Bloggen bringt nichts. Ich habe Selbstzweifel galore. Ist Bloggen nicht das bescheuertste Hobby ever? Ich schwanke zwischen „meine Texte sind alle nicht gut genug“ und „Behalte Deinen Kram für Dich!“ Spätestens jetzt merke ich: Da ist etwas aus der Balance.
Wie immer Ende des Sommers bin ich unzufrieden mit meinem Blog. Dieses Jahr hat es noch nichtmal etwas mit der Statistik zu tun: Kein Sommertief, im Gegenteil. Eigentlich ein Grund zur Freude.
An Ideenlosigkeit liegt es nicht. Ich habe vier neue Textideen : Kinderschlaf, Schulstart, feministischer Blick auf Jungeserziehung und Glück. Theoretisch könne ich sofort losschreiben. Aber mit innerlich angezogener Handbremse geht das nicht.
Ein Streitgespräch zwischen einer gestrengen Richterin und dem kleinen Ätsch.
Auftritt: die strenge Richterin!!!
Die strenge Richterin rauscht! Sie rauscht herein in ihrem schwarzen langen Gewand. Sie hat streng zurückgenommene Haare mit Mittelscheitel. In der Hand trägt sie einen Zeigestock. Natürlich fuchtelt sie damit herum. Natürlich guckt sie streng. Natürlich macht sie keine Witze.
„Du fühlst Dich als Bloggerin leer!“ lässt sie mich wissen. Ich nicke. Stimmt. Es gäbe zwar so viel zu schreiben, aber warum sollte ich? Warum lebe ich nicht etwas und schreibe einfach nichts? Es fühlte sich nicht mehr richtig an: „Warum sollte ich das jetzt ins Internetz stellen?“ habe ich mich nach den Ferienerlebnissen und den letzten beiden Familienwochenenden gefragt und nicht gebloggt.
Die Richterin nickt dazu und seufzt genervt. „Eben!“, sagt sie. Der Zeigestock in ihrer Hand vibriert. Kurz denke ich an Hogwarts und Dolores Umbridge. Aber das wäre zu lustig und irgendwie subversiv, die strenge Richterin verbietet mir das.
Darf ich das überhaupt?
Darf ich überhaupt über unser Familienleben schreiben, gebe ich zu viel preis? Bin ich authentisch genug? Sind meine Texte nah genug am Geschehen oder verfalle ich in einen Ratgeber-Ton? Sollte ich vielleicht mehr Ratgeber sein oder sollte ich es einfach lassen. Should i stay or should i go?
Dabei bedaure ich gleichzeitig, dass ich im Urlaub so wenig Zeit zum Bloggen hatte. Dass ich nicht einmal Zeit hatte, um über mein Bloggen, Zukunftspläne und all diese Dinge nachdenken zu können. Wir hatten im Urlaub einfach Trubel!
„Nein!“, sagt die strenge Richterin
Ich war im Urlaub einfach unprofessionell, findet sie. Nichts hätte mich gehindert auch in den Ferien zu schreiben. Aber dazu konnte ich mich ja nicht aufbringen. Stattdessen abends schön Wein trinken, mit dem Mann quatschen oder Gilmore Girls gucken!!! Die strenge Richterin schaut tadelnd auf mich herab.
Ich überlege kurz, ob sie das Yeti kennt, das oben auf meinem Wäscheberg wohnt. Aber der Gedanke ist zu lustig, um in der eisigen Stimmung hier länger verweilen zu können.
„Aber wir waren weg, in Holland, größtenteils bei Sonnenschein und fast immer ohne oder mit grottigem Wlan!“, versuche ich mich zu verteidigen. „So kann ich nicht arbeiten!“, rufe ich ganz ohne hessischen Akzent.
„Ausreden!“ ruft die strenge Richterin aus und doziert mit stocherndem Zeigestock darüber, dass man bitteschön entweder etwas professionell oder eben unprofessionell zu machen habe. Also entweder Geld verdienen oder aus Lust und Laune heraus. Aber so ein Mischmasch wie bisher, so geht das nicht weiter. Wo kommen wir da hin! Entweder durchbloggen im Urlaub oder gar nicht. Und lass doch bitteschön die armen Kinder da raus! Ihr Stimme schnappt leicht über. So geht das alles nicht. Und in tiefem, rauen Ton fügt sie leise aber sehr durchdringend hinzu: „Alles falsch!“
Auftritt: Das kleine Ätsch!
Nach all den Fragen, der gestrengen Richterin und dem Überlegen, ob es für meine Kinder und mich besser wäre, mit dem Bloggen komplett aufzuhören, kommt mit Gejohle und Krawall das kleine „Ätsch“ um die Ecke. Das streckt der strengen Richterin die Zunge raus und zeigt mir einen Vogel. „Bisse bekloppt oder was?“ fragt es mich liebevoll und hüpft.
Es malt mir auf, wie mein Leben ohne das Bloggen wäre: Keine Gedanken formulieren mehr, kein Austausch mit Leser*innen oder mit dem Online-Clan. Alles nur mit mir selbst oder einem schnöden Tagebuch. Na? Willste das?
Das kleine Ätsch legt den Kopf schief und grinst siegessicher.
Ich kichere erschrocken in mich hinein. Die strenge Richterin holt empört Luft. Aber das kleine Ätsch hüpft Hüpfekästchen und singt dabei, darum höre ich nicht, was sie sagt.
Den eigenen Zweifeln zuhören
Weil die strenge Richterin nunmal da ist und ich es nicht wage, mich mit ihr anzulegen schaue ich mir die Kritik mal von einer anderen Seite an. Von meiner. Gehört das wirklich alles nicht ins Netz?
Ich lese meine Texte nochmal durch. Ich schaue meine Themenauswahl an. Ich überlege mir, wie ich mich textlich und stilistisch ausprobieren und verbessern könnte. Ich werfe mein Design und Logo gedanklich mehrmals über den Haufen. Ich überlege, was das Bloggen mit mir macht, was es mir bedeutet und wie viel.
Außerdem habe ich während der Ferien den Bloggerinnen-Kopf gar nicht abgeschaltet, erinnere ich mich. Ich habe im Geiste weitergebloggt. So viele Themen. Ich notiere sie übrigens gerade parallel in mein Notizbuch, es sind mittlerweile 7 bis 8 neue Ideen ….
Warum mache ich den Quatsch denn überhaupt?
Das Geld ist ist nicht der Grund, warum ich blogge. Ich habe das Bloggen angefangen, weil ich meine ewigen Fragen und die Absurdität meines Alltag notieren und diesen über allem wabernden, warmen Gefühle von Glück, Liebe, Geborgenheit und Irrwitz Ausdruck verleihen wollte. Vor Publikum. Ich suchte die Auseinandersetzung und den eigenen Blick von außen, der sich für mich nur einstellt, wenn es Leser*innen gibt. Nicht zuletzt auch wegen des Feedbacks der Leser*innen, die Kommentare, die Meinungen blogge ich. Das alles ist und bleibt mein Antrieb.
Ich blogge nicht um Geld zu verdienen, ich blogge, weil ich ich es brauche und verdiene Geld, weil es toll ist.
Im Sommer ist aus mir keine Mutter geworden, die das Wlan verteufelt, das Handy in die Ecke geschmissen hat oder findet, Kinder gehören nicht ins Netz und Eltern sollten ihren Erziehungskram gefälligst mit sich selbst ausmachen. Nein. Das sage diesmal ich.
Ich bin anscheinend ein Mensch, dem sich ab und zu die Sinnfrage stellt. Unvermittelt, anscheinend ohne Grund. Die innere Richterin macht sich in diesen Zeiten groß und breit, doziert und kritisert. Dabei fuchtelt sie mit ihrem Zeigestock.
Keine Ahnung, was die immer mit dem Stock hat. Das kleine Ätsch kichert bei dem Gedanken.
Ich nicke der Richterin zu, die dabei ist, ihren Stock einzupacken. Sie kneift den Mund ein bisschen zusammen, aber verkrümelt sich dann, grußlos natürlich. Das kleine Ätsch hüpft weiter weg. Vorher zeigt es mir noch den blauen Himmel und freut sich.
Ich hole Luft und blicke auf meine vielen notierten Ideen.
Vielleicht müssen wir einfach öfters mal wegfahren, denke ich. Dann bekomme ich das mit dem Bloggen im Urlaub schon hin. Dem kleinen Ätsch würde das bestimmt sehr gut gefallen.
Kennt Ihr solche Selbstzweifel-Phasen? Erzählt mir davon.
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Liebe Sonja,
Ich kenne eher Phasen, in denen ich denke, ich hätte nichts zu erzählen. In denen mir auch gar nicht danach ist, etwas zu erzählen, vielleicht, weil ich in diesem Phasen auch keine Resonanz haben möchte, sondern einfach meine Ruhe. Das ist am ehesten der Fall, wenn ich erschöpft bin, aber nicht so erschöpft, dass ich vor Erschöpfung an meine Grenzen komme (denn dann blogge ich wieder, das brauche ich als Ventil).
Aber in den 5 Jahren, die ich nun schon fast blogge, ist das sehr selten vorgekommen. Meistens habe ich einfach Lust, zu schreiben, und mich mitzuteilen. Und natürlich auch, bei anderen Bloggerinnen mitzulesen. Also, liebe Sonja, „bissebekloppt“! <3
Viele Grüße,
Christine
Hallo Sonja,
Ich musste bei deinem Eintrag einige Male schmunzeln. Die Bilder sind sehr gut nachfüllbar…
Ich lese dich gerne und als Bloggerin kenne ich viele, der von dir beschriebenen Gedanken (außer das mit dem Geld verdienen, das hab ich nicht drauf)… Ich habe länger darüber nachgedacht, was ich dir schreiben könnte und mir fiel nur ein, dir zu sagen, warum ich blogge: ich teile meine Gedanken und freue mich, wenn der eine oder andere davon auch andere Menschen erreicht. Es ist ein wenig Tagebuch, ein wenig Notizblock und ganz oft ein Platz, um etwas loszuwerden, das ich im realen Umfeld niemanden erreichen würde.
Ich lese dich gerne.
Liebe Grüße, Nina
Dankeschön Du Liebe. Darum blogge ich auch – und weiter.
Aber ja! Natürlich kenne ich das auch. Es ereilte mich erst kürzlich auch wieder diese Zweifel- bzw Reflektionsphase (http://jademond.de/ich/gedanken/). Nicht ganz über das ob, sondern mehr über das wie. Mir tat der blogfreie Urlaub gut. Und generell gehe ich es entspannter an als noch vor einem Jahr.
Deine Gedanken kommen mir sehr bekannt vor – und deine Sinnfrage ebenso. Ich habe mittlerweile auch schon so einige Krisen hinter mir. Aber ich habe genauso wie du entschieden, dass das Bloggen für mich eine Herzensangelegenheit ist, die mir extrem viel Spaß macht. Und dementsprechend mache ich mit dem Bloggen einfach weiter … Ich habe mich jedoch bewusst entschieden, im Urlaub nicht zu bloggen. Denn eine Auszeit tut auch gut, denn kann man seinen Blog nach dem Urlaub wieder mit einem frischen Wind angehen.
Been there, seen that….
Bei mir ist es meistens so, dass ich so viel mehr Ideen habe, als Zeit, und wenn ich dann endlich dazu käme zu bloggen, kann ich mich gar nicht zwischen den drölfundzwanzig Entwürfen entscheiden und am Ende ist das Zeitfenster wieder zu, die Jungs kommen nachhause und gebloggt habe ich noch überhaupt nichts (nur ein paar weitere Entwürfe angelegt). Tja….
Je länger man das alles macht, desto mehr macht man sich über all solche Dinge einen Kopf.
Anstatt man sich zurück lehnt, den Kopf abschaltet und genau das schreibt, wie einem gerade
danach ist. Das macht es doch aus, oder nicht?
Herzliche Güsse
Yvi