimmung rüber zu bringen, so werden die anderen Personen/Kinder auf jeden Fall unkenntlich gemacht. So etwas kommt aber EXTREM selten vor, wie z.B. beim 5. Geburtstag unserer Maus. Es war ein ganz besonderer Tag auf einem Reiterhof und gehörte irgendwie Dokumentiert.
Wie du schon sagst,unsere Kinder gehören nun einmal zu uns und unserem Leben dazu. Anstatt Kinderfotos in Blogs/im www zu verteufeln und ganz zu verbannen, sollte viel lieber auf einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema geachtet werden. Und eben diesen verantwortungsvollen Umgang sollten wir auch unseren Kids beibringen, denn in den Öffis sehe ich tagtäglich Kids mit ihren Smartphones rumhantieren und da werden auch über Whats App und Co. diverse Bilder ausgetauscht. Hier sehe ich die größere Gefahr.
Viele Grüße,
Tanja
Gut gebrüllt Löwin! Ich finde die Relevanz für manche, die politische/gesellschaftliche Meinungsbildung wird noch viel zu wenig gesehen bei Elternblogs. Wir ändern die Welt vielleicht nicht, aber ich finde wir zeigen (wenn auch nicht unbedingt 100% ehrlich) wie Familienleben wirklich ist/sein kann, abseits der alten Medien und Sendungen wie „Mein Kind, dein Kind“ (so heißt diese Frauentausch für Familien Sendung doch, oder?).
Ich finde ja, dass Sendungen wie Mein Kind-Dein Kind nicht ansatzweise zeigen, wie Familienleben ist, sondern Klischees bedienen wollen. Was meintest Du „mit nicht 100% ehrlich)? Dass die Unordnung nicht fotografiert wird und nicht jeder Streit dokumentiert?
Genau das meine ich. :)
Was ich auch völlig verstehen kann, ich finde manches muss ich einfach nicht öffentlich erzählen, da liegt die Grenze bei jedem persönlich wie ich finde. Wir haben bei uns in der Familie so Sachen, darüber würde ich jetzt Bauchgefühlsmäßig einfach nicht bloggen. So wie einige nicht über Sex bloggen oder über Streits oder darüber das die Nachbarn doof sind oder so.
Das meine ich mit nicht 100% ehrlich. Jeder verschweigt bestimmt was, oder beschönigt oder kickt nochmal das Spielzeug ausm Bild wenn man ein Foto macht. Und das ist okay, finde ich. Immer noch meilenweit näher an der Realität als manches im TV.
Ich finde ja auch nicht, dass man als Blogger*in „verpflichtet“ wäre, jeden Pups aus dem Privatleben zu verbloggen. Authentizität hat nichts mit Vollständigkeit zu tun… Aber wir sehen das wohl schon ähnlich.
Ich persönlich würde dafür nur den Begriff „Ehrlichkeit“ nicht verwenden, das ist für mich etwas anders. :) Wie jedes Schreiben (oder Fotografieren) ist Bloggen eine Konstruktion. Dennoch sind sie näher am Original und eben authentischer als Klischee-Sendungen.
Stimmt, Authenzität passt viel besser als Ehrlichkeit, denn ehrlich sind wir ja. Einigen wir uns auf „Authenzität“ !
Verrückt finde ich dann immer, wenn man so mitbekommt wie das bei anderen so abläuft. Wenn man da mal die Kommentare in deren Facebookseiten liest, jetzt keine Elternblogger aber schon Blogger oder Youtuber. „Wieso hast du dich drei Tage lang nicht gemeldet?“ „Wieso steht da keine Zahnbürste mehr, ist dein Mann ausgezogen“ o.ä
Da scheinen manche wirklich zu glauben man müsste alles beantworten und alles offenlegen.
Zu diesem letzten Punkt hat Mama on the Rocks erst vor kurzem einen tollen Artikel geschrieben:
http://mama-on-the-rocks.blogspot.ch/2015/04/der-glaserne-blogger.html
Danke, Katharina. Ja das finde ich auch super formuliert. Ich hatte das auch schonmal gesagt: „Mein Blog gewährt einen authentischen Blick in unser Familienleben, aber er spiegelt nicht unser Familienleben wider. Das ist ein großer Unterschied. Es ist authentisch, aber nicht 1:1. Es ist ein Ausschnitt, eine Verdichtung und damit so etwas wie authentische Konstruktion. Da wären wir wieder beim Thema „Bloggen ist ein neues Genre“… :-)“
http://riegg-pr.com/2015/04/04/mama-blog-blogs-die-wir-lieben-3-mamanotes-aus-nordrhein-westfalen-mamablogger-pr-agentur-kind-familie/
Was Fotos betrift sind es bei mir mit den Jahren weniger geworden und auf dem Blog habe ich beim Umzug im letzten Sommer viele persönliche Fotos durch unpersönliche Stockfotos ersetzt.
Dafür teile ich auf FB mehr persönliche Fotos mit ausgewählten Personenkreisen, und lösche sie nach einiger Zeit wieder. Ich glaube jetzt auch nicht, dass jemand systematisch diese Fotos speichert.
Alles in allem kann ich sagen, dass ich mit der Zeit vorsichtiger geworden bin und es auch nicht mehr für „nötig“ halte, jeden Tag ein oder mehrere Bilder meines Kleinen zu teilen. Aber zwischendurch mache ich das gerne, auch gerade für die internationale Verwandtschaft.
Irgendwie ein schwieriges Thema. Einerseits möchte man die Rechte des eigenen Kindes wahren, andererseits möchte man transparent bleiben. Und woher soll man wissen, wo die Grenzen des Anderen, sprich: des eigenen Nachwuchses liegen werden?
Manchmal denke ich aber, wir machen uns zu viele Gedanken darum….
LG,Johnny